Napoleon hat Schuld. An Allem, aber vor allem natürlich daran, dass er im Taubertal (und wo er sonst noch so gewonnen hatte und seine Ideen durchsetzen konnte) für die Erben die Realteilung durchsetzte, wobei der gesamte Besitz im Erbfall unter den Geschwistern aufgeteilt wurde. Und so wurden die Grundstücke immer kleiner – bis dann die Flurbereinigung in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder Flächen zusammenführte, die mal zusammen gehörten, und dabei allerlei mittlerweile andere gewachsene Dinge zerstörte. Aber Napoleon ist auch Schuld daran, dass das relativ kleine Taubertal gut für Fragen in Erd- wie in Weinkunde taugt: Auf knapp 80 Kilometern Weinanbau entlang der Tauber kann man Wein aus Franken, Württemberg und Baden trinken. Wer weiß das schon? Also schielen wir vorsichtshalber schnell mal auf die Etiketten, als wir in Lauda im Weingut Johann August Sack ankommen. Tauberfranken steht da – also Baden. Man lernt ja nie aus…
Karlheinz Sack begrüßt unsere kleine Reisegruppe vor einem veritablen 1000-Liter-Holzfass. Das Fass sieht aus wie neu, ist aber rund hundert Jahre alt – was wir sehen, wurde allerdings erst 1988 geschnitzt, nach einer Vorlage von 1561. Das Motiv zeigt den Weinbau um Lauda zu jener Zeit, und erstaunt nahmen wir zur Kenntnis, dass der Winzer mit einer so genannten Strumpfkappe gezeigt wird. Haben wir ja heute noch, nur nennen wir es Buff 😉
Karlheinz Sack bewirtschaftet derzeit zehn Hektar. Das war nicht immer so, bis 2010 war es deutlich weniger. Wie es dazu kam, will Sack uns auf einer kleinen Wanderung erzählen, die uns zum Laudaer Altenberg führt. Na gut, dann warten wir noch ein Weilchen und erfahren bis dahin, dass die ersten Etiketten des Weingutes aus der Zeit um 1924 stammen, was aber wohl lediglich den Beginn des Verkaufs von Flaschenwein signalisiert, denn die Wurzeln des Weinbaus in der Familie reichen in frühere Generationen zurück.
Nun also los, die Wanderschuhe geschnürt und ab durchs alte Stadttor rauf auf den Altenberg. Der sei, erklärt Karlheinz Sack, noch recht ursprünglich und „nicht durch die alles egalisierenden Rebflurbereinigung in den 70er Jahren“ verschandelt worden. Anfangs bleibt das noch ein wenig Theorie, denn erstens geht es richtig gut hoch und zweitens tut es das in einem Hohlweg – man sieht, dass man nichts sieht. Doch dann wird schnell klar, was unser kundiger Weinführer meinte: wir sehen eine abwechslungsreiche Landschaft mit Weinbergen, Hecken, Wiesen, Obstbäumen, Trockenmauern und immer wieder Steinriegeln. Wobei: dass das, was wir da sehen, Steinriegel sind, mussten wir erst gesagt bekommen: „In mühevoller Arbeit haben Generationen von Winzer Steine aus ihren Weinbergen aufgelesen und zu mächtigen Steinwällen aufgehäuft, die wie Eidechsen in der Sonne liegen und die Wärme der Sonne speichern!“ erzählt Sack.
Wir erreichen eine Stelle, an der bergab zwei, drei Terrassen weiter unten ein größeres Anwesen zu sehen ist: das ist das Rebgut, heute ein Hotel mit Restaurant. Das Staatliches Rebgut wurde 1930 als Außenstelle der „Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg“ zur Wiederbelebung und Förderung des Weinbaus in Lauda eröffnet. Denn während im Mittelalter mit mehr als 10.000 ha hier das größte zusammenhängende Weinbaugebiet anzutreffen war, dümpelte man Anfang des vorigen Jahrhunderts bei ca. 500 ha herum. „Das Wissen für den Weinbau war an Klöster gebunden, und als die aufgelöst wurden, ging das Wissen verloren“, erklärt Sack. Und wer war Schuld? Genau: Napoleon. Aber egal: das Staatliche Rebgut bzw. die dort arbeitenden Leute machten offensichtlich einen guten Job, denn ihre Arbeit war bei Winzern und anderen Fachleuten anerkannt – in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts päppelte man hier beispielsweise die Rebsorte „Tauberschwarz“ wieder auf, die als autochthone Sorte der Gegend vorm Aussterben bedroht war.
Doch genau an dieser Stelle trinken wir keinen Tauberschwarz, sondern einen Gemischten Satz, den der Winzer aus einem Versteck im Weinberg – inklusive Kühltasche und Gläsern – hervorgezaubert hat. Sack hat die ca 6 ha Rebfläche des alten Versuchsguts 2010 gekauft, nachdem er sie vorher schon im Auftrag des Landes bewirtschaftet hat. Der Gemischte Satz wächst genau hier, zur Mischung tragen bei Müller-Thurgau, Bacchus und Kerner. Je sechs Reihen stehen davon auf der Parzelle, alle an einem Tag geerntet und dann anschließend auch gemeinsam gekeltert. „Der Reiz, “ sagt Sack, „besteht darin, dass der Kerner zum Lesezeitpunkt noch nicht optimal ist, der Müller gerade richtig und der Bacchus etwas zu spät war!“ Unterschiedliche Reifegrade, unterschiedliche Erntemengen – aber zusammen ein extrem frischer und Spaß machender Wein.
Wir wandern auf dem Muschelkalk, der dem Wein hier den besonderen Geschmack gibt. „Die Wege sind da, wo er an die Oberfläche tritt“, lernen wir. Vorbei an tropfenden Ruten („da kommt der erste Saft, man sieht es förmlich!“) geht’s zur Anlage, wo der Tauberschwarz wächst. „Diese Sorte ist Segen und Fluch zugleich!“ meint Karlheinz Sack. Zum Segen gehört sicher, dass sie den Namen des Anbaugebiets, in dem wir uns gerade befinden, in sich trägt. Wir erfahren vom kundigen Winzer, dass es die Sorte im Mittelalter europaweit gab, jetzt aber nur noch in Polen, Tschechien und eben im Taubertal. Zum Fluch gehört eher, dass diese Sorte jede Menge Arbeit macht, wie Unkraut wächst und empfänglich für Fäulnis ist. Obendrein ist sie dünnhäutig – weswegen der Namensbestandteil schwarz eher verwirrt: der Wein im Glas ist arg hellrot. Aber kühl getrunken breitet der fruchtige Wein (Kirsche! Brombeere!) großes Vergnügen und ist ein Tipp für warme Sommertage. Die Hauptanbaufläche für den Tauberschwarz des Weinguts Sack ist übrigens der Königshöfer Kirchberg: Diese Fläche war in den 1970er Jahren eine Außenstelle der Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg. Die ersten Anbauversuche der züchterischen Bearbeitung fanden ab 1980 auf dieser Rebfläche statt.
Weingut Johann August Sack
Bahnhofstraße 30
97922 Lauda-Königshofen
Tel. +49 9343 / 62210
www.weingut-sack-lauda.de
[Pressereise auf Einladung vom Weininstitut Württemberg GmbH und der Badischer Wein GmbH im Vorfeld der Baden Württemberg Classics, die am 22. und 23. April in Dresden stattfindet.]
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