Oh wie schön ist’s auf Gomera! Sonne am Morgen, sogar einen Sonnenaufgang hat’s links hinterm Felsen von Argayall gegeben. Da werden sich die dort ansässigen Transluzenten und ihre spirituellen Freunde gefreut haben – falls sie schon wach waren. Die Meditation bei den Baghwans findet nämlich zur touristenfreundlichen Zeit statt: von acht bis neun. Da kraucht sogar die spätherbstliche Sonne schon um die Felsen herum…
So einen schönen Tag nutzt man am besten für eine ausgiebige Wanderung, steht früh auf und schafft eine Menge. Ich ging nach dem Sonnenaufgangumdieeckebild wieder ins Bett, bis das Licht unerträglich hell wurde. Dann gönnten wir uns noch ein nettes Frühstück am Meer, also auf dem Balkon mit Blick aufs selbige, über die Straße hinweg. Anschließend beschlossen wir, die in unserer Literatur als extrem schön eingestufte Wanderung von Arure nach Alojera („abschüssiger Panoramaweg durch die Steilwand“, „unangenehm gerölliger Camino“) weitestgehend mit dem Auto zu absolvieren.
Alojera, so schreibt die hübsche und extrem kundige Izabella Gawin in ihrem „handbuch für individuelles entdecken“, sei das „schönste Ausflugsziel im Nordwesten“. Einerseits hat sie recht, denn es ist wirklich verdammt malerisch da unten – aber andererseits gibt es auch kaum einen anderen Ort im Nordwesten, so dass die Konkurrenz nicht so irrsinnig groß ist.
Auf dem Weg ins hübsche Alojera beglückwünschten wir uns zur Entscheidung, diesen Teil der Insel mit dem Auto zu erkunden. Der Weg ist nämlich irre lang und keineswegs immer romantisch, es sei denn dass man Haarnadelkurven liebt. Um es vorweg zu nehmen: Auf dem Rückweg fanden wir’s erheblich schöner, was auch am Wetter lag: Die Sonne hatte uns nämlich beim Hochfahren verlassen, und im Nebel wie im Wolkengrau ist nahezu jede Landschaft fad. Zurück hatten wir die Sonne im Rücken, und nicht nur wegen des Reimes brachte das Entzücken.
Alojera selbst erschien uns – trotz Bars, Kirchlein und einem attraktiven Kreisverkehr, eines Halts nicht würdig, so dass wir etwa drei Kilometer weiter fuhren Richtung Strand. Und der ist einfach „wow“! Die Straße endet, es öffnet sich eine felsenumgebene Bucht mit feinem schwarzen Sand, eine kleine Mole bricht die Wellen für die Badenden und ein paar strandnahe gischtumtobte Felsen geben sich mit eindrucksvoller Geduld den Fotografen hin. Theoretisch hat es zwei Restaurants dort, aber „Brisas del Mar“ war geschlossen und laut Schild zu mieten. Das andere nutzte die Chance und bot alles deutlich teurer an als im Valle Gran Rey und andernorts an der Küste. Aber dass das „Prisma“ als Bar und Restaurante in dem 20-Haus-kleinen Flecken überhaupt zu Diensten steht, ist schon nett, und da zahlt man ja gerne auch ein paar Euro mehr.
Völlig kostenlos gab es das Spektakel der Natur – mit und ohne Gewalten: Zum einen kommen die Felsen ziemlich schroff bis ans Ufer, um dann steil ins Wasser zu fallen. Das sieht schon recht imposant aus! Und dann kommt, von der anderen Seite, das Wasser und zerbricht an vorgelagerten Felsen wie an der Mole. Ein dort stehender Angler war nass, als ob er Untertagefischen betrieben hätte. Stundenlang hätte ich den anrollenden Wellen zusehen können, die mit Getöse über einen Fels im Wasser kamen, sich aufbäumten, zerstoben und gebrochenen Wellenherzens sacht ausrollten. Ich ging dann aber doch eher, weil das Objektiv vom Salz in der Gischt blind war und das Salz auf meinen Lippen nach einem Getränk schrie…
Zur allgemeinen Freunde von Sylke und mir kostete der Landwein auch hier nur einen Euro, so dass man sich das kohlensäurefreie Wasser sparen konnte. Zwei Männer im feinen Touri-Outlook, bevorzugten Kaffe und saßen mit uns an einer Mauer unterm Restaurante, um dem Meer zuzusehen und sich von Sylke fotografieren zu lassen.
Wie schon erwähnt, gestaltete sich der Rückweg (naja: die Rückfahrt) freundlicher. Mit Sonne und blauem Himmel kamen die Palmengruppen und die Terrassen in den Bergen viel besser zur Geltung, und wir gerieten kurzfristig derart ins Schwärmen und Palavern, dass wir dabei offensichtlich vom rechten Weg abkamen. Jedenfalls fuchtelte ein Mensch vom Bau an einem Haus gar fürchterlich mit den Armen und deutete uns an, dass der von uns befahrene Weg eher im Nirgendwo enden würde und mit so einer Art Auto wie dem unseren nicht befahrbar sei. Wir waren dankbar, aber die erste längere Rückwärtsfahrt bis zu einem akzeptablen Wendeplatz auf la Gomera wird mir als nicht wirklich prickelnd in Erinnerung bleiben. Dafür erinnere ich mich gerne an die Stelle vor der Bar, an der ein LKW und drei PKW sich zum Plausch versammelt hatten. Ihre Fahrer plauschten auch, und zwar in der Bar. Zufällig kamen sie nach wenigen Minuten Wartezeit heraus und entknäuelten das Wirrwarr, so dass wir uns die endlosen Serpentinen in die Wolken des Regenwaldes hochschrauben konnten.
Am Abend hatten wir Gewitterregen vom Feinsten und einen plötzlichen farbenfrohen Sonnenuntergang, der die Insel (bzw. „unseren“ Teil, also das Valle Gran Rey) in ein nahezu kitschig rotes Licht tünchte…
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