Den Einstieg findet man am Belvedere – das ist der Balkon Locorotondos, von dem aus man in der Ferne bereits das Ziel sieht: Auf dem nächsten Hügel steht Martina Franca. Das Land hier hat so viele Städte wie es Hügel hat, sehr praktisch, denn man sieht sie immer schon von weitem. Wir also erst mal runter, zuerst über eine schöne Treppe, dann einen Feldweg entlang. Weit kommen wir nicht, denn ein Blumenfeld in mohnblumenroter und weißnichtwasfüreinegelber Pracht will unter die Linse genommen werden. Und wenn man da erst einmal reinstapft, zeigt sich auch die Stadt Locorotondo mit den Spitzgiebeln in immer wieder neuer Schönheit. Umsichtig laufen wir voran und finden es bezaubernd.
Natürlich ist außer uns keiner da. Keiner? Natürlich: Es gibt Hunde. Von überall kläffen sie uns entgegen, die meisten sind aber angekettet (was sie daran hindert, mit uns spielen zu wollen) oder hinterm Zaun. Und das muss man den Süditalienern lassen: Ihre Zäune haben sie gut in Schuss, da kommt so schnell kein Hund raus! Fabelhaft!
Aus dem Feldweg wird eine Fahrstraße – aber kaum ein Auto kommt uns entgegen oder fährt an uns vorbei: die Hauptverbindungsstraße nebenan ist bequemer und schneller! Links und rechts gibt es immer wieder Trullis, und da wir diesen eigenartigen Bauten erstmals in nennenswerter Menge und akzeptabler Nähe begegnen, läuft die Kamera heiß.
Trullis, das muss man bis hierhin nicht unbedingt gewusst haben, sind aus fetten Feldsteinen in Trockenbauweise errichtete Häuser – ursprünglich ganz einfach, ursprünglich mit nahezu quadratischem Grundriss und eben jenem Zipfelmützendach. Zur Dachspitze gibt es auch noch etwas zu sagen, aber das spare ich für Alberobello auf, wo wir gut tausend Trulli auf einen Schlag sehen werden. Die modernen Trulli sind natürlich ganz anders: Sie gleichen oft mehr und mehr Villen, verstecken sich hinter alarmgesicherten Zäunen und protzen so vor sich hin. Man gönnt den Leuten ja den Fortschritt, und ohne Fenster oder WC muss man ja im 21. Jahrhundert nicht mehr leben – aber wenn es eine Villa sein soll, kann man vielleicht auch auf die Disneylanddächer verzichten, die in diesem Kontext unangemessen erscheinen und kitschig wirken.
Die Gegend wellt sich zwischen den beiden bestädteten Hügeln aufs Angenehmste dahin, sie ist grün von Bäumen und Wiesen mit bunten Tupfern von Blumen und Blüten. Steinmauern begrenzen die Parzellen – offensichtlich ist das hier eine steinreiche Gegend! Zwischen den Baumwipfeln lugen immer wieder Trulli hervor, wir sind entzückt ob so viel Lieblichkeit.
Irgendwann drehen wir uns nicht mehr um: Locorotondo hinter uns verliert sich in der Ferne, statt dessen taucht vorne Martina Franca auf. Wie so oft in der Gegend: Weiße Häuser und alles überragend eine mächtige Kirche aus braunem Stein. Das ist gut, dass man sie sieht, so verläuft man sich nicht: Wir also den Hügel „nach Gefühl“ hoch, die ersten Gassen von Martina Franca links (knips!)- rechts (knips!) – rechts (knips!) – links (knips!) entlang und schwupps öffnen sich die ansonsten eng an eng stehenden Häuser zum großzügigen hellen Platz, und der Dom San Martino grüßt zur Linken…
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