Ausgezeichnete Orte. Und guter Wein…

15 Jahre Great Wine Capital Mainz | Rheinhessen

Mainz

Da kann das Hotel in Mainz noch so sehr auf jung und stylish machen, der Mann an der Rezeption einen mit einem „Hallo, warst Du schon mal hier?“ begrüßen und auch sonst sehr locker sein – wenn auf der Ablage des Zimmers eine Begrüßungskarte liegt, steht dort Gude! drauf. Das ist ein allumfängliches Wort und universell einsetzbar. Nur: außer auf der Karte hab‘ ich’s nicht gehört und nur noch einmal gelesen (zur Verwirrung der Fremden dort mit Doppel-u: Guude). Da sind die wortkargen Ostfriesen mit ihrem Moin konsequenter. Dafür haben sie aber gar nicht, was Mainz ganz dolle hat: Wein. Und Menschen, die sich damit beschäftigen (damit sind ausdrücklich nicht die gemeint, die ihn trinken – dann wären es ja noch mehr).

Bernd KernWer Mainz nicht direkt mit Wein assoziiert, ist vielleicht Ostfriese (wie der Autor hier, ts ts ts) oder hat nicht realisiert, dass die Stadt Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz ist – einem Bundesland mit sechs (von 13 möglichen…) Anbaugebieten. Und obendrein ist Mainz natürlich auch Teil des größten deutschen Weinanbaugebiets Rheinhessen: aus ungefähr 27.000 ha holen die Winzer (m/w/d) von 2.100 Betrieben rund 2,5 Mio. Hektoliter Weinmost (Schnitt der vergangenen zehn Jahre), wie der Geschäftsführer von Rheinhessenwein, Bernd Kern, zu berichten weiß. Dass selbst trinkfreudige Rheinhessen und der mit nicht so viel Hektar ausgestattete Rest Deutschlands das allein nicht trinken kann, wo doch im nächsten Jahr Nachschub des natürlich nachwachsenden Rohstoffs kommt, ist klar:  „20 Prozent des Weines gehen in den Export“, erkäutert Kern und nennt beispielsweise die USA (Spitze beim Umsatz) und Skandinavien (Topp-Erlöse).

SektkelchBernd Kern erzählt dies und andere wissenswerte Dinge bei einer Schale Sekt an einem Ort, der ehedem mal eine Weinbar war und jetzt Ausgangspunkt für Weintouren. Ob früher oder jetzt – verbunden waren und sind die Aktivitäten mit dem Namen Paul-Erik Koop, der Pauls Weinbar (Hurra – ohne Deppenapostroph!) seit Mai diesen Jahres zur Eventlocation umgemodelt hat und statt dessen als Mainzguide Wein mit Wissen verbindet. Bei einer Stadtführung mit Wein verknüpft er dann die Geschichte der Stadt mit regionalen Weinen – das ist also keine trockene Angelegenheit. Warum er den Sekt (ein Riesling Brut von Braunewell) in diesen altmodischen Selktschalen ausschenkt, hätte ich Paul schon gerne gefragt – aber der war am Treff-Termin leider krank. So blieb die Spekulation: wird wohl ironisch-retro gemeint sein, denn die feine Perlage macht sich in so Schalen ja schnell aus dem Sekt. Wobei: stylish sieht’s ja aus…

Spekulieren lässt sich’s nicht gut allein, weswegen ja irgendwann mal gesagt sein muss, warum es Winzersekt beim Paul gab und Bernd Kern dort als wissender Informant parat stand. Ganz einfach: es galt ein Jubiläum zu feiern. Seit 15 Jahren sind die Landeshauptstadt Mainz und die Region Rheinhessen exklusives deutsches Mitglied im internationalen Netzwerk der Great Wine Capitals. Ziel des 1999 von der Handelskammer Bordeaux gegründeten Netzwerks ist es, Reisen, Bildung und Wirtschaftskontakte zwischen den renommierten Weinmetropolen der Mitglieder zu fördern – aber eben auch die Weinafficonados der Region miteinander zu verbandeln. Es gab hier auf den STIPvisiten ja schon mal einen Beitrag mit Podcast dazu.

Sabrina Kirchner | Elke HölleinDas networking in der Region findet auf vielerlei Arten statt. Weil ein Fokus der Great Wine Capitals aufs Sichtbarmachen von weintouristischen Angeboten liegt, gibt es jährlich die Best Of Wine Tourism Awards in zahlreichen Kategorien. Einige dieser im doppelten Wortsinn ausgezeichneten Betriebe sollten wir auf einer Pressereise kennen lernen, zu der die GWC Geschäftsstelle Mainz | Rheinhessen eingeladen hatte. Zwischen Start beim Paul und Ende in den tiefen Kellern der alten Sektkellerei Kupferberg hatten Elke Höllein und Sabrina Kirchner („Amt 10.05 – Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll“) einen bunten Mix von weinnahen und weinaffinen Destinationen ausgesucht und so unauffällig die Vielfal der Möglichkeiten aufgezeigt – Ämter machen ja selbst nix, es sind die Menschen, die da arbeiten!

Mitglieder GWC | Klicken öffnet mehr

ADELAIDE | South Australien
BILBAO – RIOJA | Spanien
BORDEAUX | Frankreich
CAPE TOWN – CAPE WINELANDS | Südafrika
HAWKE´S BAY | Neuseeland
LAUSANNE | Schweiz
MAINZ – RHEINHESSEN | Deutsch
MENDOZA | Argentinien
PORTO | Portugal
SAN FRANCISCO – NAPA VALLEY | USA
VALPARAISO – CASABLANCA VALLEY | Chile
VERONA | Italien

greatwinecapitals.com
mainz.de/weinerlebnis
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Im Oldtimer unterwegs | Klicken öffnet mehr

OldtimerMein Name ist Guido Kelders und ich sammle Oldtimer-Busse„, stellt sich der Mann hinterm Lenkrad vor. Er fährt einen Setra S 8 – und wer bei der Anfahrt des Busses dachte, dass das „K“ auf dem Kühler für Kelders steht, der wurde eines besseren belehrt: das ist das Initial von Kässbohrer. Die Firma hat 1893 schon große Kutschen gebaut und nach der Motorisierung einfach weitergemacht – aufbauend auf Fahrgestellen von bekannten Herstellern. Wir steigen in den Setra S8 ein – wobei der Markenname Setra eine nicht leicht erschließbare Abkürzung ist – aber wir haben ja einen Erklärbar an Bord: „Der erste in Serie gebaute selbsttragende Omnibus der Welt ist der Setra S8 – Setra wie selbsttragend!“, weiß Guido Kelders. 1951 wurde der Bus vorgestellt, wir sitzen in einem Exemplar aus dem Jahr 1953.

Die Bestuhlung ist eine Mischung aus Original und Neu: die echten Sitze wurden neu bezgen und anders angeordnet. S8 steht eigentlich für 8 Reihen, nun gibt es 26 Sitzplätze in Clubausstattung mit Sitzen in Vierer-Gruppen mit Tisch und Tischlämpchen sowie eine Konferenzecke im Fond (wo es ganz schön schaukelt auf etwas ursprünglicheren Dorfstraßen). Und ein Kühlschrank war 1953 auch nicht vorgesehen, ist eber jetzt eher praktisch – zumal es natürlich auch keine Klimaanlage gibt: zur Lüftung sind Dachluken vorgesehen, außerdem kann man einige Fenster aufschieben. Alles sehr urig und beschaulich.

Unser Ziel ist das Weingut Thörle (das bekommt aber einen eigenen Beitrag). Dort ausgestiegen, posiert Guido Kelders auf meinen Wunsch an seinem Bus – und sagt: „In alten Filmen und auf noch älteren Fotos stehen die Trucker immer so schräg vor der Tür an der Karosserie, und immer haben sie die Füße über Kreuz. Sagt’s und nimmt exakt diese Pose ein…

nostalgiebusfahrten.de

rheingrün hofgarten | Klicken öffnet mehr

rheingrünNach Westhofen kommen viele Weinenthusiasten, weil sie die Weine von Wittmann kennen. Aber erstens gibt’s (in Rheinhessen kein Wunder) noch andere Winzer*innen und zweitens Orte, an denen man gegebenenfalls achtlos vorüberschlendert. Allenfalls bleibt man draußen vor dem Tor an einem Schild stehen, das als Tafel 8 des Freischärlerrundwegs an die Märzrevolution vor 175 Jahren und die Zeit davor erinnert. Das „Haus uf’m Saal“ war seit 1699 Gasthaus und Tanzlokal mit Schildgerechtigkeit – also der höchstamtlichen Genemigung, eine Übernachtungsherberge und dem Angebot warmer Speisen zu sein. „Seit 1832 Versammlungsort der liberal gesinnten „Hambacher“ und Keimzelle freiheitlicher Umtriebe und Demonstrationen, die Westhofen den Ruf eines «politisch unruhigen Dorfes» einbrachte„, steht da links neben dem Hoftor. Wir gehen da durch, Gesamtgesinnung der Gruppe: unbekannt. Und im Hof des “rheingrün hofgarten – Hortus Conclusus“ findet das Revolutionäre auch ganz anders statt als so ein Schild vermuten lässt.

Hof und der Garten der Künstlerin Iris Leonhardt und ihres Partners Jürgen Süß sind ein Refugium für Kulturgenuss mit allen Sinnen. rheingrün hofgarten erhielt den nationalen und internationalen Best Of Wine Tourism Award in der Kategorie Architektur und Landschaft für 2023 – weil die beiden Protagonisten es schaffen, eine „nachhaltige Verbindung zur Region Rheinhessen, zu den Menschen und dem Wein vor Ort zu schaffen, Horizonte zu erweitern und die Sinne im zauberhaften Garten zu schärfen.“ Das ist natürlich Preisverleiher-Poesie, aber doch sehr hilfreich – denn vor Ort ist man ja erst einmal sprachlos und platt vor so viel Ruhe und Schönheit. Und dabei hat der Garten im August es wahrlich schwer, denn die Frühlingsblüte ist vorbei und die Herbstschönheiten lassen noch auf sich warten. Aber man ahnt und spürt, wie bunt das Leben im von außen nicht sichtbaren Hof sein kann.

Natürlich ist die beste Zeit für einen Besuch des Hofgartens von Anfang Mai bis Mitte Juni, wenn alles in voller Blüte steht. In dieser Zeit bietet der Garten eine Vielzahl von Veranstaltungen, bei denen Einheimische und Reisende zusammenkommen können. Von Konzerten, Ausstellungen und Lesungen bis hin zu kulinarischen Genüssen und Weinverkostungen können sich Gruppen im Voraus anmelden, um einen entspannten Tag abseits des Alltags zu verbringen. Wobei nicht nur am rande angemerkt werden muss, dass Iris Leonhardt und Jürgen Süß neben der Kulisse für Kunst, Kultur und menschliche Beziehungen auch noch ein äußerst geschicktes Händchen für angenehme Snacks haben…

rheingruen.blogspot.com

GUT LEBEN am Morstein | Klicken öffnet mehr

Die Frage, wo man denn gut und vielleicht mal was anderes als die allüberall präsenten PizzaDönerKebab essen kann, ist auf dem Land nicht immer leicht zu beantworten. Da kann man in Westhofen mehr Glück haben, denn mit Stefan Spies hat sich jemand gefunden, der verückt genug war/ist, das Abenteuer gehobene Gastronomie plus passende Hotellerie anzugehen. Und als ob das schon für sich genommen nicht komplex und schwierig genug wäre, hat er die Wahnsinnsidee gehabt, das alles in einem denkmalgeschützten und zu sanierenden Haus zu machen.

Stefan SpiesDie spinnen, die Römer heißt das Motto bei Asterix – aber vielleicht braucht es ja solche positiv gestimmten Spinner, die sich engagieren. Wie immer sie den Spagat schaffen, zwischen dem Hauptjob (irgendwo muss das Geld zum Verbrennen ja herkommen) und der Leidenschaft, zwischen Genervtsein und freundlich nicht nur gucken, sondern auch sein: Stefan Spies scheint so ein Getriebener zu sein. Als unser kleiner Journalistentrupp angemeldet war, gab es im GUT LEBEN am Morstein eigentlich einen spanischen Abend – einen von vielen (sicher kein Zufall: seine Frau Mirella ist Spanierin). Wir saßen im großen Garten etwas abseits, aber in Hörweite zur wunderbaren Gitarre – und Stefan Spies fand trotz des Ankunftsrummels der Gäste Zeit, uns das Haus zu zeigen. Lächelnd, informativ, ruhig. Respekt!

GUT LEBEN MenüStefan Spies hatte das Anwesen zwar nicht mit Mann und Maus, aber doch mit Möbeln und Tand übernommen. Fast alles fand später seinen Platz, so dass von der Treppe bis zum Seminarraum und dem kleinen Erker alles eine ganz eigene Atmosphäre ausstrahlt. Das Alte kontrastiert aufs angenehmste mit der Küche: die ist nämlich modern und leicht. Wir genossen am lauen Sommerabend das Schlösschen-Menü von der Karte (für die Neugierigen: das Menü hatte als Hauptkomponenten Thunfisch Tatar, Kalbsrückensteak mit Pfifferlingen und warmer Schokoladen-Flan) respektive in der vegetarischen Variante das Morstein-Menü und hatten dazu das Vergnügen, eine Winzerin vom Ort kennen zu lernen: Katharina Wechsler stellte zu jedem Gang einen Wein ihrer Kollektion vor (und auch dieses Weingut ist einen eigenen Beitrag wert).

Das GUT LEBEN am Morstein wurde übrigens mehrfach mit dem Best Of Wine Tourism-Award ausgezeichnet: 2019 für “Weingastronomie” (national und international) und „Kunst & Kultur“ sowie 2022 in der Kategorie „Architektur, Parks & Gärten“.

am-morstein.de

Weinmarkt | Klicken öffnet mehr

WeinmarktMainz und Wein – das ist eine innige Verbindung. Es gibt ein Weingut der Stadt Mainz, das die Winzerfamilie Fleischer („Weinbau seit 1742“) schon seit fast 30 Jahren gepachtet hat. Die Weine sind verwunderlich preisweert, aber viel besser als der Preis vielleicht erwarten lässt. Wir trafen Stefan Fleischer während des Mainzer Weinmarkts im GreatWineCapitals Weindorf, in dem auch als diesjähriger GWC-Partner Lausanne Weine aus der Schweiz zum Probieren anbot. Der Mainzer Weinmarkt findet immer am letzten August- und ersten Septemberwochenende im Mainzer Stadtpark statt – wobei das Wochenende schon donnerstags beginnt. Die Stände sind bis spät in die Nacht geöffnet, der Zuspruch ist so groß  wie das Angebot. Traditionell gibt es statt eines Startschusses gleich eine ganze Salve zum Beginn des Festes. „Könnte laut werden“, mahnte der Moderator, und obwohl die Altmainzer Stadtsoldaten ihre altertümlichen Vorderlader weg vom pp Publikum hielten, lohnte sich das Zuhalten der Ohren – obwohl man ja in dieser Zeit gar keinen Wein trinken konnte, dazu braucht’s ja auch ’ne Hand!

mainzer-weinmarkt.de
weingut-fleischer.de

Favorite | Klicken öffnet mehr

FavoriteGleich am Rande des Weinmarkts befindet sich das Favorite Parkhotel mit einem mehrfach ausgezeichneten Restaurant (1 Stern im Michelin, 3 Hauben im Gault Millau). Hier wird Essen und Trinken nicht nur wortlich auf ein höheres Niveau gehoben (wir saßen im 1. Stock 😉 ), sondern fine dining zelebriert. Aber, wie es mittlerweile ja glücklicherweise auch geht: nicht verkrampft, sondern im wunderbaren Pairing von Fachwissen und Lockerheit. Dass dieser Mix Stil des Hauses ist, merkte man von der Begrüßung (offiziell durch Julia Barth, die den Journalisten-Trupp schon auf dem Weinmarkt in Empfang nahm und hoch geleitete: oft sind es die Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen!) über den (vielleicht wirklich zufällig vorbei kommenden) Senior Christian Barth, der locker einige Worte an die Runde richtete, bis zum Service – da habe ich (leider) nur den Namen des Sommeliers: Sebastian Lisges. Dafür hatten wir viel Spaß miteinander – und weil es mittlerweile draußen auf dem Weinmarkt wie aus Kübeln schüttete, sogar länger als geplant (echt doof für die Weinmarktbesucher und wirklich excellent geplant, uns hier im Trockenen genießen zu lassen, ohne auf dem Trockenen zu sitzen!).

Was mich bei Köchen wie Tobias Schmitt, dem Küchenchef des Favorite, und seinem Team immer wieder begeistert: mit welcher Präzision einerseits und mit welcher Leichtigkeit andererseits die Gerichte serviert werden. Da ist natürlich alles auf den Punkt zubereitet, da ist alles nett (kein Schimpfwort hier!) arrangiert – und auch wenn ich den Spruch das Auge isst mit für eine gewagte Aussage halte, weil man mit der Zahn und Zunge doch essenstechnisch weitaus besser zurecht kommt als mit dem Augapfel: es gefällt. Das Küchenteam werkelt im Hintergrund und hinter Glas, man kann also auf dem Weg zum Händewaschen zusehen, wie da gearbeitet wird. Ruhig und konzentriert, war mein Eindruck.

Die Weinkarte des Hauses ist gut bestückt, Rheinhessen spielt natürlich eine große Rolle – und als Besonderheit gibt’s auch Weine mit dem Zusatz HLH auf dem Etikett. Wir hatten (unter anderem…) einen 2022 Riesling HLH vom Weingut Kühling Gillot und einen 2021 Chardonnay HLH vom Weingut Battenfeld Spanier zum Essen. Zwei Top-Winzer mit dem gleichen Kürzel im Wein? Nun ja: HLH steht für Hofgut Laubenheimer Höhe und bedeutet hier: „von unseren eigenen Weinbergen“. Die Auswahl der Winzer zeugt vom Anspruch, und die von uns nicht besuchte Laubenheimer Höhe steht schon auf der Liste demnächst mal zu besuchender Orte…

Für die Neugierigen: zu den drei Gängen

  • In Zitronengras gebeizter Glen Douglas Lachs | Limettenemulsion / Lauchzwiebel / Flusskrebse / feiner Kräutersalat
  • Duett vom rheinhessischem Rind | gebratenes Filet und gebackene Backe / Röstzwiebelncrunch / Selleriemousseline / glasierte Butter-Babykarotte / gebratene Thymianpolenta
  • Favorite Dessert Etagere |  Variation von Sorbet &
    Teatime / Gateau Opera / Rübli & Nuss / Mandel & Traubenlikör

probierten (!) wir neben den beiden genannten Weißweinen noch 2022 Sauvignon Blanc, Weingut Eppelmann und 2021 Weißburgunder, Weingut Wittmann sowie die beiden Rotweine 2019 Spätburgunder, Weingut Battenfeld Spanier und 2017 Merlot R, Weingut Spiess. Zum Dessert gab es nach angeregter Diskussion über restsüße Weine außer der Reihe aus der Magnum 2007 Riesling Spätlese VDP. Grosse Lage, Wehlener Sonnenuhr, Wegeler Weingüter, Mosel.

favorite-mainz.de

Stadtrundgang | Klicken öffnet mehr

50. BreitengradMan muss schon mal genau nach unten sehen und auch Glück haben, dass da nicht gerade jemand steht: 50. Breitengrad steht da (für die Kollegen aus Korinth: steht da nicht, sondern korrekt: 50. Grad nördlicher Breite). Könnte sein, dass die Stadttouristiker da ein wenig gemogelt haben, denn die eigentlich immer sehr genauen GPS-Daten des Smartphines deuten an, dass die Linie besser woanders hätte gezeigt werden sollen – aber auch das ist sicher was für die Korinthenverdauer. Egal: dieser 50. Breitengrad ist ja eh nur eine gedachte Linie, und die galt lange Zeit als die nördliche Grenze des Weinbaus auf der Nordhalbkugel. Da freuen sich die Mitglieder der Winzer vom Breitengrad 51 an Saale-Unstrut gewaltig, und die Pioniere noch nördlicher zutzeln sich eine Piwi-Traube rein: alles wird anders.

DomDer Markt vor dem Dom ist cum grano salis ja auch auf dem 50. Breitengrad, weswegen sich hier samstags der legendäre Wein auf dem Wochenmarkt reichlich Zuspruch findet. Wir waren an einem freitag da, weswegen eine Überprüfung widersprüchlicher Ausagen (toll gemütlich sagen die einen – viel zu voll sagen (und sind manchmal wohl auch) die anderen. Wir müssen wiederkommen.) Der Wochenmarkt ohne Wein macht auf jeden Fall was her, viele wirklich lokale und regionale Händler zeigen, was man hier so braucht zum Leben. Und das ist mehr als Weck, Worscht un Woi, obwohl es das alles natürlich auch auf einem Wochenmarkt wie diesem gibt.

MainzStoreAls Tourist brauchst du da ja nicht immer, weswegen der mainzSTORE gegebenenfalls eine alternative Anlaufadresse ebenfalls am Markt sein könnte. Der Laden ist eine Mischung aus Tourist-Information, Souvenirshop und kleiner Eventlocation und will das #mainzgefühl vermitteln. Das klappt ja irgendwie auch ganz gzt, obwohl die Werbetexterfuzzis irgendwann mal zu viel Schoppen hatten und das nur-echt-mit-dem-Hashtag-Wort dann auch noch zu steigern und auf die mainzgefühligsten Orte hinzuweisen. Mer kann och üvverdrieve, wie der Kölner sagen würde. Aber ansonsten: es gibt die Mainzelmännchen, Socken (auch solche mit Weck, Worscht un Woi) und Wein, man findet Abwechslung beim Drucken (war da was mit Gutenberg?) von kleinen mundartlichen Kärtchen, die sogar eventuell bei der weiteren Tagesplanung behilflich sein könnten (Ich lad’Dich oi uff e Woi am Rhoi) oder bei unüberlegtem Einsatz den Plan auch gleich wieder kaputt machen könnten (Du hast den schönsten Bobbes!).

Stefanie Jung Mainz Citywalk Mit Karten für alle Eventualitäten ausgestattet verließen wir den Store und begaben uns mit Stefanie Jung auf einen kleinen Stadtrundgang. Stefanie Jung ist sehr mainzgefühlig, aber hat erfreulicherweise einen Hang zu ordentlicher Sprache. Sie ist Autorin mehrerer einschlägiger Bücher und weiß ihr Wissen wunderbar unaufgeregt an die Touris zu bringen. Also weder affig historisierend noch übertrieben heimatverbunden, sondern eher so im kenntnisreichen Plauderton auf Augenhöhe. Ich bin ja schon mal bei einem organisierten Stadtrundgang, weil ich das Gesülze nicht ertragen konnte, unter dem Vorwand des Fotografierenmüssens ausgebüxt – das war hier so überhaupt nicht nötig. Hilfreich war natürlich, dass Stefanie Jung um die Weinaffinität ihrer Gruppe wusste und den Wissensdurst nicht nur mit Worten zu stillen wusste: es gibt da nämlich (offiziell: bald – das Schild im Schaufenster verriet The Loveley Concept #comingsoon) an einem der schönsten Plätze von Mainz einen kleinen Laden, der auch außerhalb ülicher Weingastro-Öffnungszeiten einen Zwischenstopp mit den für Mainz typische Piffchen (0,1 Liter Wein) und ein paar Häppchen möglich macht. Als Pros fanden wir übrigens heraus (weil das so in weiser Vorausahnung vorbereitet war), dass es von „1 Piffchen“ auch eine Mehrzahl gibt. „2 Piffchen“…

„Best of Mainz | Stadtführungen & mehr“ wurde 2022 mit dem Best Of Wine Tourism-Award für Weintourismus-Service ausgezeichnet.

best-of-mainz.com

Kupferberg | Klicken öffnet mehr

Kupferberg außenMan muss schon etwas hoch steigen, um dann tief runter zu gehen in die Keller der Sektkellerei Kupferberg. Die liegt oben auf dem Kästrich – was eine hübsche Eindeutschung (oder Einhessung, falls es das gibt) des lateinischen Begriffs castrum ist. Denn hier schlug der Feldherr Nero Claudius Drusus vor 2035 Jahren sein Feldlager auf. Das Legionslager blieb recht lange – der Hang des Berges wurde aber erst mal nicht bebaut, sondern war Weinberg. Bis im letzten Quartal des 19. jahrhunderts – da ging’s los mit der Bebauung, und praktischerweise siedelte sich 1850 Christian Adalbert Kupferberg mit seiner „Fabrication moussierender Weine“ an. Auf dem Kästrich fand er nämlich ideale Bedingungen, schon im Mittelalter angelegte unterirdische Kelleranlagen zum Beispiel.

Kupferberg Plakat 1903Christian Adalbert Kupferberg hat damals vielleicht nicht alles, aber vieles richtig gemacht:  als gelernter Weinexportkaufmann wusste Kupferberg vor allem, wie man das Produkt an die Kunden bringt und setzte konsequent auf Markenbildung und -bindung – Kupferberg Gold wurde zur Erfolgsmarke (und ist bis heute bekannt). „Unter der Marke Kupferberg Gold werden fünf verschiedene Geschmacksrichtungen erstklassigen Sekts produziert. Jede Flasche wird nach der Méthode Charmat hergestellt und besteht aus einer Cuveé klassischer Rebsorten“, lese ich in einer Pressemeldung und freue mich über besonders über den Begriff Méthode Charmat, was ja fast wie Méthode Champenoise klingt – aber egal: Méthode Champenoise oder Méthode Charmat? Hauptsache Kribbeln im Bauch! (Die Unterschiede der Verfahren kann man bei Raumland ganz verständlich nachlesen).

BismarckzimmerZurück zu Kupferberg und seinem rasanten Aufstieg. Kupferberg Gold wurde bei der Weltausstellung 1868 in London prämiert, und auch nicht schlecht fürs storytelling war (obwohl es den Begriff damals noch gar nicht gab), dass Otto von Bismarck im Jahr 1870 mehrere Tage Gast im Hause Kupferberg war. Damals kam er als Graf – ein Jahr später und man hätte den Fürsten (aber immer noch den gleichen Otto) beherbergen können. Sein „Bureau des Auswaertigen Amtes“ kann man heute bei der Museumsbesichtigung auf dem Kästrich bewundern – denn seit Mitte der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Produktion nach Mainz-Hechtsheim verlkegt wurde, steht das Stammhaus auf dem Kästrich Besuchern offen.

Kupferberg KellerWachstum gab es auch kurz nach der Gründung schon, aber vorerst reichte der Platz auf dem Kästrich. Die Söhne des Gründers erweiterten 1888 die Kelleranlage, die schließlich 60 Keller in sieben Etagen unter der Erde erreichte. Die Keller haben Namen, was die Verständigung sicher erleichtert(e). Wir kamen bei unserer Führung nur bis in die zweite Etage – darunter ist’s, wenn ich das richtig verstanden habe – aus Sicherheitsgründen nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Für die Kondition ist das ja gar nicht so schlecht, denn um in den Elbe-Keller zu kommen, müsste man alle sieben Etagen runter, vorbei an den ganzen Musikern von Wagner bis Schumann und dann auch noch durch den Oder. Also kamen wir nur bis Bismarck, aber immerhin sahen wir da alte Kellertechnik und aufwändig gestaltete Eichenholzfässer wie das  reich verzierte Schützenfass aus dem Jahr 1894.

Plakat SektsteuerAuf dem Weg dahin ersetzt das Museale manche Geschichststunde. Immer wieder beliebtes Thema: die Sektsteuer. Unter einer herrlichen Karikatur (1903 in den „Lustigen Blättern“) klärt ein Text auf, dass  „die Einführung der sog. Bagatellsteuern als existenz-bedrohend“ und der damalige Finanzminister als „Zerstörer“ empfunden wurden. Wir lesen: „Die Steuern standen im Zusammenhang mit dem von Kaiser Wilhelm II. gewünschten Flotten-Bauprogramm. Die Firma Loeser & Wolff, Berlin, ist hier Repräsentantin der Tabakindustrie, die Firma Kupferberg repräsentiert die deutschen Sektkellereien“. Von den in Deutschland damals jährlich rund neun Millionen Flaschen Sekt kam mehr als ein Drittel aus dem Hause Kupferberg. „Die erste Schaumweinsteuer war 1902 als Banderolensteuer eingeführt worden. Sie betrug für eine Achtelflasche 6 Pf.“ – und wie wir alle wissen, gibt’s die Steuer immer noch, geregelt im SchaumwZwStG (herrlich, steht für das Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz). Der Staat trinkt übrigens doppelt mit: pro 0,75-l-Flasche Schaumwein (egal ob billige Massenware oder teuerer Winzersekt) kassiert er 1,02 € Sektsteuer plus, natürlich, die Mehrwertsteuer.

Kupferberg GläserGesprächsstoff ohne Ende bietet auch die weltweit größte Ausstellung internationaler Sekt- und Champagnergläser. Mehr als 500 Gläser aus unterschiedlichsten Epochen spiegeln die große Kreativität der Glaskünstler wider. Dazu gehören venezianische „Cristallo“- Gläser aus der Renaissance ebenso wie moderne Designergefäße. Raritäten wir selbstleuchtendes Uranglas oder eine Kombination aus Tasse und Sektflöte, verzierte Gläser aus dem alten Russland, englische Bleiglasflöten und dekorative französische Jugendstilsektschalen hakten wir dann ab unter Alles geht, nichs ist unmöglich. Wir bekamen unsere Kostprobe Kupferberg Rosé Gold Collection übrigens in Sektflöten serviert.

Kupferberg TraubensaalDie größte Attraktion der Kupferbergterrasse ist der Traubensaal, den der Berliner Architekt Bruno Möhring für die Weltausstellung 1900 in Paris geschaffen hat. Der Saal ist mit seinen schmiedeeisernen Ranken, Weinlaub und Trauben ein Meisterwerk des Jugendstils und diente bei der Weltausstellung als Ausstellungsraum für deutsche Spitzenweine. Danach kauften Franz und Florian Kupferberg dieses Meisterwerk des Jugendstils und bauten es in Mainz originalgetreu wieder auf. Das war schon deswegen eine gute Idee, weil man sich hier setzen und derart bequem den Worten der Tourführung zuhören kann…

kupferberg-mainz.de

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[Besucht am 24. und 25. August 2023 | Alle Beiträge Rheinhessen] .

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Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung der Great Wine Capital Mainz.

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