Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Die Winterausstellung auf Schloss Weesenstein, die am 28. Oktober eröffnet wurde und den Winter über den Jahreswechsel hinaus bis zum 4. März 2018 gezeigt wird, ist nämlich vor allem eins: textlastig. Ist aber nicht schlimm, denn im Winter soll man sich ja den grauen Alltag mit erhellenden Momenten ein wenig kurzweylig gestalten, und wenn unter dem Motto „Jegliches hat seine Zeit“ die Lebenskreise in Sachsen und Böhmen ausgeleuchtet werden, dann liegt es in der Natur der Sache, nicht zu allen Dingen dieses Lebenskreises perfektes Ausstellungsmaterial zur Hand zu haben. Von daher verwundert es nicht, dass man eine Wiege sieht und keinen Sarg – auch wenn allerlei traurige und auch obskure Feiertage sich Ende Oktober und den November über häufen.
Es geht in der Ausstellung um die Feste und Bräuche, die man so innerhalb (s)eines Lebens durchmacht, und man wundert sich, wieviel da zwischen Geburt und Tod zusammen kommt. Anders als bei den Festen, die den Jahresablauf bestimmen (und die vor einem Jahr unter dem schönen loriotschen Titel „Früher war mehr Lametta“ bereits abgehandelt wurden) zeichneten sich die Lebenslauf-Feste durch ihre Einmaligkeit aus, meinte bei seiner Einführung Alexander Hänel. Der ist Kunsthistoriker und zusammen mit Birgit Finger für die Inhalte der Ausstellung verantwortlich. Viele der Einmaligkeiten sind unzweifelhaft – Geburt und Tod ganz sicher, aber auch einen Schulanfang kann es nur einmal geben. Als in seiner Aufzählung dann auch das Wort „Hochzeit“ fiel, zuckten einige der Älteren im erlauchten Eröffnungs-Publikum jedoch zusammen. Sie haben da so ihre eigenen Erfahrungen…
Wie man welche Feste feiert – und mit welchem Aufwand man Anlässe begeht: davon erzählt die Ausstellung. Vieles, was dem Einen selbstverständlich erscheint, ist dem Anderen fremd. Wer feiert Geburtstag, wer Namenstag? Wie groß ist die Schultüte (die anderswo Zuckertüte heißt, und umgekehrt) – und welche Lieblingsform hat sie (rund oder eckig)? Wird man gefirmt, geht man zur Konfirmation oder zur Jugendweihe? Gibt es vor der Hochzeit noch den Polterabend oder poltern die Betroffenen lieber getrenntgeschlechtlich und etwas verwirrt durch irgendeine Stadt und nennen das dann Junggesell(inn)enabschied? Und wieso hat man früher die Mädels unter die Haube gebracht? Fragen über Fragen – aber es gibt Antworten, manche sogar sind überraschend.
Nach der Hochzeit wird’s dann übrigens eng mit den wirklich großen Festen. In Ermangelung neuer feiernswerter Ereignisse wird gemeinhin auch der eigenen Hochzeit an besonderen Jahrestagen gedacht – und obwohl es laut Wikipedia 24 verschiedene Bezeichnungen für die Hochzeitstage zwischen 1 und 100 gibt, ist große Feierei meist nur bei den Nummern 25 und 50 angesagt. Und bei der letzten Feier im Lebenslauf ist man dann ja eh nur noch passiv als Gastgeber dabei…
Schloss Weesenstein
Am Schloßberg 1
01809 Müglitztal
Tel. +49 35027 626-0
www.schloss-weesenstein.de
„Jegliches hat seine Zeit – Feste und Bräuche in Sachsen und Böhmen“
Sa 28.10.2017 bis So 04.03.2018
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