Manchmal passiert das Unerwartete – was sag ich: das Unmögliche! – einfach nur so. Beispielsweise, dass der Markus Hillabrand lacht. Das gibt’s nicht, nicht in diesem Leben. Sagt der Max Martin, und der Thomas Fröhlich (nomen es omen) lacht dazu. Der Markus kann oder will über solche Sprüche nicht lachen. Machen sich da jetzt zwei über einen Dritten lustig? Nein, tun sie nicht: sie kennen ihn nur allzu gut. Denn die drei Männer sind befreundete Winzer, jeder mit eigenem Weingut – und zusammen sind sie die Keuper-Connection.
Wir (ein Trupp Journalisten auf Weinentdeckungsreise mit dem DWI) treffen die Drei im Weinberg. Da, wo man den Keuper mit Füßen treten und ihn sehen kann. Und – das ist ja Sinn der Sache – über den Umweg des einen oder anderen Weins auch schmecken kann. Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen – wobei: manchmal kann ja Arbeit auch Vergnügen sein. Kultur und Wissen im Weinberg: so könnte man die (derzeit) 19 Orte definieren, die als terroir f touristische Anziehungspunkte in Weinfranken sind.
Die Rödelseer Röhre, wie Lokaljournalisten den 2020 eingeweihten jüngsten der magischen Orte so fein alliterierend nennen, ist ein ziemlich modernes Ding. Ob Fernrohr ins Land oder überdimensioniertes Refraktometer – oder gar überdimensioniertes Refraktometer als Fernrohr: der Punkt fällt auf in der Weinlandschaft. Zu lernen gibt’s auch was, das Thema ist Silvaner. Der wächst hier überdurchschnittlich gut (und wird daher auch auf 40 % der Fläche angebaut) und wurde ja auch nicht weit von hier in Castell erstmals gepflanzt.
Vom jüngsten zur ältesten Station der terroir f (wobei das f natürlich für Franken steht, falls noch jemand Zweifel haben sollte) ist es gar nicht so weit, so ungefähr 555 Meter – und die auch noch auf einer Höhenlinie. Selbst Schnecken kämen da bequem hin, wir also erst recht. Da stehen wir also oberhalb der ausgezeichneten Lage Julius-Echter-Berg und kommen kaum dazu, das Motto dieses terroir-f-Punktes zu verinnerlichen: „Die Ferne so weit. Der Wein so nah. Wein verbindet.“ Das Thema ist also weltweiter Weinanbau (Stelen symbolisieren, wie viel Wein welche Nation herstellt, auf dem Aussichtsturm stehen zu einigen Weinländern). Die Ferne so weit. Aber der Wein so nah. Nicht nur der Julius-Echter-Berg (is zu 60 % Hangneigung hat diese VDP-Große Lage, die knapp 50 ha groß ist). Sondern auch Thomas Fröhlich, Winzer vom Ilmbacher Hof in Iphofen.
„Alle meine Reben stehen auf Gipskeuper“, sagt er und präsentiert des Winzers Liebling: 2019 Müller-Thurgau von Alten Reben. „So schmeckt für mich ein High End Müller!“ Ausbau: Hälfte Holzfass, Hälfte Edelstahl. „Das Image vom Müller ist angestaubt“, sagt Fröhlich – aber mit entsprechendem Rebmaterial und einem engagierten Winzer kann’s was werden. Vier Mal schon war er Müller-Thurgau-Winzer des Jahres deutschlandweit, und irgendwie schmeckt man das. Nun ja, wir hatten ja auch den top-Müller und nicht den aus der Literflasche…
Die Karthäusermönche hatten den Ilmbacher Hof übrigens schon 1742 als Gutshof für die Herstellung ihres Weines erworben. 1803 kaufte die Familie Fröhlich das Anwesen, das Thomas Fröhlich nun in 6. Generation betreibt. Die 5,7 ha Rebfläche sind zu 50 % mit Silvaner, zu 15 % Müller-Thurgau und einem bunten Rest-Reben-Mix bestockt. Verarbeitet wird alles traditionell in Handarbeit.
Wir schlendern, mit Nachschub im Glas, den Weinbalkon Iphofens entlang weiter zum Geschichtsweinberg. Dort warten schon die anderen beiden Winzer der Keuper-Connection, Max Martin und Markus Hillabrand. Die drei Freunde hatten die Idee, guten Wein zu machen und den Keuper-Geschmack zu puschen. Es geht natürlich um Wein, aber auch um Fußball oder Musik. Das Leben eben. 2014/15 begann die Zusammenarbeit
Wir probieren vom Weingut Martin: 2020 Blauer Silvaner, Steinbacher Nonnenberg. Warum blau? „Das ist die Rebsorte!“ Eine natürliche Selektion vom grünen Silvaner, eine Rarität in Franken (ca. 10 ha gibt’s davon). Er schmeckt würziger, kräftiger – aber das sei kein Grund, ihn teuer zu machen: er ist in der jungen Linie des Weinguts beheimatet. Drei Linien gibt’s im 7-ha-Weingut Martin: Heimat sind die basics in der Literflasche (auch für die hauseigene Gastro). In der Herzlinie „steckt Herzblut drin, Schweiß und Tränen“. Die Weine der Keuper-Connection bilden die Premiumlinie des Weinguts.
Das Hauptaugenmerk im rund 10 ha großen Weingut Hillabrand gilt der Scheurebe. Aber natürlich gibt es auch auch Silvaner. Und Müller-Thurgau sowie den ganzen Rest. Von den steilsten Hängen kommen die Weine der Premium-Linie. Wir probierten Silvaner ist mit 14 % vol schon eine Wuchtbrumme – aber man schmeckt den nicht. Der Silvaner kommt vom Hüttenheimer Tannenberg, fränkisch-trocken ist er mit angenehmer Säure. Die 2020er Scheurebe aus dem Bullenheimer Paradies kommt von 50 Jahre alten Reben. In steiler Südwestlage, das Potential muss man nutzen. Sie reguliert sich von allein, hat lockerbeerige Träuble – nie ein Problem mit Fäulnis. Ertrag ist weniger geworden – von allein. Man muss nur noch ein wenig in die Bahnen lenken. Sie verträgt Luft, aber dann: saftig ist sie, mit Säure – und hat Eleganz. „Die Scheurebe ist mein Herzblut!“, sagt Markus Hillabrand, und wie so oft, muss man konstatieren: wenn der Winzer was besonders mag, wird das auch besonders gut.
Die drei Banner der Keuper-Connection sind je in einer dominierenden Farbe gehalten: grün – blau – gelb. Jeder Winzer hat seine, aber natürlich nicht zufällig: Das vom Hillabrand ist gelb, weil er immer das Gelbfleischige, Fruchtige im Wein hat. Das vom Fröhlich ist grün wegen seiner Vorliebe für würzig-kräftig-mineralische Weine. Und der Martin ist blau – nicht wegen des Alkoholgehalts, sondern als Symbol für die Mineralik der Weine vom roten Keuper mit Blasensandstein drin. Um das zu prüfen, müssen wir noch einen Riesling probieren: 2020 Herz Riesling vom Ziegelangerer Ölschnabel – einem steilen Südhang. Riesling hat man ja nicht so oft in der Gegend. Früher gab’s Probleme, weil er nicht reif wurde – und heute, weil er zu viel Alkohol bringt. Dagegen hilft, ihn halbtrocken auszubauen. Mit „um die 12 g Restzucker“ und 11,5 %vol Alkohol hat der durch die Mineralität ganz wunderbaren Trinkfluss. So geht Nachmittagswein!
Keine fünf Weine später müssen wir schon wieder laufen, dieses Mal ungefähr 777 Meter. Links keupert es schon ganz schön im Berg, nach rechts blickend gibt die flurbereinigte Landschaft das Postkartenmotiv. Das Ziel sind die Schichtstufen am Schwanberg, die 2007 in die Bestenliste der 100 schönsten Geotope Bayerns aufgenommen wurden und ganz unabhängig davon reizen, Hintergrund für neckische Fotos zu sein. Im Bild versucht sich der Pressesprecher des DWI, Ernst Büscher, als lässige Stütze des Keupers.
Neuer Ort, neuer Wein – so viel Zeit muss sein: Thomas Fröhlich hat 2018 Silvaner Alte Reben in der Flasche, auf der eine alte Flurkarte von 1865 den Bezug zum Wein schafft. Iphöfer Kalb ist die andere Große Lage hier, dort stehen die Reben. „Es sind meine wertvollsten Reben“, sagt Fröhlich. Niedrigste Erträge, aber sie sind tief im Gipskeuper drin und tanken die Mineralik. Der Wein ist schön kräftig, daher vielleicht nicht jedermanns Sache – aber er mag das.
Nun aber hören wir endlich was zur Keuper-Connection, und hier kommt die Firma Knauf ins Spiel. Die haben hier Bayerns größtes Bergwerk und bauen im Hüttenheimer Tannenberg Anhydrid ab, um Estriche draus zu machen. Wer aufmerksam gelesen hat: Der Silvaner von Markus Hillabrand kam aus der Lage Hüttenheimer Tannenberg! Unterm Wein wird also bergwerklich gearbeitet, seit 2017 aber auch weinwirtschaftlich: Die drei Winzer der Keuper-Connection dürfen da nämlich mit Sondergenehmigung rein ins Bergwerk. Dort gibt es konstantes Klima mit 14 °C und 80 % Luftfeuchtigkeit: ein natürlicher Klimakühlschrank. Jeder der drei hat 2017 seinen besten Silvaner in je ein eigenes 500-Liter-Fass gebracht. UNd siehe da: „Das kleine Quantum an Stollenklima, das in die Fässer zieht, das macht’s!“, erklärt Thomas Fröhlich. Die Stoffigkeit! Der Druck! Wir probierten seinen 2018 Silvaner Stollenwein und konnten es mit dem normalen gutseigenen Silvaner vergleichen – es war ja alles identisch bis auf die Örtlichkeit der Reife. Das Ergebnis: der Wein aus dem Stollen ist eine ganz andere Baustelle. Mehr Schmelz! Stoffiger, kräftiger. Unfiltriert ist er natürlich – der Geschmack soll ja bleiben.
329 Tage lag der Stollenwein (von dem es 500 Flaschen gab) unter Tage. Aber da geht noch mehr, in vielerlei Hinsicht. Weil Zeit im Stollen dem Wein gut tut, haben die Keuper-Jungs am 11. Dezember 2018 jeder ein weiteres Fass dort reingestellt und es 1.000 Tage drin gelassen. Die tausend Tage waren kurz nach unserem Besuch Anfang September um, der Wein ist mittlerweile also raus aus dem Stollen. Aber er wird nicht einfach nur so abgefüllt, sondern vorher cuvetiert – es wird ein echter Keuper-Connection-Wein. „Da kommt was Großes bei raus!“ verspricht Fröhlich. Ende November soll er auf dem Markt sein – für 25 €, wie auch die anderen Stollenweine.
Und geht da etwa noch mehr? Na klar! Damen und Herren: Der Amphorenwein. Der Grundgedanke der Gruppe ist ja, die Mineralität vom Keuper immer ein wenig mehr in den Wein zu bringen. Da dachten sie sich: die Lagerung im Stollen plus Maischegärung wäre ja schon eine gute Idee, aber warum nicht gleich ein Amphorenwein? Zusammen mit der Forschungsanstalt für Weinbau (LWG) in Veitshöchheim haben sie die Idee in die Tat umgesetzt. Dort gab es eine 900-l-Amphore original aus Georgien (Qvevri), von Hand geformt aus Ton und mit Bienenwachs ausgestrichen. Beim Einbuddeln in die Marani mussten sie helfen – die erste von einer Reihe ganz neuer Erfahrungen.
In der Amphore: Silvaner Jahrgang 2018. Das war ein guter Jahrgang, denn das Lesematerial muss gesund sein. Früh gelesen haben die drei Winzer und ihre Trauben hingebracht: kugelgelbe reife Silvanertrauben waren es, die sie abgebeert und selektiert haben. Die Rappen – die Stilgerüste – haben sie in der Sonne oxidieren lassen. „Wir wollten nicht die grasgrünen Gerbstoffe drin haben!“, berichtet Max Martin. Danach kamen sie natürlich mit zur Maische und ab in die Amphore – Tradition!
„Wir drei haben dann noch einen Gruß zum Herrgott gemacht – und es hat auch ganz gut geklappt“, freut sich Max Martin. Die Gärung setzte bald ein und verlief dann schnell und heftig: innerhalb einer Woche war der Wein durchgegoren. Nach der Gärung wurde die Amphore mit übrig gebliebenen Trauben aufgefüllt und dann bis Februar stehen gelassen. Im März dann die Überraschung. „Wir machten den Deckel auf und sahen braune Maische.“, erzählt Thomas Fröhlich. Bäh. Aber direkt drunter: „Blitzesauberer Wein!“ Gut so. Im Sommer haben sie den dann rausgeholt, und zwar nur das Herzstück. Die Maische haben sie nicht genutzt (anders als in Georgien, dort entsteht daraus der Schnaps Tschatscha…)
600 Liter haben sie aus der Amphore gezogen, unfiltriert und ohne Schwefel kam er auf die Flasche. „Alles, was wir in der Ausbildung gelernt haben, haben wir nicht gemacht!“ Und sie haben es gut nicht gemacht. Vinum beispielsweise schrieb: Einer der besten Orange-Weine Deutschlands.
Keuper Connection
www.keuper-connection.de
Die Weinmacher
Thomas Fröhlich – Weingut Ilmbacher Hof – Iphofen
www.ilmbacher-hof.de
Max Martin – Weingut Martin – Ziegelanger
www.weingut-max-martin.de
Markus Hillabrand – Weingut Hillabrand – Hüttenheim
www.weingut-hillabrand.de
Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).
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