Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht. Es dauert etwas, bis die Fotos wieder hier erschienen – sorry.
Irgendwie leiden die Touristen, wenn es draußen allzu grau und kalt ist. Dick eingemummt schafft es der Blick ja gar nicht, so zu schweifen wie sich das gehört. Einerseits. Andererseits steckt das Kloster Strahov so voller Ecken und Winkel, dass man einfach ein wenig rumstromern muss und garantiert immer wieder etwas entdeckt. Die einzige wirkliche Enttäuschung ist ein optisches Highlight bei besserem Wetter: Der Blick auf Prag, eingerahmt von der Burg (links) und dem Petrin-Hügel (rechts). Uns bot sich eine diesige Sicht auf die Dinge, so dass der Photographen Herzen alles andere als freudig erregt bumperten. Aber wir wollen ja wieder kommen!
Also nicht in die Ferne schweifen, sondern immer mal ganz nah gucken – ist sowieso nicht die schlechteste Idee. Im Prinzip bietet der Wallfahrtsort Loreta dazu viele Möglichkeiten – irgendjemand schrieb mal, das sei ein „barocker Amoklauf“, ein schönes Bild. Als wir kamen, waren die Tore leider geschlossen: In Prag macht das Personal der Kirchen Mittag und schließt die Kirche zu. Wir sind also nur draußen rumgeschlichen, haben es für wiederkommenswert befunden und sind weiter marschiert zur Burg.
Sich der Burg vom Kloster her zu nähern ist eine gute Idee. Es genau zur vollen Stunde zu tun nur dann, wenn man Wachablösungen mag. Es kurz danach einzurichten, ist auf jeden Fall doof: Alle Touris stolpern dann mit dir in die Burg und stehen immer nur im Weg. Zu kommen ohne Ahnung zu haben entfällt – wir haben uns ja schlau gelesen 😉 Auf dem Weg gibt es normale und Nepp-Restaurants, schöne Herbergen und prächtige Paläste. Mit anderen Worten: Eine wunderbare Schlendermeile, die wir nur wegen des unangenehmen Windes recht zügig absolvierten. Wie bei dem Sauwetter jemand seine Handschuhe verlieren konnte, bleibt mir ein Rätsel – aber Dank dem Finder, der sie so nett auf einem Hausvorsprung drapierte!
Nun also in die Burg! Sie ist über tausend Jahre alt und so groß, dass sie es ins Buch der Rekorde geschafft hat: größer ist keine auf unserer kleinen Welt. Nun ist Größe, wie wir alle wissen, nicht immer der wahre Maßstab aller Dinge – aber die Prager Burg hat es auch ohne die großen Ausmaße (über 570 m lang, ca 128 breit) in sich. Da, wo wir die Wachablösung gerne verpassen, residiert der Staatspräsident. Ob er wirklich da ist, signalisiert eine Flagge mit der Hussitenparole „Die Wahrheit siegt“ – ein Spruch, über den man lange trefflich sinnieren kann. Meistens ist es ja die Wahrheit der gerade Herrschenden, und es gibt durchaus Zeiten, in denen die Wahrheit siecht.
Irgendwie beginnt die Burg gar nicht mächtig – bis man plötzlich beim Durchschreiten des zweiten Durchgangs ein beeindruckendes Tor vor sich sieht (das ist übrigens die Stelle für Fotografen, wo man heilfroh ist, keine posierenden Mädels vor sich zu haben. Die sind nämlich nie zufrieden mit den Bildern von sich selbst. Noch schlimmer sind eitle Jungs, die sich von ihren Freundinnen ablichten lassen. Ich hatte einen Knaben im Bild stehen, der die Seine fünf Mal zurückschickte, das Bild neu zu machen. So wie er stand, war das Tor übrigens gar nicht drauf, aber natürlich musste es genau da gemacht werden, das Starportrait!).
Das Portal, ob mit oder ohne Touris davor, gehört zum St.-Veits-Dom. Der Bau wurde auf Anweisung Karls IV. 1344 begonnen – von einem französischen Baumeister. Nach dessen Tod setzte Peter Parler die Arbeit fort, später dessen Söhne. So ein Bauwerk entsteht eben nicht über Nacht.
Durch das Portal betreten wir den Dom – und drinnen ist es genau so arschkalt wie draußen. Aller religiöser Respekt friert da ein: Ich lasse die Mütze auf. Denkste! Ein Jüngling (scheint der Tag der Knaben zu sein!) kommt auf mich zu und bittet mich freundlich, die Mütze abzunehmen. Natürlich mache ich das, frage mich allerdings, warum dieser Herrgott die Männer frieren lässt und die Frauen nicht: die durften nämlich alle oben mit rumlaufen.
Man geht im Uhrzeigersinn durch die 124 Meter lange Kathedrale – es steht nirgendwo, es sagt einem keiner, aber irgendwie ist da so ein Sog. Das Schöne im Januar ist, dass es relativ leer ist: man kann in Ruhe die traumhaft bunten Fenster bewundern oder die Königsgräber suchen. Eng wurde es nur einmal – weil das silberne Hochgrab des Heiligen Johannes von Nepomuk einerseits sich in den Weg schiebt und andererseits auch so bemerkenswert ist, dass man da einfach mal stehen bleiben und ein Foto machen muss. Und wenn dann noch so ein smarter Jüngling…
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