Das Cabo de São Vicente, lesen wir immer wieder mal (und ganz zuletzt auf dem Flug nach Faro auf Seite 12 im Bordmagazin der Germania), sei der westlichste Punkt Kontinentaleuropas. Mit der ungefähren Form von Portugal im Kopf fragt man sich dann kurz, knapp und präzise: „Hä?“ und bekommt recht schnell die Antwort: dumm Tüch – weiter oben (korrekter: nördlicher) gibt es, deutlich westlicher, das Cabo da Roca. Aber wen interessiert das, wenn er hier unten (korrekter: im Süden) ist? Genau: keinen.
Die Wikipedia und andere seriöse Informationsquellen schreiben natürlich korrekt, wenn auch nicht ohne Verzicht auf einen Superlativ, vom südwestlichsten Punkt. Wie gesagt: korrekt. Nur: muss es denn immer ein Superlativ sein?
Wir stehen also, weil wir an der Algarve und nicht in Lissabon sind, an diesem westlichen Punkt im Süden und finden es arschkalt. Ein kühler Wind weht, und so kurz vorm Untergang macht die Sonne auch nicht mehr warm. Und nicht nur sie hat schlapp gemacht: auch die letzte Bratwurst vor Amerika, wie ein mobiler Stand verspricht, hat die Schotten dicht. Wir müssen also wieder kommen (sind wir, gerade noch rechtzeitig vorm Saisonende).
Wind hin, bevorstehender Sonnenuntergang oder gar geographische Krümelkackerei her: Die Lage des Leuchtturms auf dem Kap ist schon arg geil. Die Wellen schwappen nicht nur von vorn gegen die rund 70 Meter steil abfallenden Küste, sie kommen auch von hinten. Wie immer das geht: wir stehen an der idealen Fotoposition (die Sonne sinkt links vorm Leuchtturm ins Meer) und sehen auf ein Loch in der Steilwand, aus der die Gischt in regelmäßigen Abständen heraus schießt. Das schindet Eindruck!
Die meisten Touris bekommen das nicht mit, sie erleben den Sonnenuntergang eine Landzunge weiter und lieber frei von jeglichem Vordergrund. Dafür klatschen sie, wenn der rote Feuerball final im Meer versinkt. Wir kommen uns ein wenig vor wie beim Charterflug nach der Landung.
Nach dem Klatschen hauen dann (fast) alle auch gleich ab. Ab in die Autos, bloß weg von hier. Ist ja kalt und passiert nichts mehr, denken sie. Weit gefehlt. Nach zehn bis zwanzig Minuten färbt sich der Himmel kitschigrosa oder feuerrot, je nach Wolken- und Wetterlage. Der Leuchtturm schickt ein bemerkenswertes Licht in die Welt: 60 km weit soll man es sehen können, damit gilt er (wichtig für Superlativliebhaber) als der lichtstärkste Leuchtturm Europas . Nach Sonnenuntergang kriegt man es auch an Land mit, direkt davor stehend und (wenn man zum richtigen Moment da ist!) die ganz schmale Sichel des gerade zunehmenden Mondes im Hintergrund erkennend…
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