„Und, Sie sind wirklich bis nach Aue gefahren? Nur um ein Restaurant zu testen?“ Ja, sind wir. Denn im Hotel Blauer Engel kocht Benjamin Unger viel gepriesene Dinge: 17 Punkte im GaultMillaut, zweieinhalb F vom Feinschmecker – das ist schon eine nette Liga. Da das Restaurant (in diesem Jahr zum zweiten Mal) bei den Kochsternstunden mitmacht, gab es ja noch einen Anlass, sich auf den Weg zu machen – bevorzugt für uns an einem Wochenende, um auch Zeit für die Abteilung „Arzgebirg, wie bist du schie!“ zu haben. Und siehe da: In nur einer Stunde ist man dort – da gurkt man in Berlin manchmal innerorts länger herum.
Zum Hotel gehören die beiden Restaurants St. Andreas und Tausendgüldenstube (sowie, nebenan, die Gasthausbrauerei Lotters Wirtschaft). St. Andreas ist die Feinschmeckerabteilung des Hauses und war am Abend unseres Besuches ausgebucht, wir saßen (wie auch andere Kochsternstunden-Menütester) in der etwas rustikaleren Tausendgüldenstube. Das ist ja erst einmal unproblematisch, denn uns geht es ja ums Essen – wobei dazu auch der Service gehört, und über den müssen wir dann später noch einmal reden.
Im Rahmen der Kochsternstunden kann man sich zwischen drei und vier Gängen entscheiden und zahlt dafür zwischen 39 € und 54 €, bei passender Weinbegleitung (was wir Weintrinkern ja immer empfehlen) 57 € bis 85 €. Erwartungsgemäß gibt es aber immer ein bisschen mehr, so bekamen wir einen Brotkorb mit fünf verschiedenen Brotsorten sowie drei Aufstriche und drei Salze vorab an den Tisch gebracht, um die Wartezeit ein wenig zu verkürzen. Das konnten wir ausgiebig nutzen, denn der obligatorische Gruß aus der Küche kam drei viertel Stunden nach unserer Ankunft im Restaurant und gab auch gleich Gesprächsstoff ab: Sandkastenspiele nannten wir das Arrangement, wobei wir den Sand nicht probierten, denn der soll zwar den Magen reinigen – aber wer will das schon? Vielleicht war es also was anderes, von der Optik wäre ja auch grob gemahlenes Getreide gegangen. Probiert haben wir’s nicht. Echte Muschelschalen, echte Steine, ein Kaviardöschen mit Häppchen und eine mit Eis/Sorbet gefüllte Muschel erwiesen sich aber als erste angenehme Spielereien zwischen Zunge und Gaumen.
Das eigentliche Menü begann mit einem Carpaccio vom Kalbsfilet mit Gartenkräutern, Parmesan und Pinienkernen, serviert quasi in zwei Abteilungen: links ein kleines Kalbscarpaccio, rechts ein Salatbouquet. Hier ein Parmesanschnitz, dort ein gebackenes Scheibchen vom Parmesan. Von der Zusammenstellung der Zutaten eher eine italienisch-osterzgebirg’sche Melange, aber das kann man ja so machen. Das Highlight dazu war der Wein, ein 2013er Pinot blanc Kabinett vom Weingut Schloss Proschwitz – den hatten wir, zur eigenen Verwunderung, noch nie im Glas gehabt. Ein ehrlicher Gutswein und ein feiner Essensbegleiter.
Das Schaumsüppchen von Curry und Zitronengras mit gebackener Hummerpraline hatten wir in der Miniaturausgabe schon bei der Eröffnungsveranstaltung auf Schloss Proschwitz verkostet – es war dort quasi der Auslöser, nach Aue zu fahren. Was für ein betörender Geruch! Welch fein abgestimmter Geschmack – mit dezenter Schärfe und dem gewissen Zitrus-Etwas (nun ja: Zitronengras halt!). Und wer bei Hummerpraline meckert, kann sie uns gerne abgeben – also kurz und knapp: ein sehr schöner Gang. Es war aber auch der Gang, wo wir unsere Service-Studien vertiefen konnten – denn nach dem Probierschluck des 2013er Riesling trocken vom Weingut Bamberger verschwand die Dame und ward erst einmal nicht wieder gesehen. Derlei kleine Patzer gab es mehrfach, was schade ist, da die Bedienung nun mal die wichtige Schnittstelle zum Gast ist (wobei ihr junger Kollege dann mit für sein Alter erstaunlicher Lässigkeit das Ding auch wieder ausbügelte).
Der Hauptgang In Burgunder geschmorte Ochsenbacke mit Zwiebelmarmelade, Kartoffelstampf und Tiroler Speck war zumindest bei uns am Tisch so ein Mann-Frau Ding: Fleisch mit Fleisch zu garnieren und Speck auch noch im Kartoffelstampf unterzubringen, stieß bei Ihm (das bin ich!) auf große Begeisterung, bei Ihr (das ist die Begleitung) auf Zurückhaltung aus rein praktikablen Bedenken: Schmeckt, aber macht das nicht dick? Na klar macht es das, aber die Süße der Zwiebeln und das Herzhafte des Specks ergaben ein unvergleichlich schönes Spiel – und das bei nahezu jedem Biss. Der Kartoffelstampf war eher grob, was gut passte, der Sauerrahm lag separat an und war deswegen theoretisch Verfügungsmasse für Figurbewusste (praktisch übten wir Verzicht auf Vernunft und integrierten die natürlich!), die Saucen kräftig und schaumig: prima, prima, prima! Mächtig war das zweifelsohne, aber man muss ja nicht den Teller leeren – die Mär mit dem Wetter, das sich nach genau Deinem Teller richtet, stimmt nämlich nicht. Fragt den Kachelmann, der weiß das. Die Weinbegleitung zu diesem kräftigen Hauptgang war ein 2013er Lemberger trocken vom Weingut Aldinger, der sicher nicht mit vielen einfachen Lembergern zu vergleichen war – aber eben auch zeigt, dass Könner aus und mit dem Lemberger richtig gute Rotweine machen können.
Ähnliches müsste man auch zur Traminer Auslese vom Weingut Schloss Proschwitz sagen – unser Ding ist Traminer nämlich eigentlich nicht, was aber meist an den nicht ganz so guten Qualitäten zu liegen schient. Zum Dessert, Geliertes Champagnersüppchen mit Passionsfrucht und Honig, fügte er sich ganz gut – obwohl wir natürlich viel lieber ein Glas Champagner dazu getrunken hätten. Nächstes Mal melden wir uns rechtzeitig und bestellen den!
Hotel Blauer Engel
Altmarkt 1
08280 Aue
Tel. 03771.592-0
www.hotel-blauerengel.de
Geöffnet:
Di – Sa ab 17.00 Uhr
Aue – ja wer kennt schon Aue. Auch mir ging es so und als begeisterter Leser der Stipvisiten begeistert mich auch der Artikel über den Blauen Engel. Auch noch aus einem anderen Grund. Wenn der 7. März stimmt, dann saßen wir einige Tische entfernt nach einem kurzen Treff im Fahrstuhl.
Aber der Genuß lässt sich aus ihrer Beschreibung sehr gut nachvollziehen. Eigentlich richtig, wenn schon Aue, dann Blauer Engel.
Da das ist ja ein schöner Zufall!