Es waren einmal ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn. Was die erlebten, erzählten die Gebrüder Grimm. Sie (die Tiere, nicht die Grimms) sind zwar nie in Bremen gelandet, aber die Stadt zeigt die vier in ihrer typischen Position noch heute. Die bekannteste Variante stapelt sich an der Westseite des Rathauses, ist aus Bronze und 1951 von Gerhard Marcks gestaltet. Die Stadtmusikanten gibt es in fast allen Spielarten, deren lustigste vielleicht das B-Team auf einem Plakat von P. Gay ist und Schwein, Huhn, Fisch und Schmetterling (so es denn einer ist…) immerhin recht fröhlich darstellt.
Ansonsten lebt der Tourismus der Stadt hauptsächlich von drei nahezu benachbarten Bereichen, die der Auszubildende an der Rezeption des Hotels mit seinem roten Filz (und das in Bremen: roter Filz!) auf der Stadtplankopie zielsicher markiert: Ein Kringel rund um den Markt , ein weiterer um das Schnoor-Viertel, ein dritter markiert die „Schlachte“ entlang der Weser, aber „da ist nur im Sommer was los: Kneipen und so!“ Danke, wir haben verstanden – und wenden uns als erstes am Abend ganz woanders hin, nämlich weg von der Altstadt Richtung Bürgerpark. Stadthalle, Kongresszentrum (bremisch: Congres Centrum) und Messehallen sind hier zu finden, und am Ende des Höllersees demonstriert das Parkhotel bremische Gediegenheit. Hier kommt der Bremer gerne hin, wenn er mal fein ausgehen will – und die Küche hat, nach einigen Versuchen der fernöstlich inspirierten Zubereitungsart, nun derlei Irritationen abgelegt und versucht sich klassisch mit norddeutschem Akzent.
Die Altstadt mit dem Markt eignet sich prächtig, den ersten Teil der alten Geschichte Bremens zu erzählen. Mehr als 1.200 Jahre alt ist die „Freie Hansestadt Bremen“, wovon der Dom in seinen diversen Varianten am meisten gesehen hat. Die wesentlichen Häuser am Markt haben immerhin gut die Häfte der Zeit auf dem Buckel: Das Rathaus aus der Zeit von 1405 – 1410 hat im Prinzip eine sehr sehenswerte Weserrenaissance-Fassade, doch im Oktober war die noch zur Hälfte verhüllt – ein Umstand, den das Werbeheft der Bremer Touristik-Zentrale sogar positiv zu verkaufen weiß: „…noch bis November: Erleben Sie das verhüllte Bremer Rathaus!“ Ja! Wir haben es erlebt! Und es war… nichtssagend.
…ganz im Gegensatz zum Bremer Ratskeller, dessen Schätze sich uns nicht praktisch erschlossen, sondern nur theoretisch. Man nennt ihn im Touristendeutsch gern das „köstliche und angenehme Fundament“ des Rathauses und spielt damit an auf die lobenswerte Tradition, seit 1404 hier nur deutsche Weine auszuschenken. Die Qual der Wahl aus 650 verschiedenen Kreszenzen ist nichts für den frühen Samstagmorgen, weswegen wir auf die Führung durch die mächtigen Gewölbe (inkl. einem Schoppen Wein) verzichteten und uns dem Bremer Roland zuwandten.
Die Geschichte des Rolands ist ja nicht wirklich an Bremen gebunden, aber hier steht – seit 1404 – die größte der 27 Rolandstatuen Deutschlands als Zeichen für Recht und Freiheit – und wir freuen uns, dass der Roland offensichtlich auch ein Verbündeter des deutschen Weintrinkers ist, denn auch da war ja die zu merkende Jahreszahl 1404. Zu den einzelnen Häusern rund um den Markt gibt es viel zu erzählen, zumal die ja teilweise auch einige hundert Jahre auf dem Buckel haben. Doch es lockt schon die Böttcherstraße!
Die knapp über hundert Meter lange Fußgängerpassage geht vom Markt ab und führt Richtung Weser. Auf diesen hundert Metern gibt es viel zu sehen, was letztendlich auf Ludwig Roselius zurückzuführen ist, dem wir auch den koffeinfreien Kaffee zu verdanken haben. Der Bremer Kaufmann inspirierte und Bernhard Hoetger setzte um: Vom „Lichtbringer“ am Eingangstor über die Paula Becker-Modersohn-Kunstschau bis zum Himmelssaal ist die Böttcherstraße der Beweis, dass Inspirierte die Welt verändern und nicht Erbsenzähler.
Wenn man es nicht gesagt bekäme, würde man sicher bei der Entstehungszeit der Böttcherzeit daneben tippen: 1923 bis 1931 entstand das Ensemble und ist somit vergleichsweise jung. Ganz im Gegensatz zur dritten Bremer Attraktion: Das Schnoorviertel geht zurück aufs 15. und 16. Jahrhundert, hatte schon erheblich schlechtere Zeiten erlebt und wurde quasi in letzter Minute gerettet: Stadtsanierung einmal eher vorbildlich am historischen Vorbild orientiert und nicht nach der P&P-Methode (Plattmachen und Platte bauen).
Die kleinen Häuser an den verwinkelten Gassen sind natürlich nicht mehr das Zuhause für Fischer und Hufschmiede: Tourismus in allen Schattierungen ist eingezogen in den Schnoor. Es gibt Kneipen in allen Variationen, Künstler und Kunsthandwerker mit Werken unterschiedlichsten Geschmacks, man findet im Vorübergehen das Institut für Niederdeutsche Sprache und einen nicht in jeder Jahreszeit passend wirkenden Weihnachtsladen.
Vom Schnoor ist es nicht weit zur Kunsthalle, die (bis zum 26. Januar 2003) mit einem Leckerbissen aufwartet: „Felder“ heißt die Ausstellung, die mit rund 50 Gemälden und Zeichungen Vincent van Goghs Landschaftswerke zusammen führt.
Ulrich van Stipriaan
Originalbeitrag STIPvisiten
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