Was waren wir froh, Sagres nicht im Sommer besucht zu haben. Denn „hier finden Sie eine tosende See, die imposanten Felsen formt, starke Winde, die karge Landschaften hinterlassen, sowie eine intensive Sommersonne, die gnadenlos auf sorglose Touristen niederbrennt“, hat offensichtlich eine gnadenlos vor sich hin fabulierende KI dem Portal Algarve-Tourist in die Bildschirme geknallt. Wir wollten, nachdem wir die Stadt zweimal links haben liegen lassen auf dem Weg zum Cabo de Såo Vicente, einmal mehr Sagres wagen – landeten aber wieder auf einem Kap, nämlich dem mit der Festung, das südöstlich vom Cabo de Såo Vicente auf der Ponta de Sagres liegt.
Die Fortaleza de Sagres liegt auf einer Landzunge mit einem Plateau und an drei Seiten senkrecht abfallenden Felsen. Die Anlage ist etwa einen Kilometer lang und 300 m breit, bis zum Meer runter (oder eben von dort hoch) sind es rund 40 m. Das ist für eine Seefestung sehr praktisch, denn man braucht nur eine befestigte Mauer, um das Areal zu schützen – den Rest erledigt die Natur.
Gebaut wurde die Festung im 15. Jahrhundert, ziemlich ramponiert wurde sie beim Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 – das Epizentrum des Erdbebens vermutet man nämlich näher an der Algarve denn an Lissabon. Die Kirche Igreja de Nossa Senhora da Graça stammt auch noch aus der Entstehungszeit der Festung, ein modernes Ausstellungszentrum wurde nach jahrelangem Hickhack im Herbst 2022 eröffnet. „Die permanente Ausstellung ist vor allem multimedial, mit projizierten Bildern, die die Besetzung der Festung und von Sagres im Laufe der Zeit zeigen. Aber auch von anderen Museen geliehene Originalstücke stehen zur Schau. Hauptthema sind die Entdeckungsreisen der portugiesischen Seefahrer und die Rolle der legendären Seefahrerschule von Sagres und des Infante D. Henrique“ (Quelle).
Allein ist man selten auf der Festung – im Jahr 2019 besuchten 454.190 Menschen das Nationaldenkmal. Aber erstens waren wir im Januar da, wo eh nicht sooo viel los ist – und zweitens ist das Gelände hinter der eigentlichen Festung groß ( 1.000 Meter lang und 300 Meter breit), da verläuft es sich alles ein wenig. Wobei wenig Besucher vor allem im Eingangsbreich erfreulich sind, denn da will man ja gerne individuell die schiefe Ebene auf die Festungsmauer hochkrabbeln und nicht im Völkerwanderungstross dabei sein. Von da oben sieht man ganz gut, was man unten gar nicht so recht würdigen kann: die Rosa dos Ventos (Windrose). Das ist ein Kreis mit 43 Metern Durchmesser, der in 42 einzelne Segmente unterteilt ist. Die Windrose wird auf die Zeit von Heinrich dem Seefahrer (15. Jahrhundert) datiert, wurde aber erst 1921 zufällig wiederentdeckt. Ob die Windrose eine Navigationshilfe war oder als überdimensionale Sonnenuhr fungierte, ist unklar.
Den Bummel übers Plateau machen wir immer an der Wasserkante entlang. Rechter Hand geht das erst einmal parallel zur Landzunge vom Cabo de Såo Vicente, mit dem Leuchtturm an der Spitze. Auch die Ponta de Sagres hat einen Leuchtturm. Auf der Leuchtturm-Seite von Anke und Jens (nu!) finde ich den schönen Satz für Freunde von Superlativen: „Der Turm steht auf dem südöstlichen der beiden Kaps am südwestlichsten Punkt von Europa“ – also in einfacher Sprache: etwas weiter rechts, etwas weiter unten. Aber Fakten gibt’s dort natürlich auch: Der Leuchtturm ist seit 1894 in Betrieb und wurde 1982 automatisiert. Die Bauwerkshöhe beträgt 13 m, die Feuerhöhe ist 53 m. Für Leuchtturm-Fans auf jeden Fall wichtig, für Vorüberschlendernde bleibt der Eindruck: nun ja, ein Leuchtturm – aber es gibt schönere. Andererseits nimmt man ja, was man hat, und so als i-Tüpfelchen auf den Klippen im Gegenlicht ist’s dann doch ganz nett.
Unweit vom Leuchtturm wird’s architektonisch spannender: A Voz do Mar ist eine Klangkammer, die durch die Gezeiten aktiviert wird: es rauscht von unten hoch! Das kreisförmige Labyrinth des Architekten Pancho Guedes über dem gezeitenabhängigen Wasser sollte ursprünglich nur im Rahmen eines Programms für zeitgenössische Kunst in der Algarve das Publikum erfreuen – aber nichts ist so beständig wie die Improvisation, was in diesem Fall prima ist: 2015 wurde aus der temporären in eine permanente Installation, so dass man auch 2024 noch den Wellen lauschen kann.
Die Stimme des Meeres liegt ja quasi schon auf dem Rückweg zur Festung. Umgucken lohnt manchmal, denn hin und wieder sieht man die beiden südöstlichwestlichsten Leuchttürme zusammen. Und voraus tut sich die Küste der Algarve auf – und wenn man wieder an der Festung ist; Umgucken und das Plateau im Gegenlicht genießen.
Das Restaurant nach dem Festungsbesuch: Estrela do Mar
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