Vieste (2)

Apulische Augenblicke (17)

Vieste

Vieste ist nicht wirklich groß, etwa 13.500 Einwohner. Aber im Gargano ist es die größte Stadt mit dem meisten Trubel und dem umfangreichsten touristischen Angeboten. Das kann schlimm sein, aber die Italiener kriegen das meistens so hin, dass es erträglich ist und eventuell sogar Spaß macht. Wir waren im Mai dort – und es war Vorsaison mit einem Hang zur anlaufenden Hauptsaison: ein idealer Zeitpunkt. Die Gaststätten haben bereits geöffnet, die Bedienungen und Köche sind nervlich noch nicht abgewrackt, auf dem Markt überwiegt die Zahl der Einheimischen, am Strand kann schon mal was los sein – aber wie die Sardinen muss man hier noch nicht liegen.

Vieste liegt – wie viele andere Städte hier – auf einem Felssporn. Das macht die Städte besonders pittoresk, und zwar von nahezu jedem Standpunkt. Nähert man sich dem Ort auf der schmalen Küstenstraße, sieht man es immer wieder mal: Die Küste ist keineswegs begradigt, also ist es die Straße auch nicht. Mit etwas Wetterglück gibt das ein schönes abwechslungsreiches Lichterspiel zwischen blauem Himmel, der türkis-smaragd-blauen Reflexion im Wasser, den weißen Wolken und den weißen Schaumkrönchen auf den Wellen einerseits und dem satten Grün des Waldes und dem gelben Sand des Strandes andererseits. Ach ja, das Paradies hat viele Namen…

Arco San FeliceWenn man – wie wir – sich Vieste an der Ostküste des Gargano nähert, also über Manfredonia und Mattinata kommt, mäandert die Straße gewaltig durch die Berge, bevor man bei Testa del Gargano wieder an die Küste kommt. Auch wenn’s kurz vorm Ziel ist: Hier muss zwischengestoppt werden! Denn es erwartet den müden Reisenden (natürlich auch die hellwache Reisende!) der Arco San Felice – das berühmte Postkartenmotiv mit dem Felsentor. Zugegeben: Wir sind, weil beide müde und recht spät dran, erst mal dran vorbeigefahren und haben es mit idealem Licht auch erst bei der Abreise im Morgenlicht richtig schön vor die Linse bekommen. Aber dort am Tor herumzustapfen ist auch ohne Fotolicht schön – und am aufregendsten ist es, wenn man eine Grottentour unternimmt und mit einem Touri-Schiff sich dem Bogen von der Wasserseite nähert. Jede Wette: Das machen wir später noch!

Spring!Den Felssporn mit der Altstadt von Vieste kann man sich täglich vornehmen und abends noch einmal: es gibt immer was zu entdecken! Die Gassen sind, wie es sich für süditalienische Städte gehört, eng und schattig. Die Ausblicke aufs Meer sind immer wieder überraschend und nicht selten atemberaubend schön. Die Gaststätten im Quartier sind auf Touristen ausgelegt – aber meistens gut bis sehr gut. Wir sind, eher zufällig, bei unserem ersten Stadtspaziergang auf der Terrasse von Ristorante e Pizzeria Saporo di Mare direkt über dem Meer hängen geblieben – und dort so herzlich bedient worden, dass wir dann noch zweimal da waren im Laufe der Woche. Da galten wir dann schon als Stammgäste, und das hat doch was!

Die Kultur in diesem Teil der Stadt könnte sein: Das Castello der Staufer (Friedrich II. – von wem denn auch sonst?) – aber das ist fest in Händen des Militärs und darf nur von außen angeguckt werden. Oder die Konventskirche San Francesco direkt an der Spitze des Felssporns – aber die wurde gerade renoviert und hatte geschlossen. Oder die Kathedrale Santa Maria Oreta, die man von weitem immer sieht, weil ihr Turm alles überragt. Was soll ich sagen: Zu war sie, aber wenn ich den schnattternden Führer einer Bildungsgruppe richtig verstanden habe, war das nicht weiter schlimm, denn so arg viel ist vom ursprünglich romanischen Innern aus dem 11. Jahrhundert nicht mehr erhalten.

Halten wir es also mit der Alltagskultur und erfreuen uns an spektakulär Unspektakulärem, an den liebevollen Details an den Häusern, den kleinen Gärten mit Zitronenbäumen und der Wäsche auf den Leinen vor den Fenstern. Erfreuen wir uns an den herumstehenden und miteinander redenden Alten, und ja – natürlich – an den Stühlen auf der Straße vor den kleinen Cafés und Bars.

Das Meer, das uns so romantisch erscheint, ist in Wirklichkeit ein gemeiner Typ, der dem Sporn immer wieder etwas vom Kalkfels klaut – was für die dort Wohnenden nicht wirklich lustig ist. Aber irgendwie scheinen die Menschen sich dort mit den Naturgewalten zu arrangieren. Gibt’s halt einen Balkon mehr, wenn das Erdgeschoss weggespült wird…

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*