Früher hatten es die Restaurants einfach. Also ganz früher. Da konnten die Leute im Service kess lächeln und ihren Gästen anbieten: „Wir haben alles – Roten und Weißen!“ Später dann wurde es, vor allem im Sommer, richtig komplex: Rosa kam hinzu, oder gerne auch Rosé. Ist das nun rot und weiß zusammen gekippt und gemischt oder wie oder was? Ach, wir haben es gelernt und im Sommer (vor allem dann!) genießen gelernt. Und nun? Nun gibt’s schon wieder ’ne neue Farbe: Orange. Heißt nicht nur so, sondern sieht auch so aus – und schmeckt wie?
„Geil!“ sagen die Einen. „Scheiße!“ empören sich die Anderen, ohne sich auch nur im Geringsten für diese Wortwahl zu entschuldigen. Und nun? Nun gehen wir der Sache mal ordentlich auf den Grund und lassen uns das Orange-Wein-Wesen erklären. Der Wahrheit die Ehre: Wir ließen es uns erklären, beim Januar-Termin der Reihe Winzer im Fokus in der Weinbar des bean&beluga (4-Gang-Menü inkl. Weine und Wasser 69,00 €).
„Die Welt trinkt Orange“ lautete der Titel – und spätestens jetzt sollte man mal schreiben, dass sich das nicht wie Apfelsine spricht sondern englisch /ˈɒ.ɹɪndʒ/ – und damit ein Wort ist, auf das sich die Engländer keinen Reim machen können. Konnten wir uns einen machen, im übertragenen Sinne? Am Ende des Abends schon, denn mit Jörn Goziewski vom Weingut Ankermühle (Rheingau), der diese Art der Weinbereitung mit großer Freude seinen Rheingau-Rieslingen angedeihen lässt, und Jochen Leeder, der einerseits mit Orange Wines handelt und andererseits auch ein großer Enthusiast zu sein scheint.
Zur Begrüßung, dem Sich-Finden und der „Hallo, Du auch hier? Wie schön!“-Phase, gab es einen 2008 Sumenjak Alter, eine Mischung aus Riesling und 20% Chardonnay. Alter steht für alternativ – und das war 2008 im slovenischen Teil der Südsteiermark sicher der Hammer: biodynamisch bewirtschaftet Srecko Sumenjak sein Weingut seit 2005, und dann haut er auch noch 2008 zum ersten Mal alles so wie es kommt ins Fass. Das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Denn was die orangefarbenen Weine so orange macht, sind die Schalen, die beim Weinmachen hier mitspielen dürfen (bei Rotweinen kennen wir das, beim Rosé gibt es die schnelle Trennung vor allzu dollem Farbe bekennen, beim Weißen traditionell nur den Saft, sauber abgepresst). Als 2008er hat der Wein ja schon ein paar Jährchen, aber er ist eben (wie so oft bei den Weinen der vierten Farbe) erstaunlich frisch: Säure vom Riesling, Schmelz im Abgang vom Chardonnay – wir betrachteten den Einstieg als gelungen.
Jörn Goziewski kommt aus einer weinfreien Gegend in Thüringen und ging nach Geisenheim, um dort zu studieren. 2008 machte er seinen Abschluss als Diplom-Ingenieur für Weinbau & Oenologie, ging dann auf Weinwanderschaft und landete 2011 im Weingut Ankermühle. Dort macht er, was man im Rheingau erwartet: knackige Rieslinge. Aber er macht auch Dinge, die man nicht erwartet. Er kam mit einer Flasche an den Tisch, in der laut Etikett (Grundfarbe: orange) Jesus sei. OMG! Aber kein Grund, „steinigt ihn!“ zu rufen: Der Winkeler Jesuitengarten ist seit mehreren hundert Jahren eine gute Adresse für Wein. Sogar für Orange Wine, der eher goldig und vor allem recht klar im Glas zum Trinken einlud. Unser Eindruck: Kann man machen, aber für einen Orange ist der vielleicht noch zu jung. Vielleicht sollte man das Baby noch ein wenig reifen lassen…
Im zweiten Glas (gemäß der bekannten Devise: nie nur einen Wein pro Gang probieren!) war ein 2012 Orange Weinreich aus Rheinhessen. Marc Weinreich hat hierfür Weißburgunder und Chardonay cuvetiert – und uns geschmacklich einen schmelzigen Pinot auf die Zunge gezaubert. Weinreich arbeitet – wie viele der Winzer, die sich am Orange Wine probieren – so naturnah wie möglich. Im Weinberg ökologisch, im Weinkeller beispielsweise ohne den Zusatz von Schönungsmitteln. Hefen bringen die Trauben mit, und wenn der Wein dann ungeschönt und unfiltriert auf die Flasche kommt, kann es im Glas ungewohnt trübe wirken. Da kann man sich dran gewöhnen, vor allem, wenn es dennoch schmeckt!
Ich hatte meinen ersten Kontakt mit Orange Wines ja 2013 in Slowenien bei einem Besuch des Weinguts Movia – und das war auch gut so, denn mit Aleš Kristančič hatte ich gleich einen der wirklich guten und überzeugten Winter getroffen. Sein Weingut in den Goriska brda ist umgeben von den Hügeln, die schon zu Italien gehören. Auch im collio setzt man sich schon länger mit der vierten Weinfarbe auseinander. Wir probierten einen 2008 Ribolla Gialla vom Weingut La Castellada, das die beiden Brüder Giorgio und Nicolò Bensa betreiben. Früher (vor 1985 ist das…) produzierten sie den Wein nur fürs eigene Restaurant, was ja eigentlich auch nett ist – aber so haben wir jetzt auch was davon, ohne runter fahren zu müssen. Nebenan im Glas ein 2012 Sveti Jacov von Giorgio Clai – eine Herausforderung für Nase und Gaumen.
Zu essen gab’s natürlich auch! Stefan Hermann hatte für die ersten beiden Gänge komplett auf Fleisch verzichtet – aber nicht auf geschmackintensive Begleitung zu den Weinen! Bunte Bete, Meerrettich, Nüsse als Salat vorweg, Brokkoli, Koriander, Mangold als Zwischengang passten zu den naturnahen Weinen, geschmacklich wie, sagen wir mal, auf der gedanklichen Ebene. Natürlich meckerte keiner, als zum Hauptgang mit Hirschkalb, Trompetenpilze, Rosenkohl eine Spezialität des Hauses serviert wurde – aber da wurde der Wein auch deutlich röter: ein 2007 Merlot von Roxanich aus Kroatien. Wie beim Fleisch: keiner war böse, dass das Thema variierte…
Brin d’Amour, Speck, Chicorée als Dessert überraschte ebenso wie der vegetarische Einstieg und lehrte uns, dass es wirklich nicht immer süß sein muss. Oder doch? Denn zum korsischen Rohmilch-Schafskäse gab es aus der Ankermühle etwas von Theresia, also vom Wein gleichen Namens. Eine Riesling Spätlese aus dem Jahrgang 2012, die die Früchte zum Käse mitbrachte…
Ein Fazit? Unter den probierten Weinen war keiner, der durchgefallen wäre – aber das war ja vielleicht vorhersehbar, wenn man Gäste an etwas für sie Neues heranführen will. So richtig geil, um das andere Ende der Spontanbewertung zu nehmen, war vielleicht nur einer, außer der Reihe serviert (weil von Jochen Leeder in der Magnumflasche mitgebracht): Ein 2004 Oslavje von Stanislao Radikon. Ein zehn Jahre alter Jungspund mit dem Hang, den genussvollen Trinker zum zweiten Glas zu überreden.
bean&beluga Weinbar
Bautzner Landstr. 32
01324 Dresden
Tel. 0351 / 44 00 88 00
www.bean-and-beluga.de
Weingut Ankermühle
Kapperweg
65375 Oestrich-Winkel
Tel: 06723-24 07
www.ankermuehle.de
Orange Wines
Online-Versand
www.orange-wines.com
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