Es ist nicht Unvernunft, dass die Radfahrenden (hier an der Ampel an der Berlagebrug über die Amstel im Osten der Stadt) alle helmlos unterwegs sind. Es ist Vernunft. Die der Menschen, die mit dem Auto unterwegs sind: sie respektieren die auf dem Fahrrad, es gibt ein gedeihliches Miteinander. Wahrscheinlich, weil die im Auto oft genug auch die auf dem Rad sind. Und natürlich tut die Stadt (die Gemeinde, wer auch immer zuständig ist) auch was für ein gedeihliches Miteinander. Radwege überall, Parkhäuser für Fahrräder. Und ein ausgeklügeltes Wegenetz-System.
Wir hatten, als gute Deutsche mit den einschlägigen Erfahrungen aus Stadt und Land, natürlich den Helm mit im Gepäck bei der Reise in die Niederlande und hatten den anfangs auch genutzt. Das war auf dem Land, an der Küste – und da waren wir nicht allein behelmt. Quasi alle Rennfahrer hatten einen auf, und von denen gab es eine Menge! So weit, so gut, so richtig. Die nicht so Schnellen – zu denen wir uns eindeutig zählen! – kamen alle ohne Helm aus, denn auch auf dem Land gibt es erstens ein nahezu geschlossenes eigenes Radwegenetz und zweitens rücksichtsvolle Autofahrer, von frisch eingereisten Touristen ohne Hollandradgefühl vielleicht mal abgesehen.
Wir waren in und um Noordwijk unterwegs und fanden dort vier Wegenetze vor: Straßen für Autos, Fahrradwege (teils asphaltiert, mit Mittelstreifen für Hin- und Rückfahrende), Wanderwege (Naturboden, je nach Umgebung) und spezielle Wege für Pferde. Übertrieben? Nein, chic: Alle haben ja unterschiedliche Geschwindigkeiten und Bedürfnisse. Biertje und Bollen am Abend geht dann natürlich wieder gemeinsam! An Kreuzungen gibt es dann immer wieder Hinweise auf knooppunte – die bilden ein sehr hübsches Tourensystem, bei dem man sich von Kreuzungspunkt zu Kreuzungspunkt bewegt und so auch ganz ohne GPS und aufwändige Karten bestens orientiert durchs Land kommt.
In Amsterdam selbst gibt es keine knooppunte – lohnt sich nicht, weil es zu viele Kreuzungen gibt und man diese eh bestens mit dem Rad auf breiten Radwegen erreichen kann. Dafür gibt es, zum Beispiel am Bahnhof Centraal, einen riesigen Fahrradparkplatz. Dort können 2.100 Räder abgestellt werden. Kostenlos. Ähnliche Angebote fanden wir auch in anderen Städten wie Haarlem oder Leiden, oft verbunden mit Pflege- und Reparaturservice.
Ein sehr deutsches Phänomen ist ja, dass Radwege gerne mal sehr plötzlich enden. Also nicht spontan, weil besorgte Eltern keinen Parkplatz fanden, um ihre Kinder zum Ballettunterricht bringen zu können und daher den für ihr SUV eigentlich viel zu kleinen Radweg für den vorübergehenden Halt zu Hilfe nahmen. Nein, gemeint sind die geplanten Enden, weil – keine Ahnung warum. Jedenfalls ist dann end of Radweg und man kann sehen, ob man lieber auf die Straße möchte oder verbotenerweise auf den Gehweg. Wir sahen bei unseren Touren in den Amsterdamer Vororten viele fietsstraaten. In diesen Fahrradstraßen sind Autos zu Gast und der motorisierte Verkehr darf maximal 30 Kilometer pro Stunde fahren. Eine Fahrradstraße ist eine Straße, die als Fahrradweg konzipiert ist; Autos sind hier erlaubt, aber sie sind Gäste. Aber auch ohne fietsstraat zu sein, kann eine Anwohnerstraße den Autofahrern sehr deutlich signalisieren, dass Fahrräder hier mehr als willkommen sind: wenn die Straße mal enger wird, bleiben die beiden Radwege gleich breit, aber der Streifen für Autos wird schmaler. Sehr schmal.
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