Auf der Karte gibt es den Ort doppelt. Tratalias und, menschlich gesprochen mit Blick auf die Karte: links daneben, Tratalias Vecchia. Früher, als das alte Tratalias noch das einzige war, spielte der Ort durchaus eine Rolle im Sulcis, der fruchtbaren Ebene im Südwesten Sardiniens. Alle waren sie da: die Nuraghen, die Phönizier, Karthager, Römer, Mauren und die Sarazenen. Die Blütezeit des heute „alten“ Tratalias liegt im Spätmittelalter. Der Ort mit der Cattedrale di Santa Maria di Monserrato, die zwischen 1213 und 1282 gebaut wurde, war bis zum Jahr 1503 Bischofssitz.
Danach gab es das übliche Auf und Ab – so ist das im Laufe der Zeiten, wenn der Bischofssitz nicht wirklich bedeutend ist (über mehr als 1.520 Einwohner (im Jahr 1951) ist Tratalias nie herausgewachsen). Ganz übel erging es dem Ort aber, als man 1954 in den Bergen östlich von Tratalias einen Staudamm errichtete. Der Lago di Monte Pranu sollte Wasserspeicher für die Landwirtschaft und Wasserlieferant für die Industrie im nahe gelegenen Porto Vesme sein. Aber er war ungewollt auch der Killer von Tratalias – der Stausee brachte den Grundwasserspiegel der Gegend durcheinander, Tratalias wurde regelmäßig überschwemmt, Feuchtigkeit und Schimmel taten der Gesundheit der rund tausend Einwohner nicht gut: Das Dorf zog um.
Seitdem ist das alte Tratalias ein lost place, ein verlassener Ort. 1991 riss man bis auf 45 mittelalterliche Gebäude und die ehemalige Kathedrale alles ab. „Die Gebäude im Dorf werden für den Tourismus umgeschult“, lese ich schmunzelnd in der automatischen Übersetzung des italienischen Wikipedia-Beitrags. Das soll natürlich heißen: Die alten Gebäude – die übrigens leicht erhöht stehen und somit nicht permanent den Überschwemmungswässern ausgeliefert sind – werden aufs fabelhafteste restauriert und als Museumsdorf den Touristen präsentiert.
Wir waren zweimal da: Das eine Mal spontan auf dem Rückweg zum Urlaubsquartier abends in der Locanda Monserrat di Serra Maurizio, dann noch einmal gezielt, aber an einem verregneten Vormittag. Beide Mal war der Ort wirklich verlassen, denn gesehen haben wir (außer im Restaurant) niemand. Man ist schnell durch, wenn alles geschlossen ist. Aber nett anzusehen ist es schon, mit den Häusern in Gelb- und Rottönen und der Kathedrale. Und die Umgebung mit dem Lago die Monte Pranu oder Porto Botto ist ja nicht weit!
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