Neulich las ich in einer der hier eintrudelnden Pressemeldungen, dass man nun (konkret: ab November) auch spontan und quasi ungeplant den „Wochenendaufenthalt in der Region mit einer spontanen Stippvisite bei Radeberger Pilsner“ anreichern könne – und dachte: das wäre doch auch mal was für eine STIPvisite – ist ja nur ein kleines p Unterschied. Und weil noch Oktober war (bzw. ist), erfolgte der Besuch nicht spontan, sondern angemeldet. Das hat den Vorteil, dass man da weiß, was man hat – denn ab November 2018 wird es zwar jeweils an jedem Freitag um 18 Uhr und außerdem an jedem ersten Samstag im Monat um 16 Uhr die Chance auf die gut zweistündige Brauereibesichtigung geben – aber da möchte man schon unter den ersten 30 sein, denn mehr geht nicht, auch nicht spontan.
Wir waren (was schön für die Gruppe ist) weniger, etwas mehr als zehn. Ausgestattet mit einem Funkempfänger und Kopfhörer kriegt man zwar auf jeden Fall mit, was erzählt wird – aber kleine Gruppen sind nun mal gemütlicher! Draußen auf dem Hof bekommt man – den Blick nacheinander nach vorne, rechts, links und hinten gerichtet – schnell mit, dass dies hier keine kleine Brauerei ist. Die ersten Fachbegriffe fallen: Sudhaus, Abfüllhaus, Vollguthalle – vor allem beim Abfüllhaus kamen feine Assoziationen auf, als uns die Gästeführerin erklärte, dass hier am Ende der Tour eine Probe aller hier gebrauten Biere stattfände.
Die Vollguthalle werden wir nicht besuchen, weil da nicht wirklich viel zu sehen ist: nur volle Kisten mit vollen Flaschen. Alles Radeberger Pilsner, insgesamt 1 Mio. Liter – „der Tagesvorrat…“, meint unsere Bierbrauereierklärerin. Und weil sie weiß, dass das unglaublich viel klingt, lässt sie etwas später noch einfließen, dass pro Tag 10.000 hl Radeberger Pilsner verkauft würden. Das klingt vernünftig wenig, ergibt aber nach der Umrechnung auch wieder ’ne Million Liter. Wer soll das alles trinken (wir nicht, wir kommen ja nicht rein in die Halle)? Die ganze Welt. Radeberger Pilsner wird nämlich nur in Radeberg gebraut, in drei Schichten rund um die Uhr an fünf Tagen in der Woche. Dafür wird hier aber auch nur Radeberger Pils gebraut – was die kurz zuvor gehörte Ansage, „alle Biere“ später probieren zu dürfen, arg relativiert und beim Einen oder Anderen vorübergehend zu enttäuschten Zügen im Gesicht führt. (Spoiler: es gab ’ne Überraschung!)
Radeberger Pilsner sei bewusst als Monomarke positioniert, erfahren wir auf dem Weg ins Sudhaus. Und zwar nicht wegen Hopfen (ein Mix aus Bitter- und Aromahopfen) und Malz (aus ausgesuchten Gerstensorten) – die werden eh importiert und könnten auch woanders hin gebracht werden. Nein, es ist das Wasser, was von der Zutatenseite her das Besondere des Radebergers ausmacht. Das Wasser kommt aus der direkten Nachbarschaft, aus dem Karswald. Es ist weich und auch pur (also bevor es Bier wird – welch schönes Schicksal für Wasser…) durchaus schmackhaft. Man kann es beim Besuch probieren, denn – so viel Show muss sein – es gibt eine Wassertheke für die Besucher. Dieser Erstkontakt mit echt Radeberger Wasser kann ergänzt werden mit einem Probeschluck (einem wänzigen…) der Hefe. Die schmeckt nach Bier, irgendwie. Allerdings nicht wirklich gut, auch wenn sie schön machen soll. Die Hefe, lernen wir bei der Gelegenheit, ist auch nicht unwichtig für den Geschmack des Bieres. Und weil das so ist, wird nichts dem Zufall überlassen: die verwendete Hefe ist eine Reinhefe, die in Radeberg gezüchtet wird. Und dann one more Schluck: Jungbier. Da kommt das Wort Bier schon drin vor, aber eben auch jung – zwei Tage alt ist es und man kann nur ahnen, wohin die Reise geht. Noch schmeckt’s süß und bitter…
Beim Werdegang des Biermachens ist Jungbier ja ein schon recht fortgeschrittenes Stadium – in Wirklichkeit geht’s beim Rundgang aber natürlich in der richtigen Reihenfolge voran. Los geht’s mit der Geschichte, in der es den einen oder anderen spannenden Punkt gibt.
Beispielsweise den, dass sich die fünf Gründer der heutigen Brauerei im Januar 1872 in der Knobloch´schen Weinhandlung trafen und dort sehr wahrscheinlich kein Bier tranken – denn das war’s ja: das schmeckte ihnen nicht. Aber in Pilsen, wussten sie, da macht man ein tolles Bier! Und das wollten sie nicht nur nachempfinden, sondern möglichst auch noch besser machen. Und so gründeten sie noch im gleichen Jahr auf dem Galgsberg in Radeberg die Aktienbrauerei Zum Bergkeller, wo man dann erstmals in Deutschland das böhmische Bier braute.
Das Bier schmeckte – und (wir wissen warum: das Wasser!) es schmeckte sogar besser als das Vorbild. Sagten jedenfalls die Leute in Radeberg und viele von denen, die das neue Pilsner probierten. Sowas spricht sich schon immer rum – und bereits 1878 wurde das Bier nach Übersee exportiert. Das führte 1885 zur Umbenennung der Brauerei in „Radeberger Exportbierbrauerei“. Klingt ja lustig: Exportbier für eine Brauerei, die nur Pilsner macht! Ach ja: Die Bierbrauer in Pilsen fanden das alles nicht so doll, aber das ist ja nachvollziehbar. (Die Anfänge der Geschichte mogeln sich die Radeberger in den Schaukästen übrigens ein bissl zurecht – da heißt die Brauerei schon immer so wie heute. Wir wissen’s ja nun besser und finden, dass man Markenbildung auch übertreiben kann.)
Nach dem Geschichtsunterricht im Foyer geht’s nun aber richtig los – im Sudhaus. Das gehört zu den Neubauten aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Radeberger von der Binding AG übernommen wurde – die dann 2012 in Radeberger Gruppe umbenannt wurde. Auch so eine Fügung der Geschichte. Im Sudhaus ist es laut und warm, in den Kesseln aus modernem Edelstahl wird das geschrotete Malz mit dem Wasser eingemaischt und auf 70° erhitzt. Durch ein Guckloch kann man das bunte Treiben unten im Sudkessel beobachten – und sieht obenauf eine nicht so hübsche Masse. Das ist Treber, wie die Rückstände des Braumalzes heißen. Die werden im nächsten Kessel geläutert – der Treber wird meist zu Viehfutter und somit ordentlich recycelt. Aber auch Bäcker wissen was mit Treber anzufangen, Treberbrot oder -brötchen gelten als Spezialität. Wobei man aus den 200 t Treber, die hier pro Tag anfallen, reichlich kleine Brötchen backen könnte. Dann eben doch Viehfutter!
Und der Sud? Der wandert weiter, heißt bei den Brauern jetzt Würze und trifft in der Würzpfanne auf den Hopfen-Mix. Nun geht’s noch ein wenig heißer zu, denn da kocht es nicht nur, jetzt werden eine Stunde lang bei Überdruck und mehr als 100 Grad dem Hopfen Harze und Öle entzogen. 18 Sude können hier pro Tag produziert werden. 30 Bierbrauer überwachen den Prozess – nebenan, im Computerraum. Mit Romantik ist da nichts, es geht um Temperaturführung, genauer Steuerung von Wasser- und anderer Rohstoffzufuhr sowie Qualitätsmanagement.
Anschließend im Gärkeller geht’s ähnlich verschlossen zu: Leitungen, Leitungen, Leitungen und 42 Gärtanks, die je 20 Meter hoch sind, von denen man aber nur den unteren Teil sieht. Immerhin ist es hier nicht mehr so warm wie oben im Sudhaus, denn die Hefe knabbert sich sieben Tage lang bei herbstlichen Temperaturen (die – prozessgesteuert! – hier mit zehn Grad immer gleich sind) durch den in der Würze gelösten Zucker und bringt den Alkohol ins Spiel. Anschließend muss das fast fertige Bier noch drei Wochen bei null Grad zum Radeberger Pilsner reifen.
Bevor das Bier nun in Flaschen oder Fässer gefüllt wird, muss es gefiltert werden – denn es ist nach der Reife noch trüb (von Hefe und Eiweiß). Bei unserem Besuch steht die Abfüllanlage, die man besichtigen hätte können, still: Wartungsarbeiten – abgefüllt wird unten, wo wir nicht lang gehen. Also schauen wir uns das im Film an und sind gar nicht mal so unglücklich, denn so eine Abfüllanlage hält sich lärmmäßig nicht zurück. Und wir sind so auch ein wenig schneller in dem Raum, der mit Bierproduktion nichts mehr zu tun hat: Treberbrötchen auf den rustikalen Holztischen und eine Zapfanlage signalisieren: es ist soweit! Es fließt klares Radeberger Pilsner – und zur Überraschung der meisten Gäste auch ein naturtrübes Kellerbier, ungefiltert. Zwickel nennen es die Radeberger, und es gibt das sehr süffige (und nahrhafte, ist ja noch alles drin!) Zwickel meist nur an drei Stellen: in der Brauerei selbst, dem Brauereiausschank Kaiserhof gleich neben der Brauerei und in Dresden im Radeberger Spezialausschank an der Brühlschen Terrasse.
Radeberger Exportbierbrauerei
Dresdner Straße 2
01454 Radeberg
Tel. +40 3528 454-0
www.radeberger.de
Brauereiführungen
Di-Sa 10 – 17.30 Uhr, Dauer c. 2 Std. –> nur nach Anmeldung
ab Nov. 2018: Fr. 18 Uhr und jeden 1. Sa im Monat 16 Uhr –> ohne Anmeldung
12 € pro Person (außer Sonderführungen) inkl. 1 € Einkaufsgutschein
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