Sonnenuntergangsparty bei Maria um die Ecke

Gomerisches Tagebuch (12)

Sonnenuntergang bei Maria

Die Sonnenuntergänge an der Westküste von La Gomera sind legendär. Wenn man allerdings Pech hat, bekommt man sie gar nicht mit, was aber nicht wirklich was macht, denn gefeiert werden sie an einem Ort der Insel nahezu kultartig ohne Rücksicht auf die wetterbedingte Realität.

Prinzipiell tut sich ja jede Westküste mit Sonnenuntergängen relativ leicht. Die Sonne sinkt und sinkt und sinkt und mutiert zur Freude der Fotografen vom unansehbaren hellen Fleck zum roten Ball, der günstigstenfalls wie aufgeblasen und mit immer röter werdenden Wangen im Meer versinkt. Glitzer im Wasser, kitschigrosarote Reflexe auch an den Wolken, Blende acht und ein Hundertfünfundzwangzigstel, prima Bild. Zum Leidwesen der später daheim zum Bilderansehen Eingeladenen bleibt’s in der Regel nicht bei dem einen Foto – Sonnenuntergänge machen Fotografen süchtig.

Die Küstenlinie des Valle Gran Rey ist für Fotografen mit Sonnenuntergangsneigung (also für alle!) ein idealer Ort, theoretisch zumindest. In der Praxis lacht sich die Sonne jedoch an vielen Tagen eins ins Fäustchen und versinkt nicht im Meer, sondern tupft sich vorzeitig in Wolken, die eigens deswegen am Horizont aufgefahren wurden, wie es scheint. Und wer in Vueltas und La Puntilla steht, um dem Spektakel mit der Kamera zu Lichte zu rücken, wundert sich vielleicht über die nie verschwindende wohlgeformte tief liegende Wolke, die in Wirklichkeit gar keine ist: El Hiero, die Nachbarinsel, schiebt sich zwischen Sonne und Fotografen und verhindert den ultimativen Reflex auf dem Wasser.

Sunset DrumsDa haben es die Untergangsanbeter in La Playa besser: dank eines besseren Blickwinkels lassen sie El Hiero quasi links liegen. Auch die restlichen Randbedingungen sind ideal, so dass sich ein allabendliches Ritual ausbilden konnte: es gibt die Kneipe von Maria, wo man günstig Bier und Wein zum Mitnehmen über die Straße erstehen kann. Jenseits der Straße befindet sich der große Sandstrand, mit einem offensichtlich eigens für den Sonnenuntergang ins Wasser gelassenen Felsen (Fotografen haben gerne einen Vordergrund, da macht sich ein Felsen gut). Hier trifft man sich viertel vor Sonnenuntergang bis halb danach. Der süßliche Geruch der Handgedrehten vermischt sich mit dem allgegenwärtigen Salz der Brandung, Trommler aus aller Herren Länder hauen aufs Fell, dass es nur so eine Art hat – Volkskundeforscher würden die Mischung aus Hasch und Bongo wahrscheinlich als uralten Stammesbrauch deuten, mit dem sich das Volk in Ekstase bringen will. Meist erwischt es aber dann einen, der gar nicht geraucht hat: irgendein Köter springt immer wie verrückt herum. Außerdem ist es in Wirklichkeit natürlich alles viel profaner: Einer der Trommler geht mit dem Spendenbeutel herum (von der Kirche lernen heißt reich werden lernen) und verteilt Werbung. Auch wenn man gar nichts gegeben hat, bekommt man so einen Zettel. Da aus dem Tag nach dem Sonnenuntergang nahezu dämmerungsfrei die Nacht wird, ist der Zauber auch schnell vorbei, und Hunderte von Touris machen sich von dannen, die Nacht zu feiern oder einfach schlafen zu gehen. Morgen ist ja wieder ein Sonnenuntergang, da sehen wir uns – bei Maria.

Abends in La PlayaPS: Natürlich gibt es auch einen Sonnenaufgang, aber da pennen noch alle und haben keine Lust, sich wegen so eines alltäglichen Vorgangs zu treffen.

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