Lesebuch und Nachschlagwerk zugleich

Die Lust am Alliterieren kann manchmal arge Blüten treiben – aber nun ja, wer denkt schon drüber nach, ob man Orte entkorken kann? Aber jede Wette: die meisten Menschen, die das Büchlein „Weinorte im Rheingau“ in den Händen halten, lesen in Erwartung der auf sie zukommenden Tipps sicher flott hinweg über die schmerzbefreite Unterzeile „Entdecken – Entspannen – Entkorken„. Und (Spoiler!) das ist auch gut so, denn im Buch geht es sprachlich seriöser zu!

Wolfgang Junglas hat mit dem 168 Seiten starken Band den Startschuss für eine Reihe von Empfehlungen für Weinregionen vorgelegt. Band 2 zur Mosel ist bereits erschienen, siehe weiter unten, Rheinhessen ist für Oktober 2024 geplant. Den Rheingau kennt Junglas wie seinen Weinkeller. Seit 1980 lebt er dort – direkt an den Weinbergen, wie man dem Klappentext ein wenig neidvoll entnehmen kann. Der Vorteil der Nähe ist natürlich, dass der Mann sich auskennt – und so finden sich neben den 76 empfohlenen Orten auch vier allgemeinere Betrachtungen mit Antworten auf Fragen, die man so hat als Tourist: was es mit der Rhein-Romantik auf sich hat, wo man (der Mensch lebt nicht vom Wein allein!) Café-Kultur Gießen kann, was für große Events sich zu besuchen lohnen und wie das mit den Straußwirtschaften funktioniert (es ist manchmal kompliziert).

Das Büchlein ist sowohl ein Lesebuch mit übersichtlichen Kapiteln als auch ein Nachschlagewerk: jeder Ort bekommt eine Doppelseite, mit großformatigem Foto rechts und informativem Text links. So ein Layout ist streng, zumal ja auch Platz für Adresse und besonders herausragendem Tipp vorgesehen ist. Aber da gilt die alte Regel: wenn der Autor (prinzipiell natürlich auch: die Autorin) sich anstrengen muss, profitieren die Leser*innen und können es sich im Liegestuhl oder auf dem Badehandtuch (Winterversion: auf dem Sofa oder vor dem Kamin…) gut gehen lassen und den Text genießen.

Es gibt kaum dezidierte Geheimtipps, denn Junglas wollte „besonders die Weingüter, die über Jahrzehnte herausragende Weinqualitäten auf Weltniveau und zudem Weinerlebnisse für die Gäste bieten“ vorstellen. Dass man dabei dennoch den einen oder anderen Überraschungsaspekt entdeckt und Dinge entdeckt, die man selbst als engagiert Wein trinkender Tourist noch nicht wusste, macht das Buch zu einem lesenswerten Reisebegleiter.
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Band 2 der Reihe stammt vom gleichen Autor – der auch zur Mosel ein persönliches Verhältnis offenbart: er sei „in der rauen Eifellandschaft aufgewachsen – an die Mosel zu fahren, bedeutete für mich schon immer ein Ausflug in eine lebensfreundliche, liebliche Welt“. Und als Weinjournalist kommt man ja eh nicht am Dreistromland mit Mosel, Saar und Ruwer vorbei. 76 Weinorte an der Mosel zu finden, ist schwer: es gibt ja soooo viele, welche lässt man denn da fort?

Die Leseprobe aufs Exempel zeigt: irgendwie findet man auf Anhieb vieles von dem, was man erwartet – und zwischendurch auch immer mal Unerwartetes. Den einen oder anderen Winzer sowie die eine oder andere Winzerin hat man schon persönlich getroffen und freut sich, die Einschätzung des Kollegen Junglas teilen zu können, bei der ein oder anderen Doppelseite wandert ein kleiner Haftzettel an den Seitenrand mit dem Vermerk: da musste mal hin. So sollte es sein.

Weinorte im Rheingau
Paperback
168 Seiten | 13,5 x 20,5 cm
ISBN 978-3-7700-2422-3
1. Aufl., Juli 2023
16,– €

Weinorte an der Mosel
Paperback
168 Seiten | 13,5 x 20,5 cm
ISBN 978-3-7700-2421-6
1. Aufl., Oktober 2023
16,– €

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