„It’s not a job, it’s a life style!“ Was da graffitihaft an die Tür im Eingangsbereich von Ron Gastrobar geschrieben steht, ist Kunst (von Selwyn Senatori – man findet sie nicht nur am Eingang, sondern geballt auch im Keller auf dem Weg zum Händewaschen). Und es ist natürlich Motto des Hauses, das sich Anfang April 2013 aus dem (angeblichen) Sternehimmel in die (wieder angeblichen) Niederungen des einfachen unkomplizierten guten Geschmacks begeben hat. „Meine beiden Michelin-Sterne gebe ich zurück. Ich will sie nicht mehr. Ich will meine Freiheit wieder. Ich will wieder kochen, ohne auf all die Details der Etikette, die Michelin vorschreibt, achten zu müssen“, erklärte er in einer niederländischen Zeitung (zitiert nach den Sternefressern).
Das neue Lokal ist im alten Lokal, aber statt bequemer Lümmelsessel und Leinen auf den Tischen gibt es Bistro-Feeling: weniger Chichi bei den Äußerlichkeiten, aber kaum weniger Aufwand in der Küche und in der Herzlichkeit der Bedienungen. Der Kunden Dank: sie kommen, es ist (nicht nur an diesem Montag mittags) voll. Uns geht ja immer das Herz vor Freude über, wenn die Jungs und Mädels vom Service mit sichtbarer Freude und viel Schwung sowie viel Wissen ihren Job erledigen. Wir wurden hauptsächlich von einer Kellnerin beraten und bedient, aber die Gänge brachten auch Kollegen von ihr – und einer, der uns beim Herausbegleiten (ja, das gibt’s auch noch!) fragte, wo wir denn herkämen, wechselte dann gleich mal zu deutsch als Kommunikationssprache. Großes Vergnügen, das alles!
Eine vierseitige Mini-Zeitung im A4-Format ist Infoblatt, Speisekarte und Liste offener Weine zugleich. Hauptsprache ist niederländisch, bei Speisen und Getränken steht’s auch englisch dort. Es gibt, das lasen wir erfreut beim unkomplizierten Küchengruß (Brot aus der Küche, Aufstrich und vor allem ungeheuer schmackhafte in Curry eingelegte Zwiebeln) eine Aufforderung zum Fotografieren! Und wenn man es dann auf Facebook, Pinterest oder Instagram teile, solle man doch die vorgeschlagenen hashtags verwenden! Kostenlosen Internetzugang gibt es natürlich auch – in Amsterdam ist das in Cafés und Restaurants allerdings eher die Regel als die Ausnahme.
Jetzt aber zum Essen! Das Konzept des Hauses ist nicht uninteressant: Aus 20 Gerichten kann man sich sein Menü selbst zusammenstellen. Jeder Gang kostet 15 Euro, bei wenigen teuren Grundprodukten 20 Euro. Zwei bis drei Gänge empfahl uns die Bedienung – sie sollte Recht behalten, denn am Ende des Menüs (das wir natürlich je um eins der fünf Desserts zu je neun Euro ergänzten) waren wir satt ohne zu platzen – aber das wohlige Gefühl hielt lange vor! Die Weine kosten übrigens zwischen 4,50 € und 6,50 € pro Glas, die große Flasche Pellegrino 6 € und ein Espresso 2,75 €.
Sich aus den zwanzig Gerichten nur zwei oder drei auszusuchen, ist gar nicht so leicht: Alles klingt gut, aber wer soll das schaffen? Da hilft auch ein Motto des Hauses nicht: Es gibt keine Regeln, alles geht – Du bist der König. Man müsste wahrscheinlich einfach nur öfter hin, um alles zu probieren! Wir entschieden uns für einen McFoi, eine Gänselebercrème mit Brombeeren und frischer Haselnuss, eine im Glas servierte Zaubermischung aus Schmelz und Knack, die schon mal zu kleinen Jubeljuchzern verführte. Gegenüber gab’s Tatar mit Senfschaum und Perlzwiebeln und nicht minder großes Verzücken, wie man aus eigentlich hausfraulich-Banalem so etwas handwerklich Grandioses zaubern kann – wobei das Team in der Küche von Ron schon mehr Möglichkeiten (und auch Erfahrung!) hat als unsereins zu Hause.
Geschmorter Hummer mit Blumenkohl, Beurre blanc und Mandeln ist eins der Gerichte für 20 Euro. Unmengen von Hummer kann man dennoch nicht erwarten, taten wir auch nicht. Und die namensgebenden Stücke waren prima. Der Gemüseanteil ist groß, man kann dieses Gericht auch vegetarisch bestellen (wie auch vier weitere Gerichte) – und wir waren uns sicher: das schmeckt auch ohne Hummer! In der Pfanne gebratene Seezunge, Fregola, eingelegte Sojabohnen und Sauce Hollandaise war aus vielen Gründen mein Lieblingsgang. Die Seezunge, wie nicht anders erwartet, frisch und perfekt gebraten. Eine kleine Offenbarung waren die Fregola, sardische Nudeln, die eine fabelhafte Alternative zu Risotto oder Graupen sind. In Verbindung mit den Sojabohnen und der Hollandaise explodierten die Geschmacksknospen. Und ich ließ sie gern gewähren…
Wagyuburger mit Patatas Bravas und Estragon Sauerampfer-Creme als Fleischgang hatte ja dieses wahnsinnig gehypte japanische Rind dabei. Aber macht man Burger aus so einem feinen Tier? Kann man machen, muss man aber nicht. Natürlich war der Burger saftig, aber man möge mir verzeihen: der grüne Sauerampfer-Klecks und die Tomate, die sich mit Knusperhaube auf den Teller eingeschlichen hatte, gefielen mir besser!
Dessert? Aber sicher doch: Schokoladenkuchen mit Eierlikör und Eis von Rosinen einerseits und andererseits Baileys „2014“ – uns empfohlen als so eine Art Crème brûlée mit Whiskey-Sahne-Zucker-Vanille-Crème unter einer Espressoschicht. Kein bisschen knusprig, aber saustark. Und das Schokotörtchen? Ein lauwarmer Zeitgenosse, der nach dem Anstich extrem entgegenkommend war. Oh oh, davon noch einen – das wäre fein. Aber unvernünftig. Und das sind wir doch nicht!
RON gastrobar
Sophialaan 55 hs
1075 BP Amsterdam
Tel. +31 (0)20 49 61 943
www.rongastrobar.nl
Geöffnet:
Mo–Fr 12 bis 14:30 Uhr und ab 17:30 Uhr
Samstags ab 17 Uhr, sonntags durchgehend ab 12 Uhr
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