Lanusei ist (zusammen mit Tortoli) Hauptstadt der Provinz Ogliastra im Osten der italienischen Insel Sardinien. Mit seinen nur 5.556 Einwohnern (am 31. Dezember 2013) die kleinste Hauptstadt der kleinsten der 96 italienischen Provinzen. Bürgermeister der Stadt ist Davide Ferreli (Jahrgang 1975), er ist seit Juni 2012 Bürgermeister von Lanusei – und spannenderweise gebrauchen unsere Gesprächspartner in Vorbereitung unseres Treffens genau dieses Wort: Bürgermeister. Schwer fällt es ihnen nicht, sich das zu merken, denn im Italienischen kennt man (neben dem gebräuchlichen Begriff sindaco) auch den borgomastro, den Maestro des Borgo.
Ferreli, der auf fünf Jahre gewählt ist und noch nicht weiß (bzw. es noch nicht verrät), ob er noch einmal antreten wird, strebt eine Partnerschaft mit der sächsischen Kleinstadt Meerane an. „Wissen Sie, Sardinien ist doch eine Insel – und auf Inseln sind die Menschen immer ein wenig engstirnig. Wir wollen Lanusei öffnen, vor allem für junge Menschen!“ Meerane habe er als offene Stadt kennengelernt, den Bürgermeister Prof. Dr. Lothar Ungerer nennt er in unserem italienisch-englisch geführten Gespräch open minded, aufgeschlossen. Den wird es freuen, aber mehr noch wird ihm wahrscheinlich die Reihung von Städten gefallen, die Davide Ferreli aufzählt: „Wir suchen nach neuen Möglichkeiten für unsere Jugend. In Meerane, London oder Paris lernen sie andere Mentalitäten kennen, das öffnet ihre Köpfe!“ Und natürlich hofft er, dass die jungen Leute dann mit Köpfen voller Ideen zurück kommen nach Sardinien in die Ogliastra.
Aber natürlich würden auch die Sarden Spuren hinterlassen. „Wir haben eine großartige Geschichte!“ sagt der Bürgermeister und strahlt. Die Geschichte geht weit zurück, sehr weit. Lanusei wurde im 12. Jahrhundert (genauer: 1119 – da steht bald ein Jubiläum an!) erstmals erwähnt – aber streng genommen war in der Gegend schon länger was los: Eine Nuraghe mit Dorf und zwei Gigantengräbern sind unweit im Bosco Seleni gefunden, und die stammen aus der Zeit zwischen 1300 und 1400 vor Christi Geburt – aber das ist eine andere Geschichte. Aber natürlich gibt es nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Gegenwart – auch wenn die handwerklichen Künste der Sarden ohne die Vorfahren nicht denkbar wären: alles überliefert, von nichts kommt nichts. Wobei das zwar alles wichtig sei, aber noch mehr Wert legt Bürgermeister Ferreli auf andere Werte: „Wir müssen mit Kopf und Herz dabei sein, das ist ein gutes Ziel!“ sagt er.
Aber dann geht es beim Brücken Bauen zwischen Sardinien und Sachsen doch wieder um ganz handfeste Interessen. Ferreli denkt an den Export typisch sardischer Produkte – von denen gibt es eine ganze Menge: Spezielles Brot (da kennt er sich gut aus als Mitinhaber einer Bäckerei), Käse, Teigwaren, Wein – die Ogliastra hat da einiges zu bieten. Aber auch hier sieht er eine win-win-Situation, denn „wir können eine Menge lernen von den Deutschen!“ sagt er und schwärmt von der deutschen Genauigkeit, von der Pünktlichkeit, wie er sie auch bei seinen Besuchen in Meerane kennengelernt hat. „Ich liebe den Stil der deutschen Ökonomie!“ sagt er.
Eine Städtefreundschaft wie die zwischen Meerane und Lanusei sei eine hervorragende Basis, um die Sprache des jeweils anderen zu lernen, meint Ferreli. Netzwerke, Kommunikation – das seien zwar heutzutage häufig gebrauchte Begriffe, aber neu sei das ja nicht. Schon die Nuraghen vor dreitausend Jahren seien so eine Art Netzwerk gewesen, die Menschen hätten sich bei der Kommunikation schon damals zu helfen gewusst („von jeder Nuraghe kann man wenigstens drei andere sehen!“ hatten wir schon vorher beim Besuch einer Nuraghe gelernt). Und so möchte er Sprachkurse mit anbieten und vor allem die lokalen Organisationen, die Vereine mit einbeziehen.
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