Von Arrifana zur Pedra da Agulha

Lieblingsabstieg vom Lieblingsaufstieg aus

Liebes Tagebuch!

Heute waren wir zu Gast in der Kletterschule für junge Bergziegen. Also eigentlich wussten wir das nicht, denn wir hatten, wie das in Urlaubsstimmung passieren kann, uns einen Wanderweg anhand der vorhandenen Karten zusammengebastelt und dann gedacht: och ja, so eine Küstenwanderung nicht unten, sondern oben herum mit Blick runter ins gegebenenfalls tosende Meer: das hat doch was. Was wir in trauter Doppeldummheit nicht taten: das Höhenprofil zu checken. Dann hätten wir gesehen, dass wir keineswegs quasi nur auf einer Höhenlinie entlang laufen, sondern irgendwann ziemlich dolle runter und zum Ausgleich dafür gleich wieder auch ziemlich dolle hoch müssen.

AbstiegVor allem runter ans Meer war der Teil, wo die jungen Bergziegen üben, wenn sie nicht gerade Ferien haben. Am 3. Januar war natürlich keine da, da sind ja die umfangreichen Neujahrsfeierlichkeiten für Bergziegen noch nicht abgeschlossen. Wir waren also alleine, was auch gut war, denn ansehen hätte man sich das Elend nicht wollen. Denn ein alter Sack mit Hang zur fehlenden Schwindelfreiheit ist eben keine junge Bergziege, selbst wenn sie noch zur Schule geht. Aber egal, gemäß der alten Ost-Weisheit „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ ging es in atemberaubender Langsamkeit runter. Die Schnecke, die mich überholte, grüßte völlig erstaunt mit winkenden Fühlern…

Schuld waren natürlich die wild herummachenden Erdmassen vor mehr als dreihundert Millionen Jahren, als sich der Superkontinent Pangäa bildete. War das ein Anheben, Zusammendrücken, Spalten und was da sonst noch so abging. Die heutigen Gesteine der bis zu 100 m hohen Klippen (Schiefer und Grauwacke) sind das Ergebnis dieser gigantischen Bewegungen – um das mal knapp und mit nur einem Funken wissenschaftlicher Korrektheit zusammenzufassen. Jedenfalls ging es heftig runter über Stock und Stein in Form von fröhlichem Geröll. Die begleitende Fauna mag übrigens keine trittunsicheren Wandersleut‘, denn wer hier Halt sucht, greift voll in die Stacheln. Hilfreicher ist da schon, die gereichte Hand der (so trittsicheren wie schwindelfreien) Frau Freundin zu greifen.

Praia da ArrifanaNach dem rasanten Abstieg von 90 auf 1 m (bei einer zurückgelegten Strecke von 640 Metern) waren wir am Meer, am einen Ende des Strands von Arrifana. Im Meer standen wir immer die Surfer und warteten auf die richtige Welle – und wir fragten uns: weiter, also wieder hoch? Oder als Strandläufer zurück. Was. Für. Eine. Frage. Wir wollten doch den markanten Felsen Pedra da Agulha aus der Nähe betrachten und nicht immer nur im gischtverschwommenen Gegenlicht! Nun gut, das mit dem Gegenlicht hatte sich an diesem Tag eh erledigt, denn der Himmel hatte sich zugezogen, Regen war angesagt, das Wort Sonne im einschlägigen Wetterbericht ein Fremdwort. Blieb die gewünschte Nähe.

Also wieder hoch. Von 1 auf 103, dieses Mal zur Abwewchslung auf teils rutschigem (der Nieselregen!) Lehm, wieder für etwa 640 Meter Vorankommen. Halb zog sie ihn, halb sank er hin – aber oben sollte es dann ja (wir lieben die plastische Darstellung von Google Maps) auf einem deutlich breiteren Weg weiter gehen. So war’s dann auch. Ein Obelisk voraus stand da nur so herum, nähere Angaben habe ich nicht gefunden (am nächsten dran war die Bildunterschrift „Geodätisches Wahrzeichen von Arrifana“ in einer Wanderbeschreibung – auch wenn das Wort Wahrzeichen wohl ein wenig hoch gegriffen erscheint. Es ist wohl eher was Praktisches für die Vermessungsmenschen…

Pedra da AgulhaEinem landschaftlich wichtigen Punkt kommt der Fels vor der Küste, den die Portiugiesen Pedra da Agulha nennen, deutlich näher. Die Felsnadel ragt imposant aus dem Wasser, Wellen brechen sich hier für Fotografierende in vorbildlicher Weise. Das mit der für Fotografen auch so wichtigen Sonne deutete sich dezent an, in der Ferne das Cabo de Såo Vicente schien sogar in der Sonne zu glitzern – und die Küste dorthin sah aus, als ob sich lauter Wasserfälle die steilen Felsen hiununter ergössen.

Nach der Pedra da Agulha führt ein eher breiter Fahrweg ins Landesinnere. Unspektakulär könnte man diesen Teil der Wanderung nennen, doch wenn man Zistrosen mag (deren Geruch uns schon die ganze Zeit begleitete), dann ist eine einzelne Zistrosenblüte im Januar schon einen Fotostopp wert. Und wenn es gar verschiedene Arten sind, die so früh schon mal zur Probe blühen, dann ist auch ein eher langweiliges Teilstück sehr aufregend.

PS: Das Restaurant zur Wanderung: Sea You Surf Café

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