Wir waren für einen Tagesausflug auf Norderney und schafften es wegen eines Abfahrmissverständnisses, noch ein feines Abendessen, den Sonnenuntergang und fast den ganzen nächsten Tag lang dort zu bleiben. So viel Glück muss man erst mal haben als Tagesausflügler!
Die Insel ist rund 14 Kilometer lang und bis zu zweieinhalb Kilometer breit. Da lohnt sich ein Fahrrad – und wenn man nicht ganz so sportlich ist, sogar ein e-Bike. Denn eins gibt’s auf der Insel immer: Gegenwind. Hoch und runter geht es hingegen nur in Maßen. Die höchste Erhebung von Norderney – ach, was schreib ich: von allen ostfriesischen Inseln! – ist übrigens die 2440 cm hohe Walter-Großmann-Düne im Bereich der Weißen Düne. Wir haben sie von der nahe gelegenen 21 Meter hohen Aussichtsplattform aus gesehen und für nicht so hübsch befunden. (Auf der Karte der Peakbagger ist die Walter-Großmann-Düne übrigens 30 cm höher als in der Wikipedia…)
Wenn es nicht so hübsche Dünen gibt, gibt’s denn dann auch hübsche? Na klar! Die sanft welligen mit der typischen Grundausstattung an Gräsern und Sträuchern sieht man fast immer links und rechts der Wege – das Betreten oder gar Befahren der Dünen ist aus gutem Grund nicht erlaubt. Regelmäßig führt aber ein Weg durch die Dünen als Abstecher zum Meer, so dass man gar nicht erst vom rechten Weg abkommen muss…
Stadtnah ermöglicht die Promenade auf zwei Ebenen den perfekten Mix aus Sehen und Gesehenwerden, mit dem Meer zur einen und Architektur (nicht immer gute…) zur anderen Seite. Gastro-Stopps bieten sich auch an (wenn nicht pandemische Gründe mit entsprechenden Regeln dagegen sind): Weststrand-Bar – Marienhöhe – Milchbar – Surfcafé sind in diesem ersten Abschnitt zu nennen, später gibt’s etwas im Inselinnern von Norderney Meine Meierei und dann am Nordstrand das Cornelius, das Restaurant an der Weißen Düne sowie am Leuchtturm das Düne 13 mit dem hübschen Wahlspruch „Schnitzel oder Scholle“. Voll ist es übrigens überall, also weiterradeln in der Hoffnung auf sofortige freie Plätze ist eher ein lustiges Spiel. (Wir haben’s getan und standen letztendlich am Kiosk der Weißen Düne Schlange nach einer Cuvée weiß von Tina Pfaffmann…)
Zuvor erklommen wir noch den Aussichtspunkt, was außerhalb der Saison ein größeres Vergnügen ist als im Getümmel des Ferien- und Tagestourismus. Eine lange Rampe führt die zwanzig Meter hoch, und wem das verwunderlicher Weise zu anstrengend ist, der kann sich bei den Infotafeln am Rampenrand schlau machen über das Wattenmeer und die Dünen und all das, was man sieht und zu dem man noch Fragen hat. Sehr schön – wie natürlich auch die Aussicht von so weit oben!
Selbstredend erkennt man auch den Leuchtturm ganz gut, aber den sieht man nötigenfalls auch von unten. Immerhin ist er mit seinen knapp 60 Meter Höhe (plus etwa zehn Meter für die Düne, auf der er steht) das höchste Bauwerk der Insel. Seit dem 1. Oktober 1874 leuchtet der Turm den Schiffen den Weg – vorher war’s zwischen Borkum und Wangerooge zappenduster, so dass die Schiffe oft lieber den Umweg über die offenere See und Helgoland wählten. Die es nicht taten und Pech hatten, bereiteten den Inselbewohnern ungewollt hin und wieder eine Freude, wie wir mal auf Juist erfuhren.
Dieser Leuchtturm ist natürlich unser Zwischenziel, doch zuvor geht’s zur bereits erwähnten Weißen Düne. Die ist seit jeher ein beliebtes Ziel, weil der Strand und der Sand dort so fein sind. Aber was reimt sich auf fein? Genau: allein – und das ist man dort nie wirklich. Dafür gibt’s die Möglichkeit der Grundversorgung (tea in – tea out) im Restaurant oder am Kiosk. Wir standen am Kiosk an, wo der Liter Wasser sechs Euro kostet. Wir nahmen fürs gleiche Geld den Viertelliter der feinen Weißweincuvée von Tina Pfaffmann, Styroporbecher inklusive (Notiz an mich: demnächst die unkaputtbaren Outdoor-Weingläser nicht vergessen!). Vor den historischen Umkleidekabinen machen sich die lütjen Buddeln ebenso gut wie im Sand (Pro-Tipp: nur machen, wenn die Flaschen leer sind – Sandwein schmeckt nicht!).
Der Weg zum Leuchtturm führt verwunderlicherweise ins Inselinnere. Der Grund ist sehr pragmatisch: so musste man die Baumaterialien, die übers Watt nach Norderney gebracht wurden, nicht so weit schlepen. Die paar Meter mehr zum offenen Meer machen bei einer Reichweite des Lichtkegels von über 40 Kilometern den Kohl ja auch nicht fett. Am Leuchtturm gibt’s das Restaurant Düne 13, zu der es von hier aus auch geht. Der Name hatte bei uns Jungs Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre einen ganz besonderen Klang: Düne 13 war (und ist immer noch) FKK-Gebiet – damals im Westen Deutschlands was ganz Besonderes und Seltenes. Unsere Eltern haben uns da nie mit hingenommen 😉
Uns war auch jetzt nicht nach Baden, ob mit oder ohne was an – zu frisch war’s noch bei dem Besuch Ende Mai. Also weiter mit dem Rad, immer hübsch auf offiziellem Weg. Der führt noch etwas östlich bis etwa zur Inselmitte, biegt dann aber nördlich ab und führt an der Wattenmeerseite zurück zum Inseldorf. Zu Fuß darf man noch bis zum Westkap der Insel gehen, durchs Vogelschutzgebiet und hin zum alten Wrack mit Blick auf die Nachbarinsel Baltrum. Wie gesagt: wir haben uns das gespart – nicht, dass wir noch die letzte Fähre verpassen! (Oh, wait…)
Aber wo wir gerade bei der Nachbarinsel sind – da war doch noch was! Welcher Seemann liegt bei Nanni im Bett? Keine Ahnung, will eigentlich auch keiner wissen. Der Spruch soll als Eselsbrücke ja nur helfen, die Ostfriesischen Inseln von West nach Ost in die richtige Reihenfolge zu bringen – welche es sind, muss man dafür aber vorher schon wissen, um Wangerooge, Spiekeroog, Langeoog, Baltrum, Norderney, Juist, Borkum korrekt aufzuzählen. Allerdings besteht Verwechslungsgefahr der Inseln mit B und mit dem I statt des J muss man sich auch anfreunden. Dietmar Patron, Bürgermeister von Juist, wollte das mit dem I für seine schöne Insel nicht hinnehmen und beklagte – las ich – obendrein, dass die Leserichtung doch von links nach rechts viel besser sei. Von der politischen Korrektheit und Fragen des Datenschutzes mal ganz zu schweigen. Also stimmten Zuhörende (!) des Radiosenders ffn ab und kürten „Bei jeder Nordseeinsel buddeln lustige Seemänner Wattlöcher“ zum Merk-Sieger. Unberücksichtigt, aber im Kommentar zum Beitrag zu lesen, blieb „Bei jedem Nordwind backt Lena sich Windbeutel“ – was ich hübscher finde als Löcherbuddelei.
Der Radweg auf dem Deich ist herrlich. Zur einen Seite das Watt (und in der Ferne jede Menge Windenergiemühlen), zur anderen grünes Marschland mit Kühen und Vögeln und strukturierenden Wassergräben. Herrlich, auch wenn eine Radtour Richtung Westen gerne mit Gegenwind belohnt wird. Aber wir konnten ja bei Bedarf den kleinen Helfer Bosch hinzu schalten…
Es wird dann zunehmend städtisch – inklusive Golfplatz, Yachtclub und Fischerhafen. Der Fährhafen von Norderney erhielt sein jetziges Aussehen 2017 – da wurde im August das neue Fährterminal eingeweiht. Auf den Luftbildern von 2003 sah’s noch anders aus – noch früher, bis 1871 zum Beispiel, blieben die Fährschiffe im Norderneyer Riffgat, dem Fahrwasser nördlich der Insel, liegen und die Passagiere wurden ausgebootet. Wer mit dem Schiff nach Helgoland fuhr, konnte das bis vor gar nicht so lange Zeit immer noch erleben – was, bei entsprechendem Seegang, etliche Tagesgäste zum Kotzen fanden…
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