Dass es kein falsches Wetter gibt, sondern nur falsche Bekleidung – das ist so eine Binsenweisheit in Gegenden, die von der Sonne nicht verwöhnt sind. Amsterdam, the city that always rains, könnte man sprachlich nicht ganz korrekt dichten und sich, die fabelhafte App Buienalarm im Gepäck, minutengenau auf Regen einstellen. Da weiß man, was man hat (und ja, manchmal waren wir exakt eine Minute vor dem angedrohten Wetter am geplanten trockenen Ort. Manchmal, nicht immer…)!
In Amsterdam kann man auf viele Arten die Stadt erkunden. Die Einheimischen nutzen gerne das Rad – nicht diese verrückten Rennräder, auf denen Besessene in sportive Halbkörperkondome gekleidet die Umwelt unsicher machen, nein: gemütliche fietsen, die helmloses Schlenderradeln erlauben, sind die Regel. Die Stadt macht es den Radlerinnen und Radlern auch leicht: Es gibt abgesenkte Bordsteine (auch gut für Rollstühle!), es gibt Fahrradwege – oft zweispurig an jeder Straßenseite, es gibt selbstverständlich Fahrradparkplätze. Räder mieten kann man auch vielerorts – das taten wir. Drei Parks galt es zu erkunden: Den Sloterpark umradelten wir (Regenlevel: andauernd leicht), den Rembrandtpark (den es so lange noch gar nicht gibt: 1973 errichtet, 2006/07 noch mal rundum erneuert) durchquerten wir und fanden besonders das Hündchen auf dem Viadukt des Postjeswegs über den Park ganz niedlich. Es gibt Teiche, einen Streichelzoo, Spielplätze und noch mehr Skulpturen. Im Prinzip schön, aber: Regenlevel leicht bis mittel.
Im Vondelpark, den wir als letzten der drei Parks einmal in seiner Längsrichtung durchradelten (Regenlevel: kaum bis leicht), gab es zwar wieder keinen Sex, weil der ja laut Verordnung nur nächtens erlaubt ist – aber es fand eine sehr sexy Gegenveranstaltung statt: Laut handgemachtem Banner feierte man hier den Internationale Meisjesdag, und ein an sich schon sehr schöner Baum diente als Ständer (nu!) für BHs, denn offenbar hatte die eine oder andere Frau sich dem schönen Zweizeiler „Sta een Moment stil, / doneer uw BH als u wil“ voll hingegeben. Für längere Auseinandersetzung mit der Thematik reichte die Zeit nicht, denn der buienalarm gab den Takt vor: Zwischen zwei Schauern radeln, bei einsetzendem Regen weiterradeln, ab der Einschätzung heavy möglichst irgendwo im Trockenen stehen. Was heavy ist, merkt man auch ohne Computer: Es pladdert von oben wie doll herunter. Wie lange noch, verrät die App.
Diesen Zustand heftigen Regens erlebten wir im Winkel. Also eigentlich erlebten wir, die wir im proppevollen Café durch beharrliches Warten dann doch Plätze am Tisch ergattern konnten, wie es draußen niagarahaft rauschte. Drinnen gibt es mittlerweile Selbstbedienung (beim letzten Amsterdam-Besuch 2012 wurden wir noch bedient), und augenscheinlich wollen alle nur das eine: Apfelkuchen. Aber das völlig zu Recht, denn der ist nun einmal gnadenvoll lecker. Und weil er so gut geht, auch immer noch ofenwarm-frisch. Dazu einen heftigen Klacks Sahne (natürlich handgemacht und nicht aus der Tube) und was Warmes zu trinken (in Amsterdam trinken sie gerne Pfefferminztee, aber eine Latte geht natürlich auch).
Aus Solidarität mit anderen beharrlich Wartenden, die mit sehnsuchtsvollen Blicken mehr als deutlich signalisierten, dass auch sie Plätze am Tisch ergattern wollten, gingen wir trotz light to heavy precipitation-Buienalarms vor die Tür, wo es am Samstag vor der Norderkeerk immer einen netten Markt gibt. Viel Regional, viel Bio, trotz der ungnädigen Schifferei von oben lachende Verkäufer*innen. Die Marktstände haben weit überkrankende Dächer – die Marktbetreiber werden wissen, warum sich das lohnt, wir wussten es sehr zu schätzen – obwohl wir nur Sehleute waren an diesem Tag und keine Kaufleute.
Der Jordaan, an dessen einen Ende wir uns ja befinden, ist nicht arm an Kneipen, so dass der Unmut über weitere Dröppelei von oben und ein gewissen boah-war-das-lecker-aber-süß-Gefühl unsere Schritte in eine der zahlreichen Lokalitäten führte. Das Café ‚t Papeneiland ist klein, natürlich proppevoll – und wieder sind alle gut drauf, Bedienung wie Gäste. Wie machen die das bloß in Amsterdam, bei so einem Wetter? Ah ja, sie haben Genever – jungen, alten, sehr alten. Wir nehmen den mittelalten zum Magenaufräumen – und schwupps hörte es auf zu regnen. Geht doch! Das Café gibt es übrigens seit 1642, und es gehört „schon immer“ der Familie Netel. Es ist eins der so genannten Braunen Cafés, die sich über die Jahrzehnte (Jahrhunderte?!) kaum verändert haben. Dieses hier ist, lese ich auf deren Webseite, so berühmt, dass sogar Bill Clinton 2011 mal da war. Und nun eben auch wir, aber das steht nicht auf deren Webseite 😉
Café Winkel 43
Noordermarkt 43
1015 NA Amsterdam
Telefon +31 20 623 0223
www.winkel43.nl/
Café Het Papeneiland
Prinsengracht 2
1015 Amsterdam
Tel. +31 20 624 1989
www.papeneiland.nl
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