Zweimal schon war Urban Tore Stagård zu Gast in der Weinzentrale von Jens Pietzonka. Sein dritter Besuch fand, wie so vieles in diesen Tagen, nicht leibhaftig statt, sondern virtuell: beim zweiten Tresen-Skype, zu der der Winzer aus Stein an der Donau vorab drei Weine ausgesucht und an die Teilnehmer verschickt hatte: einen 2018 Riesling Handwerk, dann eine kleine Weltpremiere in Form des 2018 Grüner Veltliner Stein und zum Abschluss den südlichsten Moselwein, den wir je im Glas hatten: 2018 Rock’n’Riesling.
Urban Stagård einen alten Schweden zu nennen, wäre in vielerlei Hinsicht nicht ganz richtig. Ja, sein Vater ist Schwede, daher der Name mit dem schönen Kringel auf dem zweiten å. Außerdem ist er nicht alt, 42 gerade mal. Aber die Geschichte des Weinguts beginnt schon 1424. „Das Stift Tegernsee ist Schuld, dass seitdem in unserem Haus Weinbau betrieben wird“, erläutert Urban Stagård die Ursprünge. 1768 hat die Familie der Mutter das Weingut vom Stift Tegernsee mit 2,5 ha abgekauft – bewirtschaftet wurden aber damals schon 90 ha. Die Geschichte des Weinguts war dann, was ja eher die Regel als die Ausnahme ist, ein ständiges Auf und Ab. Als Urban zusammen mit seiner Frau Dominique den Betrieb in zehnter Generation 2008 übernahm, war’s eher so ein Tief: 4,5 ha klein! „Was zuerst wie Pech (sooo wenig) aussah, erwies sich als Glück“, erfahren wir von Urban, der draußen in der Sonne sitzt und (endlich!) zum ersten Wein bittet: „Aber wollen wir nicht erst einmal was trinken?“
Riesling Handwerk 2018
Ja klar: einen Riesling Handwerk! In 13 am Tresen-Skype beteiligten Haushalten ploppen nicht die Korken, denn dieser Riesling hat ’nen Schrauber. Während noch alle einschenken, die Nase (tröpfchenfrei, versteht sich) ins Glas hängen, das Glas schwenken und heimlich schon mal ein Probeschlückchen nehmen, bringt Urban Stagård die Geschichte des Weinguts zum Abschluss: Nachdem er das Weingut übernommen hat, haben er und Dominique auf biologischen Weinbau umgestellt. 17 ha bewirtschaften sie jetzt, davon sieben rein händisch. „Die Fläche müsstest Du eigentlich mal zwei rechnen, weil die Stockdichte viel größer ist als bei den anderen Weingärten…“
Riesling ist Urban Stagårds große Liebe: 60 Prozent Riesling produzieren sie. „Wir sind ja jetzt alle in Stein an der Donau im schönen Kremstal„, sagt der Winzer und holt eine Lagenkarte raus: das sieht man seine Riede (auf deutsch: Lagen). Die Trauben für den Riesling Handwerk kommen aus Lagen in 300 bis 450 Meter Höhe mit drei verschiedenen Böden: Schotter, Gneis und Löss-Lehm. Geerntet wurde in der letzten Septemberwoche 2018. Die Trauben liegen mit Stilgerüst 24 Stunden auf dem Saft, werden dann gepresst und kommen in die Tanks. Hinzu gesellen sich zusätzlich zwei Prozent Rieslingbeeeren. Die zupft das Team zuvor einzeln ab. Warum das? Weil auf der Haut die Hefen sind! Bis Mitte Juni 2019 lag der Wein auf den Vollhefe, mit den Beeren – und ohne sie bis Januar 2020 auf der Feinhefe.
Und? Was ist dabei rausgekommen? „Handwerk ist ein bissl was für Fortgeschrittene“, sagt der Winzer. Und der Sommelier? Jens Pietzonka riecht Quittenaromatik, ein bisschen Honig – und ein bisschen was Reiferes, „obwohl das doch erst ein 18er ist!“ Die Reife komme vom Gerbstoff, meint Urban Stagård. Der Winzer bezeichnet den Handwerk Riesling als Basiswein – „aber auch der dürfte 5, 6, 7 Jahre halten!“ Jens Pietzonka nickt anerkennend: „Wenn das der Einstiegswein ist, kann man doch sehr sehr zufrieden sein! Er hat Fülle und Eleganz!“
Trotz des heißen Jahrgangs 2018 hat Stagård versucht, die Weine im Alkohol unten zu halten! „Wir liegen zwischen zwischen 12 und 12,8 [ Alkohol“, freut er sich – denn: „Da kann man wenigstens zwei Flaschen davon trinken! Auch weil Ihr so was leicht Austrocknendes am Gaumen habt! Ich mag das!“ Trinkanimierend sei der Wein – „das mag ich gerne – wenn er so’n Nachschmeckerter hat – da muss man gleich nachtrinken!“
Der Preis für eine Flasche 2018 Handwerk Riesling: 11,90 ab Hof.
Grüner Veltliner Stein
Der zweite Wein und auch schon der vorletzte dieser Probe: eine Weltpremiere! „Ihr seid’s die ersten, die ihn probieren dürfen!“ Also außer denen, die schon vor allen Shutdowns bei ihm waren und genascht haben. Aber so richtig und wirklich national und international kommt der 2018 Grüner Veltliner Kremstal DAC beim Tresen-Skype erstmals in die Gläser. Gefüllt wurde er im Februar, nachdem er fast eineinhalb Jahre im Keller reifte. „Im Prinzip ist er gleich gemacht wie der Handwerk, lag nur länger auf den Beeren,“ lernen wir (Preis: 14,90 € ab Hof). Er liegt, nicht nur preislich, zwischen Handwerk und seinen Lagenweinen. Ein Ortswein.
Urban Stagård nimmt einen Schluck, schlürft – und muss sich an dieser Stelle gleich mal selbst ein wenig loben: „“Ich bin ja kein Veltliner-Trinker, aber der gefällt mir selbst!“ Jens Pietzonka pflichtet ihm bei: „Eine leichte Kräutrigkeit ist da, dezente Minze und schöne gelbe Frucht: das macht Vergnügen!“ Was auffällt: dieser Grüne Veltliner schmeckt nicht so, wie man ihn gemeinhin kennt. Er ist nicht so fruchtig, kommt dezenter daher. Aber: er hat Charakter. Wie das?
„Wir sind bei spontan vergorenen Weinen. Was wir im Glas haben, ist der Veltliner-Geschmack. „Man kann Veltliner-Hefe kaufen und dazu geben, dann wird’s üppig fruchtig, viel grüner Apfel und Pefferl im Wein. Ich mach’s ohne Zugabe von gekaufter Hefe und habe den Wein, wie er im Weingarten wuchs!“ Statt der gekauften Zuchthefe kommen auch beim Grünen Veltliner Beeren mit zum Wein. Wir sprachen ja schon beim Riesling darüber, jetzt vertieft Urban Stagård das Thema noch einmal. „In der Neuzeit war ich der erste, der’s hier gemacht hat!“ Aber erfunden hat er’s nicht, ein alter Winzer brachte ihn auf die Idee. Die hätten immer Muskatellertrauben mit in den Riesling getan, berichtet der Winzer. Sie taten das aber nicht des Aromas wegen: früher® gab es ja keine zusätzlichen Hefen – aber die Spontangärung klappte besser, da die Hefe auf den Beerenschalen sitzt. „Und so gebe auch ich die Hefe aus dem Weingarten in die Tanks!“ Schon innerhalb von fünf bis sechs Stunden beginne die Gärung, Gerbstoff komme auch dazu: Nahrung für die Hefe.
„Der ist echt gut!“ sagt Urban Stagård und schenkt sich nach.
Rock’n’Riesling
Das ist der Wein zum Sound. Rock steht dabei für Felsen, Riesling für – nee, ist klar, nich? Und die Verbindung? „Man kann immer, wenn man eine Flasche leer getrunken hat, tanzen!“ Außerdem sei dieser Wein die Österreichische Antwort auf den deutschen Kabi, schwärmt Urban Stagård (17 € ab Hof pro Flasche).
Warum gibt’s den Wein? „Uns hat was Süßes gefehlt!“, sagt der Winzer mit der Riesling-Vorliebe. „Im Sommer trinken wir gerne Mosel- oder Rheingau-Kabis – am liebsten die von Andreas Barth.“ Der ist Kellermeister bei von Othegraven und im übrigen auch der Macher vom Slate der WeinFunatiker, deren einer ja Jens Pietzonka ist! „Wie macht man eigentlich Kabinett?“ haben Dominique und Urban Stagård bei Andreas Barth nachgefragt. „Er ist der Gott des Kabinetts!“ sagt Stagård, nimmt einen großen Schluck und freut sich: „Trinkig ist der, freudig! So einen Stil gibt’s in Österreich nicht!“ Also nicht offiziell, denn seit 2014 kann man ja Rock’n’Riesling vom Lesehof Stagard schlürfen.
Urban Stagård nennt die analytischen Werte: „10 Alkohol, 41 Restzucker, 9 Säure.“ Aber das sind ja nur Zahlen. Wie es gemacht wird, dass „eine schöne Alternative zum klassischen Mosel-Rheingau-Thema“ (Jens Pietzonka) im Glas ist, verrät der Winzer dann auch noch und gibt dem Tresen-Skype für eine kurze Zeit ein Upgrade zur Kabi-Akademie.
Wie also geht’s? Man braucht zuallererst einmal Trauben mit niedrigem Zucker! „In Deutschland ist der erlaubte Höchstwert 85 Grad Oechsle – sonst geht der Alkohol zu hoch.“ Also nimmt Urban Stagård die Trauben vom höchsten Weingarten an der Donauwarte, 450 Meter. Das ist der Anteil für die Säure im Wein. Weiter unten, in Mautern auf 220 Meter Höhe, wächst ein Rieslingclone , der schon im September die richtige Reife hat – und den Zucker für den Ösi-Kabi. Geerntet wurde übrigens 12. September.
Teil zwei der Kabi-Werdung erfolgt im Keller. Da muss der Gärprozess gestoppt werden – das passiert durch zweitägiges Runterkühlen auf 4 Grad. Anschließend zieht der Wein um, weg von der Hefe – und bekommt eine gehörige Portion Schwefel. „165 mg Schwefel auf 100 Liter das ist das Geheimnis“ (nun also nicht mehr). Deswegen ist der Herzenswein des überzeugten Bio-Winzers selbstredend kein Bio-Wein und wird’s auch nicht, wegen des Schwefels und weil weil so ein Kabi in Österreich gesetzlich irgendwie gar nicht vorgesehen ist.
Lesehof Stagård
Dominique A. & Urban T. Stagård
Hintere Fahrstraße 3
A – 3500 Krems/ Stein
AUSTRIA
Tel. +43 660 1917066
www.stagard.at
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Weinzentrale
Hoyerswerdaer Straße 26
01099 Dresden
Tel. +49 351 / 89966747
www.weinzentrale.com
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