Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht. Es dauert etwas, bis die Fotos wieder hier erschienen – sorry.
Gleich hinterm Altstädter Ring – dem Platz zwischen Rathaus und Teynkirche – beginnt ein Viertel mit ganz eigener Ausstrahlung. Josefov (deutsch Josefstadt) heißt das Jüdische Viertel in Prag. Hier gibt es koschere Restaurants, das alte jüdische Rathaus, den alten jüdischen Friedhof und immerhin auf doch recht engem Raum sechs Synagogen. Sie lohnen einen Besuch – aber als wir Freitag Spätnachmittag da waren, schlossen bereits alle Einrichtungen, und am Sabbat ist eh geschlossen. Ein Grund zum Wiederkommen!
Erinnerungen an Franz Kafka findet man im Viertel – wenn man nicht an den richtigen Gedenkorten vorbei geht und an den falschen einkehrt: Das Café Kafka alliteriert zwar wunderschön, aber Kafka konnte seine Zeitungen dort gewiss nicht lesen, weil es damals schlichtweg nicht existierte. Und seien wir mal ehrlich: billige Alliterationen wären dem Herrn K. eh fremd gewesen. Der Hauptzielgruppe, fußmüde Touristen mit oberflächlichem Bildungshunger und tiefgründigem Kaffeedurst, wird’s egal sein, und so üppig ist das Angebot an Cafés in der Josefstadt erstaunlicher Weise nicht.
Lange Zeit haben die Prager den Franz Kafka gar nicht wahrgenommen. Im Dezember 2003 wurde ihm ein Denkmal gewidmet – vor der Spanischen Synagoge steht das eigenwillige Gebilde mit dem kleinen behüteten Mann auf dem (rund vier Meter großen) kopf-, hand- und fußlosen Getüm. Aber irgendwie passt das zu meiner Kafka-Vorstellung. Da passte es dann auch ganz gut, dass ich beim üblichen Doku-Foto die konfuse Situation hatte, die man auf dem Bild sieht: Ein Mann wollte seine Freundin vor dem Denkmal fotografieren, aber der mit anderen Menschen zufällig vorbei gekommene Hund wollte nicht weg. Also wartete er mit seinem Bild und ich mit meinem – bis ich dachte: Mit Hund und Mädchen kann das Bild nur gewinnen!
Auf dem Weg von der Spanischen zu Altneusynagoge kamen wir an einem Haus vorbei, das uns mit einem Stück Kunst aus Dresden konfrontierte: Ein Minimarket (Öffnungszeiten anders als die Museen, nämlich 10 bis 23 Uhr) warb mit den beiden Engeln der Sixtinischen Madonna. Irgendwann werde ich mal ein Album zusammenstellen müssen – wo die einem so überall begegnen…
Am nördlichen Ende des Jüdischen Viertels fließt die Moldau – und man gelangt an die Cechuv-Brücke. Mit 105 Metern ist sie die kürzeste der Stadt. Eine der nettesten ist sie dennoch: Vor hundert Jahren (1905-1908) im Jugendstil gebaut, mit Sonnen auf den Lampen und sich weit übers Wasser beugenden Figuren. Sieht aus wie in Paris – oder sieht es in Paris aus wie in Prag? Von der Brücke kann man stromauf blicken und während der blauen Stunde die Burg im Zwielicht bewundern. Genau das haben wir gemacht. Und an die Brückenfans haben wir auch gedacht: Bogenbrücke aus Stahl mit den drei Feldweiten 47,8 m – 53,1 m und 59,2 m.
Links der Moldau steht oben auf dem Berg das Metronome an einem Platz, der lange anderweitig besetzt war: von 1955 bis 1962 stand hier das größte Stalindenkmal der Welt. Das zu sprengen war eine gehörge Portion Arbeit – das ihnen unliebsame System insgesamt zu sprengen kostete die Tschechen noch einige bitterböse Erfahrungen. Das Metronom wurde 1991 auf dem verbliebenen Sockel errichtet; zur Zeit tickt es sehr europäisch. Dass es dabei manchmal arg nach rechts ausschlägt (so wie auf dem Foto), ist bei einem Metronom übrigens normal: gleich danach geht’s wieder weit nach links. Ob das in der Politik aus so ist, kann bezweifelt werden.
An der linken Seite der Moldau geht’s flussauf vorbei am Gebäude der Staatsregierung und über die Manesuv Most zum Rudolfinum, dem Sitz der Tschechischen Philharmonie. Der Sandstein-Bau erinnert ja ein wenig an die Semperoper – aber nur von außen. Davor hockte eine Lichtplastik: Eine von sechs Lichtinstallationen, die während der tschechischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2009 in der Stadt zu sehen sind. Transpirancy heißt das Open-Air Licht-Spiel, das schöne unvermutete Kontraste schafft. Die Plastik „WE“ ist fünf Meter groß, wiegt schlappe 2.700 kg und ist mit Laserstrahlen aus Stahl geschnitten. Der Künstler Jaume Plensa sieht das interkulturelle Buchstabengewimmel als Zeichen für Hoffnung und Freiheit und möchte ein gutes Miteinander der Völker der Welt damit erreichen. Gerne doch!
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