Die Wanderung von Chipude (eigentlich dem Dorf Temocoda, da Chipude mehrere Dörfer umfasst) zum höchsten Berg Gomeras ist lang – aber nicht langweilig. Und selbst wenn der Garajonay mit 1487 Metern die höchste Erhebung der Insel ist: anstrengend ist es nicht, denn bis auf die Länge ist es eher eine gemütliche Wanderung ohne Schwierigkeiten.
In Chipude findet man als Leihwagenbesitzer Parkplätze, Busfahrer kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ebenso dort ganz gut an. Die Kirche im Dorf, das als ältestes der Insel gilt, lohnt einen Besuch: Die Iglesia Nuestra Señora de la Candelaria stammt aus dem 17. Jahrhundert.
Dann geht’s los, zuerst quer durchs Dorf auf der Hauptstraße Richtung San Sebastian. In einer lang gezogenen Rechtskurve zeigt ein Schild den Weg an: Es geht links ab von der Straße, vorbei an einigen Häusern, die zumindest für Fotowütige die ersten Verzögerungen der Wanderung begründen.
Nach einiger Zeit, in der man immer mal wieder die eingangs gelaufene Straße quert, geht es bei Pavon an einer Trafo-Station ab Richtung Fortaleza.
Die Fortaleza de Chipude ist bei einer Wanderung im Südwesten von La Gomera unübersehbar – weniger wegen der Höhe von 1241 Metern als wegen der markanten Form: Der Tafelberg ragt schroff und – aus gebührender Entfernung betrachtet – wie ein Block aus dem Grün hervor. Wie die Roques ist auch dieser Tafelberg vulkanischen Ursprungs. Man kann – zumindest theoretisch – einen Abstecher unternehmen, aber da alle einschlägigen Wanderführer von Kraxeleien sprechen, fiel dieser aus. Offizielle Begründung: Zeitmangel.
Wer sich die Kraxelei auf den Fortalezza erspart (oder sie auf einen anderen Tag aufschiebt…), wird dennoch nicht enttäuscht: Die nächste Stunde muss man sich nur oft genug umsehen, um das gewaltige Massiv in der ganzen Pracht zumindest aus der Distanz zu erleben. Der Weg selbst ist weitgehend gemütlich, geht mal rauf und dann wieder runter. Auch ein Stück Straße (die nach Erque) ist laut Plan vorgesehen – uns ist allerdings nicht ein Auto begegnet, so dass auch dieser Abschnitt erträglich war.
Wieder im Wald gibt es geniale Blicke, die theoretisch die hier Barrancos genannten Täler entlang bis zum Meer erlauben. Wenn allerdings milchig-neblige Wolken im Tal hängen, schweift das Auge nicht gar so weit und bleibt an den sich künstlerisch am Hang lang schlängelnden Straßen hängen. Große Freude, wenn sich da ein Baufahrzeug hochquält, das so breit wie die Straße und so langsam wie eine Schnecke ist. Aber, schade, schade: Keiner kam ihm entgegen, keiner folgte ihm, so dass es nichts Besonderes zu beobachten gab…
Das gemächliche Auf und Ab führt in den Nationalpark – und prompt wird es grün, so als ob sich die Vegetation an Nationalparkgrenzen hält. Ein Bach quert (wir hatten ja einen Wanderhund dabei, der sich da bestens verpflegte), man blickt auf offensichtlich nicht mehr landwirtschaftlich genutzte Terrassen, passiert das höchste Dorf der Insel: Igualero liegt 1.300 Meter hoch. Kurze Überschlagsmilchmädchenrechnung: Von Chipude bis hierhin haben wir also 250 Höhenmeter geschafft (ohne die kleinen Schikanen des Auf und Ab), der Garajonay ist 1487 Meter hoch – das Gröbste scheint überwunden.
Pustekuchen: Es geht doller rauf als bisher und es ist irgendwie weniger interessant auf den letzten Metern bis zum höchsten Berg der Insel…
Der Garajonay (Alto de Garajonay) ist der höchste Berg der Insel. Aber nicht wirklich spektakulär, vor allem bei diesiger Sicht, die – hallo Regenwald! – eher die Regel ist. Das Steinhäufchen auf dem Plateau hat mit dort gefundenen Relikten einer Kultstätte zu tun.
Nett ist die Geschichte, wie der Berg zu seinem Namen kam. Sie spielt im 15. Jahrhundert, und damals gab es noch Prinzen und Prinzessinen. Die waren immer schön und verliebten sich manchmal nicht standesgemäß.
Die schöne Prinzessin Gara war so eine: Sie verliebte sich in den armen Bauernsohn Jonay, der auf der Nachbarinsel Teneriffa lebte und auch verliebt war – nämlich in die Prinzessin. Täglich fuhr er rüber nach Gomera – mit einem Floß sicher kein Zuckerschlecken.
Prinzessin und Bauer – das konnte ja nicht gut gehen! Ein Priester prophezeite den beiden Unheil, und was der König so sagte, davon wollen wir gar nicht reden. Dennoch wollten die beiden heiraten!
Am Tag der Hochzeit jedoch spielte die Natur verrückt: Ein starkes Erdbeben erschütterte Teneriffa. Der Teide spie Lava. Das Meer um La Gomera färbte sich blutrot – und die Insel begann zu glühen.
Ein Schuldiger war schnell gefunden: Jonay! Die adelige Verwandtschaft der Prinzessin fand, dass es genug sei mit Naturkatastrophen und brachte Jonay (natürlich gegen seinen und der Prinzessin Willen!) zurück nach Teneriffa.
Des Dramas letzter Akt: Jonay kommt wieder nach Gomera, schnappt sich Gara und flieht mit ihr ins damals touristisch noch nicht erschlossene Hochland. Warum die beiden dort nicht in Liebe glücklich weiterlebten, sondern mit dem Schicksal haderten, ist nicht überliefert. Offensichtlich haben sie zuviel diskutiert und die fatale Bilanz gezogen, dass alles und vor allem ihrer beider Leben keinen Sinn mehr mache: Eine an beiden Enden gespitzte Lanze aus Lorbeerholz, gleichzeitig von beiden angegangen, endete in ihren hübschen Körpern. In inniger Umarmung ging das Liebespaar in den Tod – und der Berg heißt seitdem Garajonay.
[Wir hatten Wanderbegleitung: Die Geschichte von Chi Gomera]
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