Wir radelten so vor uns hin und hatten gerade den Amsterdamse Bos (den Amsterdamer Wald) sowie drei moderate Regenhuschen unter sehr alten und gut belaubten Bäumen hinter uns gebracht. Nach einem Fotostopp am zum Hotel umfunktionierten alten (und renovierten) Bahnhof von Amstelveen dauerte es keine zehn Sekunden bis zum nächsten ungeplanten Halt. Dieses Mal war ein Schild der Grund zu bremsen: The WineKitchen at Sea stand da in großen Lettern, und etwas kleiner drunter: visrestaurant. Wer da nicht hält, ist selber Schuld.
Die Terrasse war noch regennass und leer, aber drinnen war jeder Tisch besetzt – bis auf einen. Der sollte unserer werden! Es war zwar schon zwei Uhr, aber was soll’s? Die Mittagskarte – eine abgespeckte Variante der Abendkarte – liest sich doppelt einladend: zum Einen würde man am liebsten gleich alles als Degustationsmenü probieren und dazu (Punkt zwei) auch alle jeweils als Begleitung empfohlenen Getränke verkosten. Aber wir haben uns dann doch für ein ganz normales Drei-Gang-Menü entschieden (als wir gingen, war es vier Uhr, und wir waren nicht die Letzten…).
Wir waren auf den Besuch nicht vorbereitet und an der sportiven unteren Skala des Dresscodes aller anderen Gäste – aber von uns darauf angesprochen meinte die unglaublich nette Bedienung nur: hier sind alle willkommen! Und selbst die teils arg aufgebrezelten anderen Gäste guckten nicht etwa schnippisch-arrogant – ihnen war unser Radler-Look schlicht egal. Uns war er auch egal, und wir starteten den Lunch mit Austern und Champagner. Vier verschiedene Austernarten sind im Angebot (Fine de Claire No.3, Irish Summer Oysters No. 2, Geay No. 3 und Gillardeau No. 4), man kann sie im üblichen Sixpack bestelen – oder, wie passend, eine Achterplate mit je zwei Austern von allen vier angebotenen Arten. Die nahmen wir und mussten vergleichend feststellen: wir mochten sie alle, aber ganz arg dolle die irischen Sommer-Austern. Der empfohlene und servierte Schampus dazu war Bruno Paillard Première Cuvée, was sich als regenvergessenmachende Kombi entpuppte.
Butter, Olivenöl und extrem leckeres (jaja, schreibt man nicht, aber sagt man doch so, oder?) Brot gab’s übrigens schon vor den Austern. Wir erfuhren im Gespräch, dass das kein eigenes Brot sei, aber das eines nahe gelegenen Bäckers – und dass zum Restaurant „nur wenige Meter entfernt“ auch ein Shop gehöre, wo man es kaufen könne. Aber natürlich nicht nr das Brot, denn wenn Köche und Gastgeber in der Pandemie etwas gelernt haben, dann doch, dass sie ihre Produkte gut auch zum Mitnehmen anbieten können.
Während wir auf unsere Light Lunch Auswahl warteten, blätterten wir ein wenig in den herumliegenden Zeitschriften und waren hocherstaunt, da etwas über „Elegante Vision-Glazen“ zu lesen. So fern der Heimat und doch so nah. Die Hauptgänge waren einmal eine klassische Fischsuppe und dann ein sicher noch klassischeres Surf & Turf. Wobei der Begriff klassisch sicher nicht ganz stimmte, denn Chefkoch Tim Arends und sein Küchenteam gehen die Dinge eher geschmackvoll kreativ an. Die Fischsuppe kommt (kennt man ja mittlerweile) erst einmal trocken an. Gamba & Lobster, Fenchel und Orange sind in der Mitte des Tellers mit einem Speisering kompakt zu einem Turm geformt, die Suppe wurde dann angegossen. Ich war schon hocherfreut, dass man es nicht eine Bouillabaisse genannt hat – denn die sollte klasssich anders zubereitet werden. Andererseits schmeckte die Suppe so kräftig-würzig, wie man es mancher Bouillabaisse wünschen würde. Als Pirat unter lauter echten provencalischen Fischsuppen hätte sie sicher eine Chance gehabt! Der empfohlene (und dazu bestellte) Wein kam übrigens aus der Provence: Miraval Côtes de Provence Rosé 2020. Für mich einer der völlig überbewerteten und gehypten Weine dieser Welt, aber wenn er doch empfohlen wird? Ich hab’s wieder nicht verstanden und hätte lieber was Kräftigeres im Glas gehabt…
Surf & Turf ist bekantlich der Begriff für Fisch und Fleisch auf einem Teller – gerne Hummer und Rinderfilet. Weil Mittag war gab’s die abgespeckte Version mit Steak Tartare und argentinischen Gambas. Dazu Brioche, Harissa Mayonnaise und Hühnerei. Wenn man die Vorliebe der Niederländer für ein brotiges Mittagessen kennt, war das schon die ganz hohe Schule, mit sehr gutem Fleisch natürlich und auch prima abgeschmeckt. Der Wein dazu war ein 2018 Hawkes Bay Chardonnay aus Neuseeland.
Das Dessert Cafe Gourmand las sich wie ein Mix von allem was nicht schlank macht, mit Kaffee oder Tee nach Wahl serviert. Unvernünftig wie wir waren, bestellten wir es. Und weil wir Mini-Crème Brûllée, Brownie, Apricot Cookie, Bonbon, Macaron, White Chocolat Mousse und Coconut & Pineapple restlos genossen, schien beim Verlassen des Hauses die Sonne…
The WineKitchen at Sea
Ouderkerkerlaan 2
1185 AB Amstelveen
Tel. +31 020-3451327
www.thewinekitchenatsea.nl
Öffnungszeiten (2021)
Mo–Fr 12—23 Uhr | Sa+So 10–23 Uhr
Besucht am 6. August 2021
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