Konzeption, Geschmack und Sterne

Besuch im Caroussel Nouvelle – dem Restaurant mit neuem Konzept im Bülow Palais

Bülow Palais

Wenn die Agentur schreibt, liest sich das so: „Bistro meets Haute Cuisine: Unser Hotelrestaurant wagt den Relaunch und kehrt mit neuem Küchenchef, neuem Namen und neuem Konzept aus dem Lockdown zurück.“ Das Zitat ist aktuell, der Relaunch und das neue Konzept stammen aus dem Frühjahr vergangenen Jahres. Seitdem gab es coronabedingt erneut die eine oder andere schwere Zeit – Sachsen war, was Schließzeiten der Gastro anging, da ja (durchaus aus Gründen) sehr ausdauernd. Nun aber hoffen wir auf etwas konstantere Öffnungsmöglichkeiten und folgten sehr gerne einer Einladung ins Caroussel Nouvelle – denn um das geht’s (hier mein Beitrag über die Fusion von Caroussel und Bistro im falstaff).

Jana Schellenberg und Sven Vogel. Bild: Sebastian Thiel

Sooo viel Neues gibt’s ja in der Tat nicht, aber das wäre bei einem Traditionsbetrieb wie dem Bülow Palais ja auch überraschend. Wohl eher notgedrungen (erstens kaum Gäste, siehe oben, zweitens fehlt der Gastro wie überall gutes Personal) gab es die Neukonzeption, die im wirklichen Leben und fernab geduldigen Papiers aber nicht umhaut. So sieht’s aus: Das Feinschmecker-Restaurant Caroussel fusionierte mit dem Bistro, und zwar räumlich wie kartenmäßig. Räumlich heißt: man sitzt nun entweder in den alten Räumen des Bistros oder im erst 2019 neu gestalteten glasüberdachten Innenhof (der bis dato dem seinerzeit mit einem Michelin-Stern bedachten Restaurant vorbehalten war). Kartenmäßig heißt: es gibt zwei Menüs, die an alte Sterne-Zeiten erinnern (in diesem Jahr gab es – seit eigentlich immer – erstmals keinen Michelin-Stern mehr). Eins der beiden Menüs ist, auch das gute junge Tradition, rein vegetarisch. Und dann gibt es eine Karte, die an die des Bistros früher erinnert, mit Klassikern wie Beef Tatar oder Wiener Schnitzel. Küchenchef ist, nach dem Weggang von Benjamin Biedlingmeier, dessen langjähriger Weggefährte Sven Vogel.

Und wo ist das Neue? Dass man wie wild kombinieren kann. Ist das sinnvoll? Nun ja, die einen sagen so, die anderen sagen so. Der Küche fällt das Planen natürlich so schwerer: was werden die Leute wohl essen, wenn sie reserviert haben und kommen? Man weiß es nicht. Das könnte man ja noch als Berufsrisiko abtun (ist es aber nicht nur in Zeiten, wo man über schonenden Umgang mit Ressourcen nachdenkt) – aber viel wilder ist ja, wenn der fälschlicherweise gern König genannte Gast munter kombiniert, was vielleicht gar nicht passt. Menüs stellen in guten Restaurants ja immer eine bewusste Abfolge von Gerichten dar, eine Gesamtkomposition. Mal einen Gang weglassen oder (weil man vielleicht absolut keinen Rehrücken mag) durch etwas anderes ersetzen. Aber wenn das andere dann der Zwiebelrostbraten wird, könnte das schon die Harmonie einer Speisereise ein bissl wie stören. Preislich tun sich übrigens die einzelnen Gerichte der Gourmetkarte mit denen der Bistrokarte nicht viel: Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurken-Salat kostet 28,- Euro, Gebratener Steinbutt mit Bärlauch, Spargel & Nussbutter 34,- Euro, der erwähnte Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln und Pfefferrahmsoße 32,- Euro. Die Portionen sind natürlich größer als im Menü, aber preislich spielt man in der gleichen Liga.

Viel VDP in der KühlungWir hatten ja in Vorbereitung auf den Besuch die Karten online gelesen und schon beratschlagt, ob und wie wir was tauschen sollten. Unsere theoretischen Pläne gaben wir dann vor Ort auf, denn wenn man sich an einem Genussabend so richtig fallen lassen möchte, sollte man sich einfach auf die verlassen, die den Abend geplant und zu verantworten haben. So kaupelten wir nur ein ganz klein wenig und ersetzten einmal gar nix und beim Gegenüber die Suppe mit der des Veggi-Ganges und (tatsächlich!) den Rehrücken durch den Steinbutt von der Klassiker-Karte.

Die Weinkarte der Bülow ist groß – wir hatten die Sommeliere Jana Schellenberg kurz vor unserem Besuch bei ihr ja als Gast bei uns im Podcast „Auf ein Glas“ (hier in Episode 51), und da verriet sie uns, wie groß: irgendwas zwischen 500 und 600 Positionen. Da fände man sicher die passende Flasche, aber viel schöner ist es, die zum jeweiligen Gang passenden Weine glasweise serviert zu bekommen. Im Ernstfall kann man ja abweichend oder ergänzend was anderes als die Empfehlung nehmen, was bei uns auch vorkam.

Caroussel Nouvelle

So sieht’s also aus, das Gourmetmenü (als 4-Gang-Menü 94 €/Weinbegleitung 46 € | als 5-Gang-Menü 110 €/Weinbegleitung 58 €).

Kalbsbries, Sellerie, Salzzitrone & Kaffee
€ 28
***
Taubenessenz, Blumenkohl & Purple Curry
€ 19
***
Hummer, Leipziger Allerlei
€ 28 / € 36
***
Rehrücken, Mairübchen, Blaubeere & Vogelmiere
€ 38
***
Rhabarber, Spargel & Waldmeister
€ 17

Das liest sich gut und verspricht einige Dinge, derentwegen wir ins Restaurant gehen – weil das zu Hause so nicht klappt. Kalbsbries beispielsweise macht im Vorfeld ja arg viel Arbeit, und eine Essenz von Tauben herzustellen ist auch kein Zuckerschlecken. Leipziger Allerlei? Das Zeitfenster für die notwendigen frischen Zutaten ist eng! Und was sich scheinbar einfach liest, bedeutet ja auch immer viel Aufwand! Nicht, dass wir den generell scheuen, aber schön ist’s schon, wenn andere das erledigen! Mithin: Vorfreude auf Kommendes!

Serviert wird alles auf Meissener Porzellan, was man in der Bülow auch stolz kommuniziert. Das edle, aber schlicht wirkende Porzellan unterstreicht dabei eher das Traditionelle, wobei das 1996 von den Meissenern präsentierte Wellenspiel mittlerweile ein wenig gediegene Langeweile ausstrahlt. Gegenüber all den modernen Essensunterlagenspielereien hat es freilich den Vorteil, sich schlicht zurückzuhalten und den Speisen den Vortritt zu lassen.

Da kann also der Koch mit seinem Team nach Gusto präsentieren: farblich am gelungensten ist das beim Leipziger Allerlei zum Hummer. Beides fein voneinander getrennt, und das Allerlei auch noch so gut es geht decollagiert, wie eine Dorflandschaft mit Türmen und Plätzen. Unerwartet zum Lieblingsgang geriet der, den ich beinahe gegen die Bouillabaisse mit Flusskrebs, Fenchel, Tomate & Sauce Rouille aus der Klassiker-Karte getauscht hätte, weil Taube nicht so mein Ding ist. Aber der Gang hat mich und mein (durch zahlkreiche Proben berechtigtes) Vorurteil korrigiert: aus Taube fast roh auf dem Teller ohne Suppe, aber in hauchdünnen Scheiben, wird Taube gut angegart und mit trefflichem Geschmack durch Begießen mit heißer Essenz, die auch für sich genommen ein Prachtstück an Würze und Geschmack war.

Zimmerling-EtikettWir hatten die Weinbegleitung zum Menü gewählt und so einen Einblick in die Vorlieben der Sommeliere bejkommen: zweimal Sachsen, einmal Baden, einmal Toskana. Ihre Winzer kennt Jana Schellenberg persönlich, die Weine ja sowieso. Nicht in dieser Liste: zwei unserer Lieblinge, die wir vorab als Apero auf der Terrasse (schon in der Sonne, aber insgesamt leider noch zu kalt…) und zwischendurch bekamen. Wir fanden’s prima…

– 2019 Riesling, Weingut Klaus Zimmerling, Sachsen
– Sauvage Traminer, Weingut Frédéric Fourré, Sachsen
– 2018 Weisser Burgunder Lösswand, Weingut Arndt Köbelin, Baden
– 2018 Vino Nobile di Montepulciano, Salcheto, Toskana, Italien
– Gin & Rhabarber Spritz

Natürlich beschäftigten wir uns zwischen den Gängen mit der Frage, ob der fehlende Stern durch die Michelin-Tester nachvollziehbar sei. Wir kamen zum Ergebnis: ja doch, ist so. Einerseits könnte man ja bei einem Menü wie diesem ein wenig Drumherum erwarten. Die berühmten Grüße aus der Küche, die ja nicht nur Ohnmachtshappen darstellen, sondern zu Beginn, mittendrin und vor oder nach dem eigentlichen Dessert pointiert zeigen, was die Küche so drauf hat. Nichts dergleichen gibt es, was sicher nicht nur Tester (m/w/d) beklagen. Und auch beim Rest fehlte uns ein wenig die mutige Kreativität. Gutes, ja sehr gutes Handwerk ist es. Aber das allein bringt keinen Stern.

Und da reißt es auch der Service nicht raus, und auch nicht die Weinbegleitung. Wir waren – wie immer – angetan von der Professionalität und Verbindlichkeit, mit der Jana Schellenberg sich um die Gäste kümmert (nicht nur um uns, die wir uns seit Jahren kennen – genau so selbstverständlich auch um die anderen). Sie vermag es, passende Weine zu empfehlen: passend zu den Gerichten und zu den Gästen (wenn die ihren Geschmack verraten). Im oben erwähnten Podcast nannte ich sie die Lieblingssommeliere, und dabei bleibt’s.

Caroussel Nouvelle
Königstraße 14
01097 Dresden

Tel. 0351 / 80030
www.buelow-palais.de/restaurants-bar/#caroussel

Gourmet-Karte:
dienstags bis samstags 18 bis 22 Uhr

[Besucht am 2. Juni 2022 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*