Zur Schlucht Gola su Gorroppu

Geschichten aus Sardinien (11)

Gola su Gorroppu

Die Genna Silana ist ein windiger Pass, 1017 Meter hoch mit schönem Rundumblick auf die Gipfel des Supramonte. Vor allem aber gibt es hier einen Parkplatz an einem der verlassenen roten Häuser entlang der SS 125: Startpunkt der Wanderung zum Riu Flumineddu, der sich einen Weg durch das Massiv des Monte Oddeu gebahnt und dabei „die großartigste Schlucht Sardiniens“ (Eberhard Fohrer im Wanderführer Sardinien) geschaffen hat.

Um das zu erleben, muss man vom Pass 600 Meter runter (und später ebensoviel auch wieder hoch) laufen. Als unvernunftbegabte Wesen suchten wir uns für diese Wanderung einen schönen heißen Tag gleich am Anfang des Urlaubs aus – ein wenig Training kann ja nicht schaden.

Cowgirl SylkeUnsere Tour hatten wir im sehr schönen Wanderführer von Sandra Lietze (MM-Wandern Sardinien) gefunden. Alle 35 Touren des Buches gibt es auch für das eigene GPS-Gerät, da macht die Wanderung dem Tech-Man gleich doppelt Spaß. Manchmal ist die vorgegebene GPS-Route wirklich hilfreich – hier, wo es nur einen Weg runter gibt, spielt das weniger eine Rolle. Also bleibt Zeit für die Beobachtung von Naturphänomen links und rechts des Weges. Wilde Alpenveilchen in der Wasserrinne begeisterten nicht nur die Blumenfotografin, und Kühe oder Wildschweine (naja: zahme Wildscheine, vielleicht sogar, nein: wahrscheinlich Hausschweine) sind eine Herausforderung der besonderen Art. Wie so oft bibbert das Herz – fragt sich nur, ob das der Tiere oder unsere heftiger schlugen.

ErdbeerbaumWir kamen an merkwürdigen Bäumen vorbei und debattierten im Abstieg die bemerkenswerten baumerotischen Formen und mögliche Folgen für nicht aufgeklärte Kinder – ein sehr schönes Thema, wenn sonst nichts ansteht. Auch die Fragen, warum sich Äste umeinander ineinander verschlingen und warum es so etwas wie einen Erdbeerbaum gibt, kürzten die gefühlte Wegezeit erheblich ab – und dank GPS wussten wir auch immer, dass wir auf dem Strich gingen, also nicht ob unserer philosophschen Naturbetrachtungen vom Wege abgekommen waren.

So ein Wanderführer (nun wieder: das Buch!) ist sowieso was Feines, denn er sagt einem, was man sieht: Ein Geröllfeld. Marmorierte Felsen. Eine verlassene Schutzhütte. Und haste nicht gesehen sind wir unten am Fluss, der eher bächleinmäßig vor sich hin plätschert. Deutlich lauter sind die Wandergruppen, die hier zusammen treffen (es gibt mehrere Wege zur Schlucht, unser war nahezu menschenleer und schon deswegen sehr schön). Ein buntes lautes Palaver!

Gola su GorroppuAber es gibt auch stille Ecken. Oh, pardon, da sitzen schon zwei, leicht entkleidet. Aber nebenan ist Platz! Das Wasser steht hier im weißen Fels, es sieht algengrün aus. Sylke wollte nach der Brotzeit in die Schlucht hinein, ich fand die Idee auch reizvoll: Bizarre Felsen, immer mal wieder ein wenig Wasser, steil aufsteigende Felsen links wie rechts sind schon gute Argumente. Doch nach gut 50 Metern wilden Rumgekraxels ließ der Reiz deutlich nach, und nach weiteren zwölffuffzich erblasste er vollends: zu viele Fehlversuche, zu wenig Orientierung. Also kehrten wir um, und das war gut so.

Gola su GorroppuDenn wir mussten ja zurück. 600 Meter hoch! Und es war immer noch warm, da kennt die sardische Sonne nichts. Und wir waren ja so verdammt untrainiert, dass jede Pause als „Fotostopp“ getarnt wurde. Der eine oder andere hat sich allerdings wirklich gelohnt, zumal einige Felsen plötzlich in ganz anderem Licht standen. Sogar beim Geröllfeld tat sich was: Eine Gemse heischte sich an, vorbei zu huschen. Als sie uns sah, blieb sie stehen und sagte: „Mensch, was hast du mich erschrocken! Du riechst ja wie ein Schaf!“ Ich entschuldigte mich und gelobte nach der schweißtreibenden Tour ein Duschbad. Aber da hatte dann die Gemse nichts mehr von.

GPS-Aufzeichnung dieser Tour

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