Weine mit Ein-, Aus- und Weitblick

Herr Lehmann beim Wein&fein

„Ich bin der Alde Gott!“ stellt sich der Mann mit dem weißen Hemd vor – aber irgendwie hat man sich den ja ganz anders vorgestellt. Das wahre Leben bestätigt einen dann natürlich auch schnell, denn eigentlich schüttelt uns gerade Herr Lehmann die Hand – und bevor wir jetzt zu Sven Regener abdriften, verraten wir schnell noch den Vornamen, denn es ist nicht Frank, sondern Günter Lehmann. Der ist aus dem Weinschwarzwald nach Radebeul angereist, um dort einen Sekt und diverse Weine der Alde Gott Winzer (wo er Geschäftsführender Vorstand ist) aus Sasbachwalden vorzustellen. „Wein auf der Hauptstraße“ heißt das Konzept der Reihe, die der jüngst zum Gerolsteiner WeinPlace gekürte Matthias Gräfe mit dem Team vom Wein & fein in mediterraner Art vor Ladengeschäft und Bistro unter freiem Himmel anbietet.

An langer Tafel und unkompliziert auf eng gestellten Klappstühlen (immerhin: mit Kissen!) war die Stimmung dann auch schnell sehr locker. Ob’s am Sekt zur Begrüßung lag? Es gab eine Cuvée aus Spätburgunder, Schwarzriesling und Chardonnay – also die klassische Champagner-Cuvée. Der im Jahr 2017 geerntete Wein kam 2018 kam er auf die Flasche, nach fünf Jahren Hefelager wurde er im Februar degorgiert: was Gescheites mit schöner Reife zum Anfang!

Aber vielleicht lag’s ja auch an der locker-flockigen Art, mit der Herr Lehmann, der sich recht schnell dem allgemeinen Geduze unter den Gästen anschloss und der Günter wurde, die Infos zur Genossenschaft und den Weinen vortrug. Also lernten alle was über die Qualitätspyramide des Alde Gott. Die ist übersichtlich und nennt sich einfach Einblick – Ausblick – Weitblick. Der Sekt zur Begrüßung kam aus dem Premiumsegment, aber auch Weitblick muss nicht die Welt kosten: 19 €

Der Alde Gott bei Wein&feinDa Abende im Wein&fein auch immer Bildungserlebnisse sind, gab es mit der Vorstellung der Gäste (neben Günter Lehmann noch seine Frau Veronika, die ebenfalls in der Genossenschaft arbeitet und kräftig beim Füllen der Gläser half) auch noch eine Kurze Einführung zum Alde Gott. Sylke Scholz, Restaurantleiterin im Wein&fein, schuf so eine solide Wissensgrundlage zum Anbaugebiet Baden im Allgemeinen und zur Ortenau im Besonderen.

Die praktische Anwendung des Theorieteils zeigte die Bandbreite der Weine. Und die beiden Einblicke bewiesen, dass Einfaches durchaus passen kann. Der 2022 RR Rivaner & Riesling trocken ist eine sommerliche Cuvée, die die Vorteile der beiden Rebsorten zur Geltung bringt: die Frucht des Rivaner trifft auf die Spritzigkeit vom Riesling. Und natürlich lernen wir ganz nebenbei, dass Rivaner nur ein Synonym für Müller-Thurgau ist. Der Herr Müller war nämlich der Meinung, dass er Riesling mit Silvaner gekreuzt hatte. Wahrscheinlich hat er aber für einen Wissenschaftler unverhältnismäßig viel probiert dabei, denn eigentlich ist’s eine Mischung aus dem edlen Riesling und der Tafeltraube Madeleine Royal, aber RiMaR sagt kein Mensch… Wie der danach verkostete (ähm: es waren deutlich keine Probierschlucke, sondern gut eingeschenkte Gläser!) Grauburgunder perfekte Sommerweine, nicht nur auf der Terrasse zu genießen…

Zum Betrieb: „Wir sind ein großer Familienbetrieb“ – aus vielen Winzerfamilien. Ob gute Weine oder schlechte Weine, meint Günther Lehmann, sei keine Frage der Unternehmensform. Auch ein Weingut könne schlechte Weine machen, trotz des „gut“ im Namen… „Bei uns darf nicht jeder machen, was er will“, ein Qualitätsmanager geht durch die Weinberge und sieht sich die Lese an. Und Vorteile biete so eine Genossenschaft auch – nicht nur, weil man sich Maschinen, Kellertechnik und menschliches Know-How teilt: Hagel beispielsweise treffe ja meist nicht alle – und wenn es nur einige trifft, „trägt es die ganze Familie mit und wir können es ausgleichen!“

Prost!Mit einem 2022 Ausblick Riesling trocken ging der Start in die mittlere Qualitätslinie. Die Rebanlagen sind da schon älter, Erträge mehr reduziert als beim Einblick. Riesling aus Baden? Wird ja nicht so arg häufig hierzulande getrunken. Aber: Es lohnt sich. Weniger Säure als die klassischen Rheingauer, aber durchaus mit Trinkfluss. Ein Sekt und sieben Weine waren vorgesehen, aber „zwei Kerl‘ an dieser Tafel mögen einen ganz speziellen Riesling. 2021 Granit Riesling trocken (Weitblick) wächst nicht nur auf Granit, sondern er wurde auch im Fass aus Granit ausgebaut. Ein spannender Versuch, der nicht auf Anhieb das gewünschte Ergebnis brachte. Aber gewiefte Kellermeister wissen ja an Stellschrauben zu drehen: es reichte nicht, den Wein nur ins Fass zu legen – er muss auch darin vergären. Spontan vergoren (ohne Hefezugabe) wurde ein Schuh draus, seitdem gibt es jährlich 1.500 Flaschen davon.

2022 Ausblick Sauvignon Blanc trocken – das riecht man sofort! Und man schmeckt es. Die Trauben werden führ geerntet, wenn es drauen kühl ist. Es gibt eine eigene Presse, mit Kühlmantel drumrum, um die Trauben auf 5 °C runter zu kühlen. Trockeneis verhindert, dass es wärmer wird. 72 Stunden auf der Maische sorgen dafür, dass die Aromatik aus den Schalen in den Saft zieht. Seit 2003 ist der Sauvignon Blanc im Programm, auch mit Anlaufschwierigkeiten, wie Lehmann zugab, aber: von Jahr zu Jahr wurde er besser, „und inzwischen kann man den ganz gut trinken!“ 2020 Ausblick Gewürztraminer trocken, komplett trocken (und zum Teil im Holz) ausgebaut. Aroma riecht man (Rosen!), aber am Gaumen viel Fülle und keine Marmelade. Als Vorbild gibt’s den Nussbaum von der Kellerei Tramin in Südtirol.

Spätburgunder  ist die Hautrebsorte beim Alde Gott, über 50 % der Fläche sind damit bestockt. Die Roten werden immer maischevergoren, der 2020 Ausblick ALTE REBEN Spätburgunder Rotwein trocken lag acht Tage auf der Maische – das bringt Farbe und Tannin. Alle Rotweine reifen im Holz, im Einsatz sind große Fässer wie auch die kleinen Barriques. Die Alten Reben kommen mit nicht wenig Alkohol daher: 15%! Aber „der schmeckt wie 13“, meinten die Fachleute – und offenbar wollen die Kunden im Schwarzwald das auch genau so: „12,5% finden unsere Kunden zu wenig“, hören wir, „wenn Rotwein, dann soll er kräftig-füllig sein!“

Auch der 2020 Weitblick Spätburgunder trocken zeigt eine stolze 15 vor dem Alkoholgehalt – der Abschlusswein, der aber dennoch kein Abschusswein ist. Die Reben sind noch älter, die Erträge noch deutlicher reduziert. Vergoren im Holzfass: als Traube bei der Gärung schon 3 Wochen, kurz im Edelstahl beim Pressen und dann 26 Monate in Barriques (225 l Eichenfässer) gereift. Das Holz ist bestens eingebunden nach dieser Zeit.

Übersicht der probierten Weine:

  • 2017 Weitblick Cuvée Sekt
  • 2022 RR Rivaner & Riesling trocken (Einblick)
  • 2022 Einblick Grauburgunder trocken
  • 2022 Ausblick Riesling trocken
  • 2021 Granit Riesling trocken (Weitblick)
  • 2022 Ausblick Sauvignon Blanc trocken
  • 2020 Ausblick Gewürztraminer trocken
  • 2020 Ausblick ALTE REBEN Spätburgunder Rotwein trocken
  • 2020 Weitblick Spätburgunder trocken

Abendbrot…und dazu gab’s hier bislang unerwähnt, natürlich das berühmte Wein&fein-Abendbrot: unkompliziert, aber lecker – mit Brot von Elias Boulanger, Salaten, Aufstrichen, Schinken, Quiches und später (als die Kamera schon nach mehr Licht rief und es nicht bekam) zum Rotwein noch Käse.

Die nächste Veranstaltung Wein auf der Hauptstraße ist bereits terminiert: am 11. August kommt das Weingut Siegmund und Klingbeil (Saale-Unstrut) vorbei. Und den Alde Gott kann man – nach Jahren des durch die Pandemie bedingten Ausfalls der Messe – bei der BW Classics am 4. und 5. November in Dresden erleben.

Alde Gott Winzer
Talstraße 2
77887 Sasbachwalden

Tel. +49 7841 2029 0
www.aldegott.de

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Gräfe‘s Wein & fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul

Tel. +49 351 / 8365540
graefes-weinundfein.de

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