Es ist noch gar nicht so lange her, da empfahl ich einem Kollegen: Nie Namenswitze oder -spielereien! Und dann gibt es eine großartige Kellerführung durch die Remstalkellerei und eine anschließende Wanderung mit Weinprobe durch die Weinberge – und unser local guide heißt Trinkle. Aber das ist sicher Zufall und nicht der Erwähnung wert. Also lassen wir das…
…und konzentrieren uns auf das Wesentliche. Sigrun Trinkle ist Weinerlebnisführerin und hat etliche Zusatzqualifikationen. Die wichtigste steht allerdings nicht auf ihrer Webseite: Sigrun Trinkle verbindet ihr umfangreiches Wissen mit viel Charme und plaudert beim Spazierengehen so kurzweilig-unterhaltsam, dass man immer hin-und-hergerissen ist zwischen Zuhören und Ansehen der Landschaft. Die Zeit bei der Wanderung von Beutelsbach nach Strümpfelbach verging jedenfalls wie im Fluge – zumal es zwischendurch und am Ende ja auch was zu probieren gab…
Aus dem Dorf mit Württembergs fünftgrößten Genossenschaftskeller sind wir erfreulich schnell raus (womit nichts gegen Beutelsbach gesagt sein soll, aber Weinwanderungen sind nun mal in den Weinbergen schöner als im Dorf). Vorbei an einer (als wir vorbei kamen: noch geschlossenen) Besenwirtschaft mit dem einladenden Slogan „luschdig und fidel beim besen-fritzle“ und einer Skulptur, die offensichtlich einen Tablet-Leser mit überteuertem Online-Tarif zeigt, denn er ist nackert. Von denen sollten wir später noch mehr sehen, also Nackerte. Auch beim Bummel durch die Straßen kann man ja die Augen aufhalten: Da fährt ein Smart vorbei und wirbt mit einem Krönchen auf dem Dach für das Restaurant Krönchen, da findet sich (nicht bei der Krone) ein Parkplatz für Gäste mit einem Schild gleich nebenan, dass auf die Schießbahn und Lebensgefahr hinweist. Augen auf im Straßenverkehr, mal anders!
Hinter einem schaurig-schön vor sich hinrostenden Tankwagen (morbiden Charme nennen Wessis das, wenn sie im Osten urlauben und Ähnliches sehen) und vorbei an übrig gebliebenen Fruchtfliegenfallen haben wir das Gefühl, schon sehr lange gelaufen zu sein, ohne einen Wein probiert zu haben. Sigrun Trinkle teilt unser Gefühl, steuert das Käppele an und holt Hängerle, Probiergläser und ein kleines Fläschchen aus dem Rucksack. Praktisch veranlagt sind sie ja im Remstal, muss man sagen. Den Gaispeter probierten wir (Deutschlands meist getrunkener Schillerwein, nun auch von uns…) Die Kapelle soll wohl im 15. Jahrhundert erbaut sein, aber ob lediglich als Wallfahrtsort oder warum auch immer: nichts Genaues weiß man nicht aus der Zeit. Im 19. Jahrhundert war das Käppele ein Unterstand, und 1921 bis 1953 lebte hier ein Einsiedler, den sie „Käppeles-David“ nannten. Nun ist sie ein Zwischending, Wallfahrtsort für Touristen, wohl auch Unterstand bei Regen oder anderem Wetter. 1955 und 1998 wurde das Käppele renoviert und ein guter Platz für eine Zwischen-Rast.
Weiter geht’s, vorbei an Winzern, die die Reben pflegen und (je nach Lage und Sorte und Winzerwissen) eine oder zwei Ruten binden, keine oder eine oder zwei Frostruten stehen lassen. Und vorbei an Winzern, die nicht da sind, weil sie die Reben sich selbst überlassen. Ein Schild klärt auf über die Minimalschnitterziehung, wir lesen was von „steigendem Kostendruck“ und „stagnierender Erlössituation“ und „Rationalisierungsmöglichkeiten“ – und der Anblick ist zumindest, sagen wir mal: gewöhnungsbedürftig. Wie der Wein schmeckt, der daraus wird (laut Schild, wörtlich: „die für deutsche Weißweine ypischen Attribute Frishe, Frucht, Säurespiel, Leichtigkeit und Aromafülle“) haben wir nicht probiert, einige Wochen später allerdings in Dresden bei den BW Classics trafen wir Alex vom Weingut Wolf, der mit seinem Wildwuchs den Minimalschnitt eher von der anderen Seite angeht: von der Natur, vom Geschmack – und dessen Weine waren klasse. Auf jeden Fall ein Feld, das beobachtet werden sollte.
Nicht mehr lange und ein Nackerter liegt vor uns. Eine Skulptur von Karl-Ulrich Nuss aus dem Jahr 1996 – und eine von insgesamt 43 Skulpturen aus Bronze oder Stein, die die Weinberge bei Strümpfelbach bereichern. Es sind Werke aus drei Künstlergenerationen, initiiert von Karl-Ulrich Nuss (geb. 1943) aus Strümpfelbach. Auch Bronzearbeiten seines Vaters, Professor Fritz Nuss (1907-1999), sind zu sehen sowie drei Stein-/Stahl-/Holzskulpturen von dessen Enkel Christoph Traub (geb. 1964). Wir sind den Skulpturenpfad nicht gezielt lang gelaufen und haben doch Einiges gesehen: es sind allesamt Hingucker und Gesprächsankurbler – ein feines Stück Kultur in der Kulturlandschaft der Weinberge. Als Hilfen zur Wegbeschreibung sind sie auch gut: Bei der Begegnung rechts ab und bei der Liegenden den Hang hoch!
Oben steht ein Winzerhäuschen – und unsere Lieblingsführerin durch die Weinberge hatte da schon mal was vorbereitet: eine üppige (wie immer: fleischlastige) schwäbische Brotzeit mit einem aufgeschnittenen und aufgedröselten Radi – sah gut aus, machte Spaß und schmeckte. Wein gab’s natürlich auch – einen Weißburgunder und einen Sauvignon Blanc von der Remstalkellerei. Der Sauvignon ist aus der Premium-Linie der Kellerei, mit ertragsreduzierten Mengen und später gelesen als die anderen Trauben. Man schmeckt das, wir waren’s zufrieden und entdeckten natürlich die üblichen Verdächtigen (Stachelbeere, grüne Tomaten) und das, was die Württemberger guten Trinkfluss nennen.
Treppab geht’s nach der Brotzeit nach Strümpfelbach. Die vielen Fachwerkhäuser fallen uns natürlich auf, von halber Höhe aus bemerkt man die Geschlossenheit des Ensembles, vor Ort kann man sich dann lange in Details vertiefen. Aber wir haben ja kaum Zeit und noch ein Ziel vor Augen: eine Vinothek. Vorbei am Weingut von Marcel Idler (sieht aus wie ein Garagenbetrieb, die Weine konnten wir später in der Vinothek probieren: großartig!), einem Haufen scharrender Hühner, einer weiteren Nuss-Skulptur (Karl-Ulrich Nuss: Der Zeitungsleser) zu einem modern anmutendem Haus: der Vinothek Die Traube.
Hier hat Angelika Reiner eine moderne regionale Vinothek erschaffen, in der man sich am liebsten einschließen lassen würde. Mindestens zwei Dutzend Weingüter der Umgebung sind mit Weinen vertreten, da kann man so luschtige Spiele betreiben wie wir, die wir einen Zweigelt rosé der Remstalkellerei mit einer Roséwein-Cuvee „Bentz“ vom VDP-Winzer Aldinger verglichen. In diesem Fall keine Überraschung bei der Frage nach dem Liebling, aber manchmal gibt’s ja Überraschungen. Für Dresdner wie uns gab’s auch noch Lokalkolorit: Familie Reiner arbeitete und wohnte mal in Dresden – die Tochter ist hier geboren. Das muss schon länger her sein, denn als Sonderservice wurden wir von ihr im Auto zum Ausgangspunkt der Tour zurück gebracht. Schön, wenn man auswärts unter Freunden ist. Aber Wein verbindet eben…
Die Traube Vinothek
Hauptstraße 91
71384 Weinstadt-Strümpfelbach
www.dietraube.com
Weinverlockung
Sigrun Trinkle
Grüntorstr. 15
71394 Kernen i.R.
Tel. 0152 03264060
www.weinverlockung.de
Hinweis:
Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise im Vorfeld der BW-Classics am 11./12. April im Dresdner Congress Center.
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