Wonach schmeckt eigentlich eine Stachelbeere? Na klar: nach Stachelbeere. Und ein Pfirsich? Nach Pfirsich – so wie die grüne Paprika irgendwie nach grüner Paprika schmeckt. Alles gut so, aber wahrscheinlich auch der Grund, dass um Stachelbeere, Pfirsich und Paprika weit weniger Buhei gemacht wird als um Wein. Denn der schmeckt, wenn man den professionellen Weinbeschreibern zuhört, zumeist nach allem möglichen, beispielsweise eben nach Stachelbeere oder Pfirsich oder Paprika, grüner – nur nicht nach Wein. Und dann nimmst Du einen Schluck von dem eben beschriebenen Wein und sagst: stimmt, genau!
Derlei lernen wir ja immer wieder gerne, egal wann und wo. Seit März 2014 schickt uns Jens Pietzonka, unser Dresdner Lieblingssommelier und Restaurantleiter im bean & beluga, nahezu im Monatstakt auf eine Reise zu seinen Lieblingswinzern – und Stefan Hermann schickt aus seiner Sterneküche vier passende Gänge hinunter in die Weinbar (wobei er symphatischerweise den einen oder anderen Gang selbst mit serviert). Winzer im Fokus nennt sich die Reihe, bei der man für 62 Euro pro Person und Abend im Selbstversuch genießen und lernen kann.
Dieses Mal stieg die Lern- ebenso steil wie die Unterhaltungskurve: Georg Prinz zur Lippe war Gast in der Weinbar des bean & beluga – und wer den Prinzen (wie er der Einfachheit halber meist nur genannt wird) kennt, der ahnt: Es gab wunderbaren Wein und hörenswerte Geschichten sowie Wein aus zwei Anbaugebieten: Sachsen und Saale-Unstrut. Jörg Philipp, Sommelier und auf Proschwitz zuständig für die Gastronomie, rief die altbekannte Weisheit in Erinnerung: Es sei sowieso empfehlenswert, immer zwei Weine zum Essen zu probieren! Womit er meinte: zu jedem Gang zwei passende.
Und genau das taten wir. Es gab:
2009 Riesling Sekt Brut Schloss Proschwitz zur Begrüßung. Nur einen? Ja – aber was für einen! Wir verglichen das erste mit dem zweiten Glas, fanden beide gleich gut und waren zufrieden.
Zur Vorspeise füllte sich das linke Glas mit 2013 Scheurebe trocken Schloss Proschwitz und das rechte mit 2013 Sauvignon Blanc trocken Weinhaus zu Weimar. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich das mal so schreiben würde, aber: Rechts war eindeutig besser! (Unserem Gegenüber war natürlich mein rechtes sein linkes Glas, also alles wieder fein ausgeglichen!) Weimar ist ja für den Prinzen eher eine unendliche Geschichte, und bis heute verstehe ich nicht, was die Weimarer gegen seine Pläne dort haben. Ob die Kritikaster jemals in Proschwitz oder Zadel waren, um ihre Vorurteile abzubauen? Wahrscheinlich nicht. Der Streit, die Anfeindungen und all das zehren zwar an den Nerven der Beteiligten – aber was Björn Probst vor Ort und die Mannschaft um Prinz Lippe in Meißen beim Ausbau der Weine zustande bringen, lässt aufschmecken. Der Sauvignon Blanc ist so ein Beispiel. Knackig einerseits, aber dann doch auch ein feiner Schmelz am Gaumen. Und hier haben wir sie, die grüne Paprika! „Einzigartig!“ strahlte der Prinz – der zwar durchaus als ein wenig befangen gegenüber eigenen Weinen gelten mag, aber dann trotz alledem auch Recht hat. Dieser Sauvignon Blanc ist einer unserer Lieblingsweine, seit wir ihn vor etwas mehr als einem Jahr erstmal probiert hatten! Die Scheurebe aus Proschwitz gab dann doch eher das scheue Reh, so sorry – obwohl: zu Meeresfrüchte / Königskrabbe / Bohnen ging’s eigentlich doch. Vor allem, wenn da nicht dieser verdammt animierende Sauvignon Blanc gewesen wäre…
Zwischendurch war Zeit für ein Gespräch mit Prinz Lippe. Der Mann kann ja so reden, dass man ihm stundenlang zuhören möchte – Thema fast egal. Agraringenieur ist er, oder wie er selbst sagt: Bauer. Nun also Weinbauer. Und Wirtschaftsingenieur ist er auch – die Zeit als Unternehmensberater bei Roland Berger hat ihm sicher geholfen beim (Wieder-)Aufbau des größten sächsischen Weinguts in privater Hand. Sein Credo, wenn es um Wein geht: „Wir können nur überleben, wenn wir eine Top-Qualität haben!“ Er glaubt an das Terroir, das er mit „Boden – Klima – Mensch“ definiert und so um die einzig wirklich beeinflussbare und auch nicht unbedingt ortsgebundene Komponente Mensch erweitert, wo andere sich nur ums Klima, die Geologie, das Gelände und die Bodenbeschaffenheit kümmern. Folgerichtig spielen in den Erzählungen des Prinzen Menschen auch immer eine große Rolle – und wenn der Eindruck, den man an so einem Abend bekommen kann, nicht ganz täuscht, dann ist das auch mehr als nur Gerede, sondern immer wieder auch ganz konkretes Handeln. Wir waren jedenfalls auch fernab der Weingeschmäcker mehr als einmal beeindruckt.
… bis dass uns der nächste Flight zweier Weine zum Essen in die Restaurantrealität zurück holte. Zwei Grauburgunder, der eine aus Meißen (2011 Grauburgunder Spätlese trocken Kloster Heilig Kreuz), der andere aus Weimar (2013 Grauburgunder trocken Weinhaus zu Weimar) standen vor einem Teller mit äußerst geschmacksintensiven Steinpilzen / Polenta / Eigelb und fragten uns: welcher von uns passt besser? Ungleicher Wettkampf, weil der Vergleich 11er Spätlese VDP-Erste Lage gegen einen jungen, frischen 2013er Gutswein nicht ganz fair erscheint. Aber dann merkten wir eben doch: Beide haben was, jeder entfaltet seinen eigenen Geschmack für sich – und da Geschmack sich am Gaumen des Genießers bildet, sagen die einen so und die anderen so. Wir sagten konsequent soso und genossen beide.
Den Hauptgang müssen wir unbedingt nicht beim Wein beginnen, sondern beim Essen. Reh! Und gesalzene Haselnuss sowie Spitzkohl. Da war die Vorfreude groß, denn Reh ist zweifelsohne eine Spezialität von Stefan Hermann. Hohe Erwartungen also – und sie wurden erfüllt! Der kleine Klacks Haselnuss verdient besondere Erwähnung, weil in diesem Kubikzentimeter der Geschmack von mindestens einem ganzen Haselnuss-Strauch verdichtet war. Genial! In den beiden Gläsern waren Spätburgunder, und zwar ein 2011 Spätburgunder trocken Schloss Proschwitz und ein 2011 Spätburgunder trocken Weinhaus zu Weimar. Die boten ausreichend Anlässe für Gesprächsstoff, und neben den üblichen Begriffen vernahmen wir auch Klassifizierungen wie maskulin und feminin, wovon wir uns aber aus genderpolitischen Überlegungen vorsorglich distanzierten. Wir hielten es eher mit Punkt drei der prinzlichen Devise „testen, probieren, Spaß haben“…
Zum Dessert (Schokolade / Pfirsich / Joghurt) gab’s den vergessenen Wein. Ursprünglich entstand der Likörwein Portos nämlich, weil man (angeblich, wer weiß das schon wirklich in einem marketingfreundlichen Unternehmen!) im Keller ein Eichenfass nicht fand, in dem Dornfelder reifte. Später, viel später, tauchte das Fass dann auf – und der Inhalt schmeckte wunderbar kirschig. Nach acht Jahren traumhaft reif, aber noch nicht wirklich fertig. Aber mit Siegbert Hennig gibt es ja einen erfahrenen Brennmeister im Unternehmen, der eins seiner Destillate beisteuerte – et voilà: Portos war geboren. Sozusagen (k)ein Portwein, aber auf jeden Fall ein Mehrvondemhabenwollenwein, vor allem, wenn es dazu etwas mit fluffiger Schokolade gibt…
Weingut Schloss Proschwitz
Prinz zur Lippe
Dorfanger 19
01665 Zadel über Meißen
Telefon 03521 / 76 76 0
www.schloss-proschwitz.de
bean&beluga
Bautzner Landstr. 32
01324 Dresden
Tel. 0351 / 44008800
www.bean-and-beluga.de
Weinbar geöffnet:
Di bis Fr 13 bis 23 Uhr, Sa 10 bis 23 Uhr
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