Eine Mauer macht den Keller zum ältesten

Vereinigte Hospitien in Trier: Besuch im ältesten Weinkeller Deutschlands

Gewölbe

Getreidesilos zu Weinkellern! Das geht, man braucht nur etwas Zeit, um das Gelände rund um das ehedem zweistöckige acht Meter hohe Gebäude anwachsen zu lassen. Und zack – schon haben wir den ältesten Weinkeller Deutschlands. In Trier, wo alles sehr alt oder noch älter ist, war sowas ja zu erwarten – aber irgendwie ist es dann schon beeindruckend, wie sich Geschichte im Alltag niederschlägt. Joachim Arns, Weingutsleiter (seit 1996 schon) Vereinigte Hospitien, begrüßt uns im Keller. Natürlich mit einem Sekt, einem 2018 Rosé brut nature – im Haus versektet. Die Cuvée aus Spätburgunder und etwas St. Laurent lag über vier Jahre auf der Hefe und wurde frisch degorgiert. Das sei Stil des Hauses, erfahren wir und genießen einfach mal so.

Vereinigte Hospizien SektDie Fuderfässer (1.000 l Inhalt) in diesem ersten Keller sehen gut aus, sind aber nicht mehr mit Wein belegt. 1982, als Arns hier seine  Ausbildung machte, waren die Fässer noch voll. Mittlerweile gibt’s einen kühleren Keller, in dem Edelstahl und Technik die Romantik ersetzt hat. Temperaturkontrollierte Vergärung, Klimaanlage, die Möglichkeit der Berieselung der Tanks mt Wasser – was man heute eben so kann und macht. Die Fässer oben sind nur noch Deko – aber eben gut für den ersten Eindruck. Mehr Erlebnis soll nämlich in den Keller, um den Kunden bei Rundgängen die Sektherstellung mit Hefe, Autolyse, Rütteln, Degorgieren anschaulich näher zu bringen.

Fuder (leer)Die Geschichte der Vereinigten Hospitien begann, wie so oft, mit Napoleon. Der gründete 1804 die gemeinnützige Stiftung. Seine Vorgehensweise war prinzipiell immer die gleiche: erst hat er die kirchlichen Güter säkularisiert – also quasi enteignet, um dann was draus machen. Weil wir im Weingut sind: er hat mittelalterliche Klöster (die ja alle Weinberge hatten…) zusammengeführt. Mit den Erlösen aus dem Weinbau, so die Idee des kleinen Korsen, sollten soziale Einrichtungen finanziert werden – heute sind das Altenheime, eine geriatische Rehaklinik, ein Wohn- und Pflegeheim für Multiple-Sklerose-Kranke und Kinderheime. „Mit jedem Schluck eine gute Tat“, umschreibt Joachim Arns das Motto – nicht viel anders hatten wir das beim Besuch des Juliusspitals in Würzburg gehört. Eigentlich ist in diesem Sinn ja jeder Schluck auch mindestens zwei gute Taten: man tut sich selbst was Gutes und trägt zur Finanzierung der Stiftung bei…

Die Vereinigten Hospitien stehen also nicht allein mit dieser Idee da, sie sind Gründungsmitglied der Europäischen Stiftungsweingüter, in dem 20 Weingüter Mitglied sind (u.a. das bereits erwähnte Juliusspital, die Kartause Ittingen und das Weingut Hoflößnitz). Außerdem haben die Vereinigten Hospitien geholfen, den VDP mit zu gründen – 1908 für das Gebiet Mosel-Saar-Ruwer (als Großer Ring) und zwei Jahre später bundesweit (damals noch als Verband Deutscher Naturweinversteigerer).

Top-Lagen als Erbe der Klöster haben die Hospitien an Saar und Mosel (2 ha im Scharzhofberg, Kanzemer Altenberg, Piesporter Goldtröpfchen etc). Hauptrebsorte ist (wen wundert’s?) der Riesling mit 90% Anteil, der Rest teilt sich auf  Weiß-, Grau- und Spätburgunder auf. 150.000-200.000 Flaschen sind der Output, 50% davon gehen in den Export (China, Japan, Südkorea, USA) Immer wichtiger wird der Sektanteil mit fünf Sorten im Portfolio – vom Umsatz sind es mittlerweile fast 10%.

Der älteste Weinkeller von außenDer Keller! Er ist natürlich ein Highlight und für Gäste offen. Was es mit der Bezeichnung ältester Weinkeller auf sich hat, erläutert Joachim Arns: Zurück im 3. Jahrhundert nach Christus gab’s den römischen Kaiser Konstantin, und der ließ Getreidespeicher errichten – nahe am Fluss, denn auf der Mosel wurde das Getreide auf Schiffen transportiert. Zwei Speicher gab’s in Trier, beide recht stattlich: 80 m lang, 15 m breit, 8 m hoch und mit 1,50 m dicken Mauern versehen. „Und von einem dieser Speicher ist eine Wand noch zu sehen!“, freut sich Arns – denn diese eine Mauer führte zur Formulierung mit dem ältesten Weinkeller Deutschlands.

Die Magie des Ortes lässt selbst Wissenschaftler nicht unbeeindruckt. So schreibt Hans Kloft in einem Werkstattbericht über antike Getreidespeicher, dass die Horrea in Trier „nach Abzug der Römer zuerst fränkisches Königsgut und dann im 7. Jh. zu einem Frauenkloster umgewandelt wurden mit einer Klosterkirche und einem speziellen Weinkeller. Wer einmal das Glück hatte, ihn zu besuchen, und dort den Wein der Vereinigten Hospitien zu kosten, dem erschließt sich eine imposante Tradition, dem weht, um es ein wenig pathetisch zu formulieren, der Hauch der Geschichte an, in einer sinnlichen Dichte, die selbst im römerträchtigen Trier nichts Vergleichbares hat.

Natürlich waren die Getreidespeicher damals oberirdisch – dass jetzt daraus Keller geworden sind, liegt daran, „dass das Niveau der Stadt Trier angesteigen ist“, wie man so schön sagt. Also Schutt, Staub und was sonst noch so alles sich da türmt. Die Römer und Trier sind ja eh ein spezielles Kapitel: wenn man irgendwo buddelt, findet man auch was Römisches. Kacheln, Goldmünzen, weiß der Schatzsucher was.

Ein Stück der alten MauerBei der Kellertour geht es (bei Führungen ja nicht unwichtig) an einer Probier-Theke vorbei, hochmodern (die Hygiene! die Optik!) und dennoch eigentlich das zweitwichtigste an dieser Stelle – denn genau gegenüber sieht man Reste der nun wirklich ältesten Wand dieses ältesten Weinkellers. Überreste der römischen Horrea, 330 nach Christus erbaut (and still standing strong). Wenn man weiter geht, kommt man in einen herrlichen Gewölbekeller – und sieht die Rückseite der alten Wand, die damit optimal genutzt scheint. Oben drüber im Römersaal sei die Mauer besser restauriert als hier unten, erfahfren wir – aber die Kellerromantik braucht ja nicht die Perfektion.

Die Weinprobe fndet hier unten im Gewölbe statt. Sie startet mit einem Grauburgunder – für die Mosel eher eine untypische Sorte. Die Vereinigten Hospitien waren das erste Weingut, das diese Rebsorte an der Mosel angepflanzt hat – auf einem Sandsteinfels vor den Toren der Stadt Trier. Der Trierer Augenscheiner ist im Alleinbesitz der Vereinigten Hospitien – wobei derlei Monopollagen früher® vor allem für den Export wichtiger waren als heute. Aber: was man hat, das hat man! Und die Vereinigten Hospitien verfügen über drei Monopollagen. Den Weinberg gibt es seit 1150 (so richtig jung ist ja nix an der Mosel…). Grauburgunder ist natürlich eine gefragte Rebsorte, und warum sollte sie es dann nicht auch an der Mosel geben? Mit 236 ha macht die mit Grauburgunder bestockte Rebfläche allerdings nur 2,8% der Gesamtfläche aus. Volle Frucht hat der 22er Gutswein – läuft.

Arbeit im GewölbekellerNun aber Riesling. Der Ortswein Wiltinger –S– kommt so unscheinbar daher, ist aber ein Zweitwein aus dem Scharzhofberg. Will sagen: der kann wohl was! In der Qualitätspyramde des VDP steht dieser Wein ganz unten, das „S“ als dezenter Hinweis auf die Spitzenlage Scharzhofberg ist zwar nicht 100prozentg VDP-konform – aber was hätten sie machen sollen? So hat man wenigstens einen Gesprächsansatz mit den Kunden. Goldmedaillien und so gewinnt man auch mit einem Gutswein – und was auch immer man von derlei Prämiierungen halten mag: viele Kunden mögen das.

Romantik pur…Wer einen Zweitwein aus dem Scharzhofberg hat, hat ganz sicher auch einen Erstwein: Im Glas der 2021 Scharzhofberg GG Riesling Großes Gewächs, trocken, VDP.Grosse Lage. Zwei Hektar Anteil haben sie in der knapp 30 ha großen Lage. „Die Lage überrascht immer wieder!“ Sie ist windoffen, was das lange Hängenlassen der Trauben unterstützt. Für das Große Gewächs wurden hochreife Trauben selektiert, es gibt nur 1.500 – 2.000 Flaschen. Aber die sind: ausgezeichnet (unter anderem als einer der zehn besten Rieslinge 2021 aus Deutschland). Im Test für die Zeitschrift Fine attestierte man dem Wein „konzentrierte limonen- und holunderbetonte Früchte, fokussierte Säure, schöne Textur, etwas Salzigkeit, Substanz, pure, harmonische Art„.

WeinprobeDie Lage Serriger Schloss Saarfels ist mit 4,5 ha die größte Lage des Weinguts.  Es handelt sich um eine Monopollage, die der VDP als Große Lage eingestuft hat. Im Glas dieses Mal aber kein trockenes Großes Gewächs, sondern ein  feinherber 2022 Serriger „Schloss Saarfels“ -S-.  Zeit, über die etiketten zu reden und die Frage zu klären, wie der Jakobus aufs Etikett kam. Der mit dem Wanderstab und der Muschel… Eins der Hospitäler, das Napoleon seinerzeit in der Stuftung zusammenführte, war das Jakobushospital, das es mittlerweile nicht mehr gibt. Aber „dort fand man die Urkunde über den ältesten Rieslinganbau an der Mosel – aus dem Jahr 1464“, wie Joachim Arns erzählt.

Den Abschluss machte eine Riesling-Auslese Goldkapsel aus dem Jahrgag 2018: Piesporter Goldtröpfchen, auch eine VDP.Grosse Lage. Der Wein nat eine Goldkapsel, als Zeichen dafür, dass die Trauben mit über 100° Oechsle geerntet wurde. „So vom Stock gelesen“ – das warme trockene Jahr 2018  machte es möglich. Hochreife Trauben, kaum Botrytis: „Wir machen eher die trockenen Weine, aber wenn es sich so ergibt…“

Weinprobe am 12. Oktober 2023
im „Ältesten Weinkeller Deutschlands“

Zur Begrüßung:
2018 Rosé Sekt brut nature Klassische Flaschengärung

Weinprobe:
2022 Grauer Burgunder „Réserve“
Qualitätswein, trocken VDP.Gutswein

2022 Wiltinger -S-
Riesling Qualitätswein, trocken, VDP.Ortswein

2021 Scharzhofberg GG
Riesling Grosses Gewächs, trocken, VDP.Grosse Lage

2022 Serriger „Schloss Saarfels“ -S-
Riesling Qualitätswein, feinherb, VDP.Grosse Lage

2018 Piesporter Goldtröpfchen
Riesling Auslese „Goldkapsel“, edelsüß, VDP.Grosse Lage


Vereinigte Hospitien

Krahnenufer 19
54290 Trier

Tel. +49 651 / 945 1210
weingut.vereinigtehospitien.de

[Besucht am 12. Oktober 2023 | Alle Beiträge Mosel]

.

.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*