Das Chateau9 ist einer Weinbar in Dresden, die zur falschen Zeit am offensichtlich zumindest derzeit nicht ganz richtigen Ort eröffnet hat. Verdient hat sie das nicht. Aber auch nach der Wiedereröffnung, die der pandemiebedingten Schließung kurz nach der Eröffnung folgte (was für ein auf und ab!), blieb es in der Weinbar in der ausgebauten alten Oberpostdirektion erstaunlich ruhig.
Und da ist man nicht ganz unschuldig dran, denn wenn man übers Internet nach aktuellen Informationen sucht, gibt’s da zwischen Nichts und Veraltetem eine Menge zu suchen und nicht zu finden. Auf der Webseite wird unter Veranstaltungen nur für Handlettering-Kurse geworben, wo der Bezug zum Kerngeschäft Wein nur schwer herzustellen ist. Wenn man abends am Laden vorbei geht, sieht der nicht nur leer aus, sondern auch eher dunkel. Ein vinophiler Freund, der mich neulich besuchte, empfand das als Einladung zum Weitergehen.
Dabei ist, wenn man es denn einmal hinein geschafft hat, das alles viel besser als vermutet. Das Chateau9, das es mit gleichem Konzept auch in Leipzig und Berlin gibt, ist groß, aber keineswegs ungemütlich. Es hätte das Zeug zu, wie man heute so sagt, einer angesagten location. Rechts Regale mit Wein für den Außer-Haus-Verkauf, links der Bar-Teil mit einer Theke, großen Sofas und kleinen runden Tischen daran – das war schon im Februar so, als wir alle Covid19 noch nicht buchstabieren konnten, aber Abstand hat ja auch was von Intimität und Diskretion. Die Weine aus dem Regal kann man, mit einem sehr freundlichen Korkgeld von nur zehn Euro, auch im Laden trinken. Ein schönes Konzept.
Auch schön sind die Themenabende, die abseits von Handlettering-Kursen angeboten werden. Jetzt gab es einen Weißweinabend mit Pfefferl & guter Laune, bei dem (für nur 49 €) sechs Weißweine probiert werden konnten, die man so nicht alle Tage im Glas hat. Weiterbildung vom feinsten war das, obendrein gepaart mit je einem Essensbegleiter für die Lerneinheit foodpairing.
Die Weinreise begann im österreichischen Burgenland mit einem 2018 Grüner Veltliner vom Weingut Markus Schuller. Das war doppelt praktisch, denn erstens hatten wir damit gleich eine Erklärung fürs Pfefferl – jener typische pfeffrig-würziger Geruch und Geschmack des Grünen Veltliners. Und zweitens war der Schullersche Veltliner trocken-trinkig und somit bestens geeignet für den Start in den Abend (der übrigens – bis auf drei Leute, die bestellt hatten, aber nicht kamen – ausverkauft war und für ein volles Haus sorgte). In Sachen foodpairing gab’s unterschiedliche Meinung: Alexander Stange, der Sommelier des Hauses fand es (natürlich, sonst hätten sie’s ja nicht so arrangiert) passend, an unserem Tisch herrschte nach Probenippen die Meinung vor, Wein einerseits und das eingelegte Gemüse (lila Karotten, Radieschen, Champignons) andererseits als Trennkost zu genießen.
In der zweiten Runde klappte das Zusammenspiel von Wein und Essen dann allerdings vorzüglich, denn der 2016 Silvaner x.t. vom Weingut Gunderloch aus Rheinhessen erwies sich in seiner Trockenheit, der feinen Mineralik und der spürbaren, aber nicht aufdringlichen Säure als ein netter Begleiter zu Quarkknödel gefüllt mit Bergkäse, Pankobrösel, Pfirsich (wobei nett keineswegs eine verklausulierte Umschreibung für das Gegenteil ist, sondern so gemeint. Und der Pfirsich kam nur im Saucenspiegel vor, hielt sich also zurück.)
Nach diesen beiden Einsteigern wurde das Trinken ambitionierter. Es gab einen 2014 Lügle Weißburgunder vom Weingut Ziereisen aus Baden, der nach der selektiven Handlese spontan vergoren wurde und 22 Monate auf der Hefe lag, bevor er 20 Monate in 600-Liter-Fässern reifte und ohne Filtration in die Flaschen kam. Und was steht drauf? Landwein. Schön komplex und standhafter Begleiter zu Rosa gebratener Tafelspitz, Meerrettichbrot.
Was der Lügle schon andeutete, setzte sich mit dem nächsten Wein fort. Es war ein White Solera vom Weingut Zillinger aus Niederösterreich. Was das ist, erklärt der Winzer (gemopst von der Webseite) so: „Der Chardonnay wurde in 500-L-Amphoren maischevergoren und dann über 10 Monate im Edelstahl ausgebaut. Die Scheurebe aus der Lage Lissen hatte eine kurze Maischegärung. Der Riesling stammt aus einem Solerasystem, das mit dem Jahrgang 2013 begonnen wurde. Der befreiteste Wein der gesamten Linie – easy drinking mit Klasse!“ Easyy drinking natürlich nur, wenn man sowas mag. Es schmeckt nämlich nicht unbedingt so, wie man es als traditioneller Weintrinker (m/w/d) erwartet – aber wenn man sich drauf einlässt, hätte man eigentlich gerne sofort ein zweites Glas davon. (Für die Mitschreiber: zum Essen gab’s Leicht geräucherter Kabeljau, Traubenconfit.)
Anschließend und tendenziell abschließend wurde es alt und älter. Zweimal Riesling, einmal von genialen Riesling-Weinmacher Urban Stagård aus dem Kremstal in Österreich, den regelmäßige STIPvisiteure ja kennen (ansonsten: hier entlang). Sein 2013 Riesling Grillenparz zeigte erwartungsgemäß Anzeichen von petrolichen Alterungsnoten. Wer das mag, jubilierte – wer nicht, musste sich an Geräucherte Entenbrust, Gelbe Beete-Chips und dabei nicht aufhören, die Chips zu loben!
Es ging durchaus noch älter. 1997 Riesling Spätlese Doosberg vom Weingut Balthazar Ress aus dem Rheingau, trocken und mit Andacht zu genießen. Natürlich Firne, aber auch noch Leben. Wieder galt: wer sowas mag, rollte ehrfürchtig die Augen. Wer nicht, konnte dem kennenden Nachbarn einen Gefallen tun (natürlich nur bei gleicher Familie, C19 und des allgemeinen Anstands wegen).
Château9 Dresden
Annenstraße 4
01067 Dresden
Tel. +49 351 30952627
www.chateau9.de
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