Vueltas – La Puntilla – La Playa

Gomerisches Tagebuch (2)

Segler vor La Puntilla

Leider erleben wir prinzipiell nie Sonnenaufgänge (Ausnahmen wie die während der Anreise aus dem Flugzeug heraus sind nicht freiwillig!). Als aber der Herr Morpheus uns aus seinen Armen entließ, stellten wir voller Freude fest: Heute ist nicht nur Sonntag, heute ist ein Sonnentag! „Schon klasse, wie schnell sich hier das Wetter ändert!“ himmelte eine urlaubsbegeisterte Sylke dem Meer entgegen – nicht ahnend, wie recht sie mitttelfristig damit behalten sollte.

Das Schöne an nicht-deutschen Urlaubsaufenthalten ist die Unaufgeregtheit des Einkaufens. Selbst in den katholischsten Gegenden kann man sonntags den Grundbedarf an Frischem stillen. La Gomera kennt glücklicherweise keine großen Supermärkte – was dort Supermercado heißt, ist eher ein Tante-Emma-Laden. Nachteil: superbillig ist da nichts. Vorteil: man wird noch wirklich bedient und kennt die Leute. Nach einem Jahr hatten sich unsere Verkäuferinnen/Kassiererinnen nicht geändert, die eine war immer noch jung und hübsch und muffelig (sie trägt immer den Gesichtsausdruck „eigentlich sollte ich ja ein Filmstar sein oder ein Glamour Girl oder wenigstens hier auf der Insel einen reichen Freund haben“), die andere nicht so jung, nicht so hübsch – aber dafür auch nicht ganz so eingebildet.

Die Zeiten ändern sich allerdings auch auf La Gomera, und so mussten wir etwas betrübt feststellen, dass der Bio-Bäcker und seine von uns so lieb gewonnenen Brötchen und Brote nicht mehr im Angebot waren. Was da jetzt im Korb lag, schmeckte auch, war auch irgendwie Vollkorn – aber eben nicht mehr ganz so gut. Das Haus in El Guro, das vor einem Jahr noch mit dem Bäcker-Yin-Yang verziert war, hatte eine nackschte weiße Wand: er wird also wohl fort sein – schade. Ansonsten eigentlich alles wie gehabt: Butter teuer (2.05 Euro), Milch nur in der nicht-frische-haltbar-Variante, Käse, Obst, Chorizo und Weinangebot ok.

EbbeNach dem Frühstück – natürlich auf der Terrasse direkt am Meer: das ist Urlaub – wollten wir sehen, ob alles noch steht im unteren Teil des Valle. Sonntagsspaziergang nach Vueltas zum Hafen. Der ist klein und beschaulich. Die bunten Boote dümpeln vor sich hin, manchmal kommt und manchmal geht ein Garajonay-Exprés, dann stinkt’s nach Diesel. Aber ansonsten geben sich die Fischer die Ehre in der kleinen Hafenkneipe an der Theke. Die Touris erkennt man daran, dass sie draußen am Tisch sitzen. Der Rückweg führt durchs Meer – nicht weil wir Tickets kaufen wollten, sondern weil Ebbe war und man dann über die Klippen strolchen kann. Schon aus purem Eigennutz schaut man da oft runter, man will ja schließlich wissen wo man hintritt, und entdeckt kleine Fische und manchmal auch Krustentiere. Um mehr von denen zu sehen, geht man abends am besten in eins der besseren Restaurants, denn die Fischer machen sich bei ablaufend Wasser mit Gummistiefeln an den Füßen und Eimer in der Hand auf Tour, alle Leckereien aus den Wasserlöchern einzusammeln.

Manchmal auch hoch und zurück blickend muss ich sagen: als Fisch oder Krebs oder Garnele hat man auch eine nette Aussicht (zumindest bis zu dem Augenblick, wo Dir der Fischer ins Auge sieht). La Puntilla mit Palmenpromenade vorne, die mächtigen Berge des Valle Gran Rey links und rechts vom Tal mit den bezaubernden weißen Häusern an den Hängen, die in der Sonne wie Sterne strahlen – und ein fabelhaft kitschigblauer Urlaubshimmel. Nicht schlecht!

Charco del CondeHinter der Klippe geht’s wieder landein, das heißt: es kommt ein Tümpel, der Charco del Conde. Der Name verrät es (wer’s nicht versteht, weil er bei „c“ in der Schule gefehlt hat: Teich des Grafen) – hier badeten ehedem bessere Leute. Nebenan war Platz für den Charco de la Condesa (für die Gräfin, genau!). Heute baden hier alle durcheinander, und vor allem die Kinder freuen sich, endlich mal eine nette kleine Toilette mit zweimal täglicher Meerwasserfrischspülung gefunden zu haben.

Playa de Valle Gran ReyDer nächste Strand gibt mehr her – für mich ist es der schönste in der Gegend (für die einschlägigen Buchautoren ist er es nicht, die loben den dann folgenden mehr). Warum ist er so toll? Weil er viel (schwarzen) Sand und wenig Steine hat – für meine zarten Butterflyfüße ein gewichtiges Argument. Außerdem hat der Strand von La Playa die richtige Größe, um trotz Begängnis das Gefühl von Ruhe zu bieten – er ist knapp einen Kilometer lang, aber nur an den beiden Enden wirklich nett. Muss ich noch erwähnen, dass es keine Liegestühle gibt, weswegen viele Deutsche gar nicht erst kommen, weil sie nicht wissen, wo sie morgens vor dem Frühstück ihr Handtuch hinlegen sollen?

HautacupercheAm Anfang dieser schönen Bucht steht seit Juni 2007 ein stattlicher Mann. Hautacuperche ist sein Name, und er ist eigentlich schon einige Zeit tot. Aber 1488 lebte er noch und führte einen Aufstand gegen den Feudalherren Hernán Peraza an – nach dem übrigens die Höhe „Degollade de Peraza“ benannt ist, an der im vergangenen Jahr unsere Wanderung nach La Laja begann. „Hautacuperche startete vom „baja del secreto“, in der Nähe des Standorts an der Puntilla, aus, nach San Sebastian und führte die „rebelion der gomeros“ an. Dieses Denkmal wurde von der directión general de cooperación y patrimonio cultural del gobierno de canarias dort hingestellt“, schreibt der „erfahrene Benutzer“ la rana im Gomeraforum. Nun wissen wir es! Freundlicherweise sieht der überlebensgroße Monsterheld in die Berge, so dass man sich beim Schwimmen nicht beobachtet fühlt. Baden kann man an diesem Strand nämlich vortrefflich – ich erwähnte den zarten Sand und füge hinzu, dass es sanft und stetig ins Wasser geht, dass es Wellen gibt, dass das Wasser klar ist und ich Quallen und anderes störendes Getier in der Bucht „Playa de Valle Gran Rey“ noch nicht erlebt habe.

Playa del InglesWeiter zum nächsten Strand, der hinter dem von Touristen befallenen Örtchen La Playa liegt. Er soll, wie geschrieben, der schönste der Insel sein – von wegen! Na klar ist der „Playa del Ingles“ ein Traum, mit der massiven, 600 Meter steil aufragenden Felswand von „la mérica“ im Rücken, die bei Sonnenuntergang so wunderbar rot schimmert! Und erst die wellen, die sich an den Felsen brechen und im Gegenlicht bezaubernd spritzige gischt abgeben! Aber kann mir jemand sagen, wie man da in Ruhe baden soll? Viel zu gefährlich, zumal eine Unterströmung einem den letzten Spaß raubt. So ein bisschen plantschen: ja, das geht. Aber ansonsten ist dies eher ein Ort, wo man sich ungezwungen bis auf die später sicher salzige Haut (die Gischt!) ausziehen und die die Seele baumeln lassen kann.

1 Trackback / Pingback

  1. Streiten bis zum Bussi | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*