Die Ponta da Piedade hat sich verändert. Holzstiegen bestimmen das Bild – und lösen Diskussionen aus. „Find’ste die etwa schön?“ steht gegen „Die Landschaft drunter wird es dir danken und sich erholen„. Und da die Holzstege über Dünen und Klippen lang sind, kann man das prächtig ausdiskutieren – wenn man nicht gerade wieder neue Fotomotive entdeckt hat und sich dem zweitliebsten Hobby widmet.
Wir starteten aus gutem Grund am Parkplatz der Praia do Camilo: das dortige Restaurant sollte das nach der Wanderung werden. Wir kannten es von einer Strandwanderung von Lagos zur Ponta da Piedade im Jahr 2017 und wollten die damals verpassten Austern sozusagen nachholen (Spoiler: hat geklappt!). Den Weg vom Restaurant bis zur Spitze der Landzunge (natürlich standesgemäß mit Leuchtturm) sollte man nun schon auf dem Laufsteg – pardon: Holzsteg! – machen. Theoretisch kann man den auch meiden und so gehen wie wir es anno 2017 getan haben – aber dann wird das ja nix mit der Erholung der Dünenlandschaft, wenn weiterhin Abertausende von Füßen darüber trampeln.
Die Holzstege verlaufen küstennah, aber nur manchmal direkt an der Steilküste. Dafür gibt es immer wieder Abzweigungen, die mit einer Plattform enden: zum Ausruhen (es gibt Bänke) und zur Aussicht. Direkt an der Ponta da Piedade kumulieren die Wege, was optisch wirklich gewöhnungsbedürftig ist – aber jede Wette: man wird sich dran gewöhnen. Vor allem Menschen im Rollstuhl oder Familien mit Kinderwagen sind nun nicht mehr ausgeschlossen, diesen Landstrich in Augenschein zu nehmen (selten, sehr selten, beginnt oder endet so ein Steg mit einer Treppe – aber die Idee vom „Erhalt des Naturerbes und der Biodiversität der Küstengebiete, der Schutz vor Erosion und nicht zuletzt die Sicherheit der Besucher dieser Gebiete“ bleibt!).
Wir wanderten von der Ponta Richtung Osten. Da wir zu Beginn der Wanderung ein Zeitfenster für unser Mittagessen ausgemacht hatten, war das Ziel nicht das Ende der Steilküste vor dem Strand von Luz, sondern ein Zeitpunkt: Wendepunkt auf halber Strecke. Hatten wir so noch nicht, aber der freundliche Hinweis bei der Reservierung, dass der Tisch bei Nichterscheinen anderweitig vergeben würde („Wir warten zehn Minuten!„), wirkte durchaus motivierend. So schafften wir es genau bis zur Hälfte zwischen der Praia do Porto de Mós und dem Abstieg nach Luz – aber erstens hatten wir genug gesehen und zweitens schon so viel Vorfreude auf das Essen, dass wir uns nicht über unsere eigene Planung ärgerten.
Die Wanderung begann an einer Kreuzwegstation – der letzten von 14 Stationen. Irgendwie fanden wir das passend zum Namen des Ortes: Ponta da Piedade heißt übersetzt Punkt der Frömmigkeit. Von hier aus ist man schnell an der Küste (auf offiziellem Trampelpfad zum Holzsteg!) und kann erst einmal innehalten wegen des sagenhaften Lichts (wenn man nicht gerade Pech hat und es bewölkt ist). Das Meer changiert in Blau- und Türkistönen, die Felsen der Steilküste halten ocker bis rötlich dagegen, grüne Büsche und dann auch noch (im Januar!) Blütentupfer in Weiß und Gelb tun ihr Übriges zum Wohlfühlen. In der Ferne am Küstenstreifen erkennen wir Luz und ahnen, dass dahinter der Abschnitt bis Burgau liegt, den wir schon gewandert sind.
Was wir nicht sehen konnten: unser Zwischenziel Praia de Porto Mos, denn dieser Strand liegt hübsch eingebettet zwischen zwei Felsvorsprüngen. Überhaupt ist die Küste hier sehr zerklüftet, es gibt immer wieder kleine Buchten, den einen oder anderen einsamen Felsstumpf im Wasser und immer wieder fotogene kleine Torbögen in den Felsen. Auf diese Ausblicke muss man auch nicht verzichten, wenn man auf den Holzstegen bleibt, denn es gibt immer wieder Abzweigungen vom allgemeinen küstenparallelen Verlauf zur Abbruchkante. Man muss sie nicht alle gehen, aber ab und zu lohnt es sich, haben wir festgestellt. Und sei es nur, um an den Menschen zu verzweifeln, von denen es genug gibt, die – um rund 84 Meter Steg zu sparen – Latten herausreißen und eine Abkürzung durch die Dünen wählen.
Leider verlässt man die grüne Spitze der Ponta da Piedade recht schnell und muss ein Stück durch die wenig inspirierende Bebauung von Torraltina und Porto de Mós laufen. Wie der Namensbestandteil Porto vermuten lässt, geht es nun hinunter zum Meer. Wir sehen: einen großen Parkplatz, eine Bushaltestelle, eine biblioteca de praia (nur im Sommer bestückt), einen Sandstrand und sanftes, fast wellenfreies Meer. Nicht gut für Surfer! Zwei Restaurants sorgen für die Gäste, in einem waren wir schon 2017. Im Januar hatte das Campimar wegen Renovierung geschlossen. Die Karte draußen vor der Tür ließ allerdings den Schluss zu: alles wie vor etwa sieben Jahren, nur etwas teurer…
Die Steilküste kann nur deshalb so imposant wirken, weil ihr oberes Ende ziemlich hoch über dem Meer liegt. Also stiefelten wir wieder vom Meeresniveau auf etwa 80 Meter hoch, bis der Wecker klingelte. Der Wunsch war natürlich, so weit wie möglich zu kommen, am liebsten bis zur Rocha Negra über dem Strand von Luz. Aber es sollte nicht ganz sein – und kein Essen zu bekommen war uns dann doch zu riskant, also: Umkehr zur Hälfte der Wanderzeit. Das sollte sich übrigens als gute Idee erweisen, denn kurz nach der Ankunft im O Camillo begann es zu regnen…
Nach dem Essen sollte man ja bekanntlich tausend Schritte thun, weswegen wir den 2017 nicht zugänglichen Teil der Küste (Zitat: „Gleich nebenan war ein Zaun um die nächsten 85.000 m2 Küstenlandschaft gezogen, um auch die gewinnbringend zu verkaufen„) erkundeten – auf dem Holzsteg, wie sonst. Auch wenn es einer mit Treppe am Ende war…) Gen Ende des Wegs sahen wir eine uns schon bekannte Ruine, die an Charme nicht gewonnen hatte. Die Praia Dona Ana hatten wir ja auch außerhalb dieser Fehlinvestitionen in nicht so guter Erinnerung, aber egal: wir hatten ja gut gespiesen und waren also nicht angewiesen auf die buchteigene Weinbar. Und die Bucht machte sich im Gegenlicht des sich anbahnenden Sonnenuntergangs dann doch ganz pittoresk.
Den kompletten Sonnenuntergang sollte man sich allerdings wieder in der Nähe der Ponta da Piedade ansehen, denn da hat man freie Sicht bis zum Touchdown am Horizont. Es gibt bei Google Maps so spannende Ortspunkte wie Sunset Lagos und nur wenig weiter den noch spannenderen Punkt namens Secret sunset point. Das entbehrt ja nicht einer gewissen Komik, einen Punkt bei Googler Maps secret zu nennen – aber vielleicht ist es ja auch nur ein Zeichen grenzenloser Fehleinschätzung und Naivität. Egal: wir strebten weder den einen noch den anderen Punkt an, sondern einen dritten. Ich überlege, ihn mitsamt Fotos bei Maps als best photo position for sunset shootings einzureichen.
Neben dem Sonnenuntergang bzw. parallel dazu gab es noch ein anderes Schauspiel zu beobachten: Vogelschwärme. In Formationen trieben sie ihr gewohntes (und doch immer wieder faszinierendes) Spiel, zogen mal hierhin, mal dorthin. Und dann plötzlich stürzte eine Formation nach der anderen sich ins Meer. Also nicht wirklich, es sah nur so aus, denn die Vögel hatten alle ihre Plätze in den Felsen. Exakt mit dem Verschwinden der Sonne rauschte die letzte der eingangs sehr vielen Schwärme auf den gemeinsamen Schlafplatz.
Das Restaurant zur Wanderung: Restaurante O Camilo (2017 | 2024)
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