Essen wie Gott in Frankreich, so sagt man, sei ja was ganz Besonderes. Was aber, wenn wir weder Gott noch in Frankreich sind? Dann lassen wir’s uns in der Umgebung gut gehen und fühlen uns wie wir in Sachsen. Das aber unter durchaus französischen Vorzeichen, denn ausgerechnet da, wo man’s auf Anhieb am wenigsten vermutet, gibt es so etwas wie eine Botschafterin Frankreichs: Tina Weßollek, die mit ihrem Logis-Restaurant L’Auberge Gutshof den Lausitzern im sächsischen Bischofswerda seit 16 Jahren zeigt, wie man französisch isst, hatte für die Aktion „Gout de France“, die in Zusammenarbeit mit dem französischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Entwicklung und mit Unterstützung der französischen Botschaften am 21. März weltweit durchgeführt wurde, ein typisch französisches Menü komponiert – sechs Gänge und ein bissl drumrum, wie sich das gehört…
Wir lieben es ja französisch, also fuhren wir nach Bischofswerda – eine dreiviertel Stunde, das ist durchaus noch erträglich. Außer uns war allerdings nicht so viel los, was wir schade fanden: mit uns waren vier der speziell eingedeckten Tische besetzt – da geht noch was. Der Bischofswerdaer, erfuhren wir, geht am Montag nicht gerne aus. Schade, denn da hat der Bischofswerdaer was verpasst. Beispielsweise, dass man auch nach sechs plus zwei Gängen nicht nach Hause rollen muss, wenn die Portionsgröße stimmt. Oder zum Beispiel, dass zu jedem Gang ein anderer Wein eine wirklich gute Idee ist – und dass man das sogar als Autofahrer erleben kann, wenn man extra kleine Mengen bestellt (das Gegenüber freut sich gegebenenfalls am Mehr). Oder zum Beispiel, wie ein engagierter und freundlicher Service aussieht. Locker und kenntnisreich, unaufdringlich und immer da, wenn es nötig ist.
Als Apéritif entschieden wir uns für was Blubberndes. Adrien Romet Blanc de Blancs brut, Vin Mousseux de Qualitéaus kam aus der Magnum, was ja schon optisch ein irgendwie grandioser Auftakt ist, auch wenn’s im Glas dann doch gleich wenig ist. Da kam dann gleich mal als Küchengruß ein Amuse bouche zum Aufmerken: eine herzhafte Crème brûlée. Klingt nach Dessert, schlug mit dem Macaron obendrauf auch schon mal den Bogen an, der zum Abschluss geschlossen werden sollte – und war eine schmackhaft-schöne Idee. Danach ging es dann zügig weiter, und zwar immer im gleichen Rhythmus: Die Bedienung bringt den Wein zum folgenden Gang, erklärt ihn uns (schön unprätentiös und nicht so auswendig-gestelzt daherkommend: wir mochten es – und ihn!), wir probieren, er schenkt ein und kommt gleich drauf mit dem passenden Essen. So sollte und könnte das doch immer sein! Wir begannen also mit einer Côtes du Rhône Réserve vom Weingut Famille Perrin, die kräftig genug war, um zur Vorspeise zu bestehen: Wachtelbrust aus dem Ofen, Chorizo und Filet vom Perlhuhn auf Linsensalat in Tomaten-Koriandervinaigrette hatte nämlich auch kräftige (und im Falle der Chorizo) pikante Momente.
Als Zwischengang waren Frische Austern angekündigt, wobei der Plural nur gültig war, weil wir zu zweit da waren: eine gab’s. Die aber erstens willkommen und zweitens gut. Zu kochen ist da ja nicht viel, aber man kann so eine Auster ja auch mit Resten von Schale oder gar Sand verhunzen. Irgendein Dressing oder nicht – darüber streiten sich Leute, die Austern prinzipiell nicht verachten, ja manchmal: wir sind die Puristen und mögen sie pur, verzichten sogar auf die Zitrone am Tellerrand. Dazu gab’s planmäßig den Blanc de Blancs, den wir schon als Apero hatten – oder eben nüschte, damit es nicht zu viel wird (ein wänziges Schlöckchen hatten wir aufbewahrt…).
Ein 2014 Tavel „Les Eglantieres“ kündigte mit zartem rosé den nächsten Gang an: Jakobsmuscheln nach Art der Provence auf Fenchel-Lauchfondant, Reis aus der Carmargue. Als bekennende Jakobsmuschelfans waren wir natürlich neugierig und dann schnell sehr zufrieden: auf den Punkt gegart (also innen nahezu sushimäßig roh) und mit sahnig-würzigen Beilagen umgeben war das eine feine Sache.
Ein 2011 Lalande de Pomerol, Château Garraud kündigte den Hauptgang an: kein großer Wein, aber ein ordentlicher Essensbegleiter, dem man seine 18 Monate Holzfass wohltuend anschmeckte. Zum Hauptgang war er eine gute Wahl, denn es gab Das Beste vom Reh in Rotweinjus, Gemüse-Ensemble nach Laune der Küchenchefin und Pürée von Kartoffel und Perigordtrüffeln – wobei die Laune der Chefin beim Gemüse mit bunt und deftig zu umschreiben wäre. Mir war der Grünkohl ein wenig zu ungar, aber als Ostfriese kenne ich das ja eh ganz anders. Aber das Reh: ein Gedicht in vier Strophen – pardon: Tranchen.
Die Französische Käsevariation vom Brett mit drei Sorten Käse (selbst auszuwählen aus sechsen) und mit zwei Begleitungen war dann doch sehr dem nicht-französischen Geschmack der Gegend angepasst – da geht vor Ort mehr. Aber als Vorwand für einen sehr ordentlichen unfiltrierten 2013 Bourgogne Domaine Fabien Coche konnte man es gelten lassen. Und als Vorspiel für das Delice von schwarzer Schokolade und Beerenobst sowieso – die Chefin liebt halt ihre Desserts sehr! Dazu gab’s einen 2009 Sauternes Castelnau de Suduiraut. Und weil ja, trotz all der Verwöhnung, der Macaron-Bogen noch nicht geschlossen ward, kam zur Rechnung noch einmal die süßeste aller Verführungen auf den Tisch. Wer mochte da widerstehen?
Für die Statistik: Das Menü lief, ohne die Auster und ohne den Käsegang, die Zeit direkt vor dem Event Gout de France auch bei den Kochsternstunden (3 Gänge 36 €, inkl. Weinbegleitung 55,50 € / 4 Gänge 44 €, inkl. Wein 67 €). Im Menü Gout de France kosteten 5 Gänge 55 € / 72 € und 6 Gänge 61 € / 78 €.
L’Auberge Gutshof
Alte Belmsdorfer Straße 33
01877 Bischofswerda
Tel.: 03594 / 70 5200
www.auberge-gutshof.eu
Öffnungszeiten:
Mo – Mi und Fr – Sa ab 17.00 Uhr
Do Ruhetag, So und an Feiertagen ab 11.30 Uhr
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