Es ist Nahrung, keine Droge

Besuch bei Luciano Piona im Weingut Calvachina in Custoza – ein Portrait

Edelstahltanks

Wann lernt man schon jemand kennen, der sozusagen der Enkel von jemandem ist, der einen Wein erfunden hat? Und, bitteschön, wie erfindet man denn einen Wein? Na, ganz einfach: Wir sind bei Luciano Piona auf seinem Weingut Cavalchina. Das liegt in Custoza – dem Ort in der Nähe des Gardasees, der einer kontrollierten Ursprungsbezeichnung (DOC) den Namen gab: Bianco di Custoza. Und das ist das Verdienst des Großvaters unseres Gastgebers (der auch Luciano hieß). Luciano Piona der Ältere füllte 1962 erstmals eine Cuvée aus den Sorten Bianco Fernanda (Cortese), Garganega und Trebbiano Toscana ab und versah sie mit einem Etikett, auf dem Custoza stand. Piona wollte sich abheben – vom Soave, dem bekannten Nachbarn. Und er tat es mit Selbstbewusstsein wie mit Witz: Er spielt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes soave und nennt den Custoza auf dem Etikett einen vino bianco soave dei colli storici – einen „süßen Weißwein von den alten Hügeln“. Jede Wette: da haben sich die Leute vom DOC Soave geärgert.

Luciano PionaLuciano Piona der Jüngere übernahm die Führung des Weinguts von seinem Vater 1988 – und auch ihm kann man einen gewissen Humor nicht absprechen. Während wir durch die Weinkeller laufen (Stahl, Holz und Beton – interessanter Mix) und uns schlau machen, sprachen wir auch über die Ernte 2014. „Oh ja“, sagt er, „das war ein schwieriges Jahr mit viel Regen – wir ernteten 30% weniger.“ Der Wein, der daraus entstand, sei ein wenig wie ein Wein der 80er Jahre: leicht, säurearm, wenig Alkohol: „Vintage in Custoza!“

HolzfässerWein so wie früher ist allerdings nicht der Plan. Bei Calvachina (und den anderen beiden zum Unternehmen gehörenden Weingütern Prendina und Torre d’Orti) setzt man eher auf stete Qualitätssteigerung – und, selten zu hören – nicht unbedingt auf Wachstum. 700.000 Flaschen verkaufen sie im Jahr, nicht nur am See oder in Mailand – auch in Deutschland („Feinkost Käfer ist seit 1957 unser ältester Kunde in Deutschland!“). „Wir könnten mehr verkaufen, aber wir müssen doch nicht jedes Jahr wachsen!“ Da hat Luciano Piona gut reden: Seine drei Weingüter sind mit insgesamt hundert Hektar (40+40+20 ha) ja nicht gerade winzig.

BetonkellerUmso mehr wunderte ich mich, das der Winzer erzählte, hier würde „alles mit der Hand geerntet“ – in mehreren Durchgängen, um jeweils die besten Trauben zu lesen. Das ist ja nur das Ende der Arbeit im Weinberg, der Luciano Piona viel Wert beimisst: Dort beginne die Arbeit an einem guten Wein, meint er – „Der Weinberg spricht zu uns, und unsere Aufgabe ist, ihm zuzuhören!“ Was natürlich nicht heißt, dass man im Weinkeller dem werdenden Wein nicht auch seine Aufmerksamkeit schenkt…

Luciano PionaWir schenkten – so gehört sich das bei einem Weingutsbesuch – unsere besondere Aufmerksamkeit den Weinen. Und taten es, wie es sich am Nachmittag (mit bevorstehendem Abendessen) auch gehört, auf die vernünftige Art: sehen, riechen, aber nicht trinken. Naja, letzteres mit kleinen Ausnahmen. Die kleine Reise durch die drei Weingüter begann vor Ort, auf Cavalchina. Und dort, natürlich, mit einem Custoza. Ein 2013er, sozusagen das Original. Die vier Trauben Garganega (mit 40% im Wein), dem Cortese-Clone Fernanda (30%), Trebbiano und Trebbianello (je 15%) sind zu unterschiedlichen Zeiten reif, vom frühen September bis zum frühen Oktober. Daher werden sie einzeln gelesen und auch ausgebaut, bis sie im Januar oder Februar zum Bianco di Custoza zusammengefügt werden. Diese Weine wollen leicht und ausgewogen sein – und so war er denn auch.

Etwas mehr Wuppdizität hat der Amadeo, ein Custoza Superiore. Die gleichen Trauben wie beim Bianco di Custoza, aber später geerntet und vor allem anders vinifiziert – die Fernanda-Trauben werden beispielsweise vor dem Pressen gefroren, um die Aromi zu erhalten, derlei Dinge. Die Hochzeit der Weine findet im Mai statt, der Wein kommt später in den Handel – und ist auch länger trinkbar. Wir probierten zwei Jahrgänge (2013 und 2010) und stellten fest: warten lohnt sich.

RosatoKleiner Zwischengang: ein Rosé. Der Bardolino Chiaretto ist eine Cuvée mit 55% Corvina, 35% Rondinella und 10% Molinara – und war ursprünglich ein Nebenprodukt bei der Herstellung des roten Bardolino. Auf den lief alles hinaus – vom späten Erntezeitpunkt, der wenig Säure garantieren sollte (gut für den Rotwein, schlecht für den Rosato) bis zur Verarbeitung. Aber ein nicht so guter Rosato ist ja nicht das Gelbe vom Ei, also trennte man die Sache: die Trauben für den Rosato werden nun zwei Wochen eher geerntet und auch separat verarbeitet. Heraus kommt ein idealer Sommerwein mit blassrosa Farbe. Kann mal einer die passende Sonne inkl. richtiger Temperatur nachreichen? Danke.

AusgetrunkenDas Weingut Prendina in Monzambano südlich des Gardasees kam 1958 zum Betrieb, aber auch hier begann ein geschmackliches Eigenleben erst später, so in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Wir probierten einen Falcone Cabernet Sauvignon, dem ein wenig Merlot beigemischt ist. Intensive Weinbergsarbeit, niedrige Erträge und durchdachter Ausbau (zum Teil in neuen, zum Teil in alten Barriques) tun dem Wein gut – harmonisch mit fruchtigen Tönen, ein feiner Essensbegleiter.

Weinprobe Cantina CavalchinaAber das war ja nur die geschmackliche Vorbereitung auf den Amarone vom dritten Weingut der Familie: Torre d’Orti in Marcellise bietet nicht nur großartige landschaftliche Ausblicke (wenn etwas schon torre heißt…), sondern auch ziemlich gute Rotweine. Wir stiegen (weil wir auch hier nur einen probierten) hoch ein: Der Amarone ist, obwohl es ihn als Piona-Wein erst seit 2007 gibt, schon ausgezeichnet: 92 von 100 Punkten gab’s beim Wine Spectator. Wir haben’s ja nicht so mit Punkten – aber erstens vergaßen wir hier alle Verkosterregeln und genossen den Wein und zweitens fand ich, zurück in Deutschland, beim Recherchieren einen Lieferanten: Bei Vipino bieten sie den 2011er, den wir auf dem Weingut probiert hatten, gerade zum Weinguts-Preis an. Die Kiste ist unterwegs nach Dresden – denn wie sagte Luciano Piona beim Verkosten dieses Weines sehr richtig: „Es ist Teil unserer Trinkkultur, täglich Wein zu trinken. Zum Essen oder auch nur so: Wein ist für mich ein Nahrungsmittel, keine Droge!“

Azienda Agricola Cavalchina
Via Sommacampagna, No. 7
37066 Custoza / Sommacampagna

Tel. + 39-045-516002
www.cavalchina.com

[Besucht am 20. Januar 2015 | Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise zum Thema Fish&Chef]

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