Wein in der schlechtesten Bar

Von der Festung in Lagos zum Ponte da Piedade

Praia do Camilo

Die Stadt Lagos an der Westalgarve macht’s den Touristen abwechslungsreich. Es gibt die Stadt (etwa 30.000 Einwohner) mit historischem Kern, mit Hafen, mit Geschäften, mit Restaurants. Und es gibt zwei Strandabschnitte für den abwechslungsreichen Freizeitbedarf – ewig lange Sanddünenabschnitte in Meia Praia einerseits und kleinere, geschützte Buchten wie Praia dos Estudantes, Praia Dona Ana oder Praia do Camilo andererseits. Diesen Abschnitt in der felsigen Landschaft zwischen Lagos und der Ponta da Piedade erwanderten wir uns bei einer Küstenwanderung – inklusive einigen städtischen Abschnitten auf dem Weg dahin und zurück, damit’s ein Rundweg wurde.

RegentagEs war ein Tag, der mit düsteren Wolken, einer sich manchmal verhalten durchschummelnden Sonne und Regenschauern begann. Na klar muss auch das mal sein, auch wenn die Algarve mit die meisten Sonnenstunden in Europa hat. Der Trick, in der Stadt zu beginnen (wenn auch aus profanem Grund: wir hatten dort unsere Ferienwohnung), brachte einige Vorteile. Zum einen sahen wir mehr von der aufregenden Street Art an den Wänden der Häuser in Lagos, zum anderen ist’s in der Stadt ohne Sonne weniger enttäuschend als an der Küste. Da müssen Himmel und Meer doch blau sein!

Forte da Ponta da BandeiraEigentlicher Startpunkt war dann die alte Festung Forte da Ponta da Bandeira. Das Fort wurde im 17. Jahrhundert als Teil der Verteidigungsanlagen der Stadt erbaut. Zum Zeitpunkt des Baus galt es als eines der fortschrittlichsten in der Algarve.
Im Inneren befinden sich jetzt mehrere Ausstellungsräume, ein Restaurant und eine kleine Kapelle, die vollständig mit Fliesen bedeckt und der heiligen Barbara gewidmet ist. Man kann da rein, aber wir waren es nicht, weil wir ja nun endlich strandwandern wollten.

Praia dos EstudanteAlso ließen wir auch den Batata Beach links und seine Bar rechts liegen und gingen dran vorbei, wie auch am Mar Restaurante & Bar – denn nun ging’s runter zur Praia dos Estudante. Das ist ein kleiner Strand in zwei Teilen: im nördlichen kamen wir an und entdeckten dann auch gleich im Felsen einen Tunnel – keinen natürlichen, sondern einen künstlichen, durch den man zum südlichen Teil gelangt. An diesem Teil des Strandes fanden wir so eine Art Felsen-ET, der aber nicht nach Hause wollte, sondern da blieb. Außerdem sehenswert: eine Brücke im römischen Stil, die vom Festland zu einem Felsen führt. So wie wir es sahen, nur von unten zu besichtigen, weil sie auf privatem Grund liegt.

Praia da Dona AnaWir gingen auf dem uns bekannten Weg wieder hoch. Das stattliche Anwesen zwang uns zu einem größeren Bogen weg vom Wasser und brachte uns dann doch wieder an die Klippen. Dort beschlossen wir, nicht in jede kleine Bucht runter zu krabbeln, aber der Praia da Dona Ana wird gerne gerühmt, also sind wir dort hin. Die Strandbar dort bekommt schlechte Kritik: „There is one small restaurant on the beach, called Marisol. This restaurant has a great location, average food and poor service, so don’t go there.“ Wir hatten lediglich zwei Glas Weißwein (2,40 €/Glas) und kamen so nur in den zweifelhaften Genuss des gelangweilten Kellners. Man gibt sich also Mühe, die hinteren Ränge im Listing zu verteidigen (#51< of 51 Bars in Lagos und #360 of 362 Restaurants in Lagos bei Tripadvisor), selbst wenn man die #1 am Strand ist, weil’s da nix anderes gibt.

Warum der Strand dermaßen gehypt wird, offenbarte sich uns nicht. Vielleicht lag es daran, dass noch nicht alle Felsen im sonnigen Gelb erstrahlten. Vielleicht liegt’s aber auch generell daran, dass der Strand bei einer künstlichen Aufhübschung 2015 seinen ursprünglichen Charme verloren hat. In dem Jahr hatte die Gemeinde Lagos beschlossen, den Strand zu vergrößern, indem sie die Sandfläche verdoppelte. Man tat das, um Touristen vor den bröckelnden Klippen zu schützen. Der Wiederaufbau kostete rund 1,8 Mio. Euro und war unter den Bewohnern von Lagos von Anfang an umstritten. Am Ende fand die Regierung gut, was sie da geleistet hatte – und die Bürger bleiben skeptisch bis mürrisch.

ConcreteSo oder so: die Hübsche-Postkarte-Fotografen suchen und finden natürlich die schönsten Bildausschnitte. Was den Postkarten immer fehlt, ist die obere Ebene, und die ist (wie so oft an der Algarve) geprägt von mehr oder weniger noch mehr hässlichen Touri-Bunkern. (Das Bild von 2017 stimmt nicht mehr, der Beton wurde aufgehübscht, und nun rühmt sich das Carvi Beach Hotel Algarve als „a smart choice for travelers who want an incredible holiday experience.“ Wohlan! Gleich nebenan war (auch 2017) ein Zaun um die nächsten 85.000 m2 Küstenlandschaft gezogen, um auch die gewinnbringend zu verkaufen.

Praia do CamiloBei der ersten Möglichkeit, wieder an die Küste zukommen, gab es schon wieder einen Stolperstein – aber einen, den wir gerne nahmen: das Restaurante O Camilo. Warum wir dort keine Austern aßen und dennoch mehr als zufrieden waren, ist eine andere Geschichte. Der Verdauungsspaziergang führte uns die 196 Stufen der Holztreppe runter an den feinen Strand Praia do Camilo. Hoch waren es übrigens mindestens 200, vielleicht auch mehr! Also: wir haben nicht gezählt, aber das Internet ist in dieser Hinsicht eine meinungsvielfältige Quelle! Die Stufen runter lohnen sich, denn es ist ein schöner Strand: bizarre Felsen rundrum, die obligaten natürlichen Höhlen und Durchbrüche inklusive. Feiner Sand, tolles Wasser. Wenn nur der Weg hoch nicht wieder wär‘!

Treppen Lagos KüstenwanderungDer Pro-Tipp für den Rückweg mit der Treppe: Immer mal stehen bleiben unter dem Vorwand, bei dem nun ja ganz anderen Licht noch einmal den Blick zu genießen und gegebenenfalls zu fotografieren. Das ist übrigens mehr als eine Ausrede, denn es stimmt ja wirklich mit dem anderen Licht und so… Wie auch immer: das kommende Stück Weg ist wieder ohne Auf und Ab, naturnah und führt, wenn man mag, bis an die Abbruchkante. Das lohnt auf jeden Fall, denn der Blick zurück Richtung Lagos zeigt die wunderbar zerklüftete Küstenlinie und klein genug am Horizont die Skyline der Stadt (wem Skyline zu übertrieben klingt, kommt mit dem schönen alten deutschen Begriff Weichbild vielleicht weiter).

Ansonsten lohnt sich der Blick voraus – Richtung Ponta da Piedade. Die bildet das Ende der Welt in der Gegend von Lagos – sie ist sozusagen die kleine Schwester des Cabo de São Vicente, wo selbstredend alles größer und schöner ist (der Leuchtturm, der Sonnenuntergang)… Aber dafür sind hier dann auch nicht so viel Touristen unterwegs, so dass alles seine ausgleichende Richtigkeit hat. Zerklüftete Felsen in changierender Farbenpracht, einzeln stehende Felstürme im Wasser und bei der Praia da Balança sogar einsehbare Dolinen bekommt man beim Herumschlendern mit. Dass das Gelände im ganzen aussieht wie ein schweizer Käse, ahnt man nur (und sieht es bei Luftaufnahmen ganz gut).

Wir haben an dieser Stelle die Küste verlassen, weil wir die Ponta bereits kannten. Aber man kann die paar Meter natürlich noch gehen, wenn man die Spitze noch nicht gesehen hat. Der Rückweg landeinwärts verlief unspektakulär, so dass außer der Begleitung eines lieben Wanderhundes nichts erwähnt werden muss…

PS: Dies ist ein Text zum Mai-Blatt des Kalenders 2021. Eine Übersicht über alle Kalenderblätter, die Möglichkeit eines PDF-Downloads und alle Orte auf der Karte gibt’s hier!

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