Knapp 2.000 m2 klein ist er nur – 20 Ar, wie man unter Winzern sagt. Aber die Steillage am Julius Echter Berg in Iphofen hat’s in sich, denn da zieht beim Hinauflaufen die Geschichte an einem vorbei. Auf drei Weinbergsterrassen kann man nachvollziehen, wie die Weinbergflächen im Mittelalter, um 1800 und um 1950 ausgesehen haben. Sieben Winzerbetriebe teilen sich in die Arbeit auf dem Geschichtsweinberg – und jedes Jahr entsteht bei einem von ihnen auch ein ziemlich gemischter Fränkischer Satz aus dem Berg.
Der Weinberg ist frei zugängig, Tafeln erläutern, was man zwar sieht, aber nicht verstehen würde ohne diese Hinweise, beispielsweise, was auf den drei Weinbergsterrassen angebaut wird:
- Im Mittelalter hieß der Gemischte Satz „Huntsch“, auf der untersten Terrasse stehen Weißer Elbling, Weißer Heunisch und Weißer Räuschling in Einpfahlerziehung an 1,60 m langen Pfählen aus gespaltener Eiche.
- „Frentsch“ nannte man den Gemischten Satz um 1800. In fränkischer Kopferziehung mit drei Pfählen gibt es einen Mix aus den neun Sorten Grüner/Blauer/Roter Silvaner, Traminer, Roter/Gelber Muskateller, Vogelfränkisch, Adelfränkisch, Weißer Metling.
- An die Zeit um 1950 erinnert die oberste Terrasse mit „Gelber Silvaner“ in niedriger Drahtanlage.
Das sind die Bergwinzer, die sich alternierend in zwei Gruppen die Pflege des Weinbergs teilen:
- BioBausewein
- Weingut Ilmbacher Hof (STIPvisite)
- Weingut Thomas Mend
- Weingut Ernst Popp
- Weingut Johann Ruck
- Weingut von der Tann (STIPvisite)
- Weingut Hans Wirsching (STIPvisiten)
Oben auf dem Berg gibt es ein Weinbergshäuschen, in dem man Informationen und Bilder zur Geschichte des Weinbaus in Iphofen findet. Nicht uninteressant, aber weitaus faszinierender ist der Blick von hier oben runter in die Landschaft. Bei unserem Besuch stand unten am Fuß des Weinbergs ein Ausschank, aber das Projekt G’schichtsschöppeln von vier der sieben Bergwinzer war (leider) nicht permanent: immer Wein an dieser Stelle wäre schon eine gute Idee (allerdings sicher mehr für Touristen als für die Betreiber, die ja auch sonst ganz gut zu tun haben).
Wir haben den Geschichtsweinberg im Rahmen der Iphöfer Weinentdeckerrunde, laut Broschüre (PDF, dort S.22/23) „ein herrlicher Spaziergang von etwa 5 km zu den Weinhöhepunkten der Stadt“, erwandert. Wir haben die ein oder andere Abweichung genommen und kamen so auf etwas unter 9 km – auch gut! Auf diese Art und Weise nahmen wir sozusagen außerfahrplanmäßig einen Teil des um die Stadt führenden Herrengrabens mit, wunderbare (Foto-)Blicke in die Altstadt inklusive. Der Bürgerweiher lädt nicht zum Baden ein, aber man kann von einer Bank über den Teich in die Weinberge schauen: schön! Außerdem kommt man am Bocksbeutel PS Art Projekt vorbei, das den einen oder anderen Fotoclick lohnt.
Der (dann wieder reguläre) Weg zum Geschichtsweinberg ist als Rebsortenlehrpfad gestaltet, bei dem Schilder Informationen zu den in Franken dominierenden Rebsorten geben. Aber aufpassen: die Reben neben den Schildern sind meistens nicht die auf den Schildern! Zum Geschichtsweinberg gehört am Waldesrand auch noch eine Streuobstwiese, auf der längst in Vergessenheit geratene Obstsorten wachsen. Von dort aus führt uns, wieder vom vorgeschlagenen Weg abweichend, ein Trampelpfad hoch auf den Wanderweg durch den Wald, von dem aus man auch bei sommerlicher Hitze leicht baumgekühlt den Weg zu weiteren Höhepunkten der Schlenderwanderung fortsetzen kann (Gedenkstein mitten im Wald, weil dort (!!!) der Dichter Michael Georg Conrad seinen Heimatroman Der Herrgott am Grenzstein schrieb / Panoramaschaukel am Conradseck, auch mitten im Wald, weil es sich von da aus beschwingt in die Gegend gucken lässt / am Frankfurter Steinbruch die Vielschichtigkeit des Bodens erleben / die zwei terroir-f-Punkte Iphofen und Rödelsee, die sich wirklich lohnen).
Infos: iphofen.de/wein/weinwanderung/geschichtsweinberg.html
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