Wenn man schon keinen runden Geburtstag hat, dann muss man den ja auch nicht auf den Tag genau feiern. Also gab es bei Gräfe’s Wein & fein in Radebeul (dem Zentrum guter und auch gereifter Rieslinge) schon ein paar Tage vor dem 589. Riesling-Geburtstag einen Abend mit sieben Rieslingen aus dem Jahr 2015 – ein Sekt, sechs Stillweine. So stand’s jedenfalls in der Ankündigung, aber spontan („Wer mich kennt, weiß: es gibt immer mehr“, meinte der Herr Gräfe, „denn wir müssen aufhören, weniger Wein zu trinken!“) gab es dann noch zwei Zugaben, so dass es letztendlich neunmaliges Staunen und Genießen wurde.
„Es wird kein Kindergeburtstag heute!“, versprach Matthias Gräfe zur Begrüßung. Zusammen mit Sylke Scholz moderierte er die Riesling-Reise mit Nur Riesling aus fünf deutschen Anbaugebieten. Es ging dabei unter anderem um Mineralität im Wein (lecken am Stein?), dem Spiel mit Vorurteilen (Sekt muss jung getrunken werden!) und die Erkenntnis, dass ein eher unaufwändiges Abendbrot mit (gutem, nach was schmeckendem…) Käse, Schinken, tollem Sauerteig-Brot von Elias Boulanger mit einer Paté, einer Tomatenleberwurst, Obatzer und Oliven sowie Flammkuchen dem Gespräch am Tisch durchaus dienlich sein kann. Zumal, wenn alles zwar in ausreichender Menge in der Mitte des Tisches steht, aber offenbar grundsätzlich entweder alles vor Dir („Kannste mir mal das Brot reichen, bitte?„) oder weit genug weg bei jemand anders (lustigerweise die gleiche Frage: „Kannste mir mal das Brot reichen, bitte?„). Da kommen sogar Satzmuffel ins Gespräch…
Nicht geredet haben darüber, ob eine Rebsorte überhaupt Geburtstag – den #rieslingbirthday – haben kann. Die ehrliche Antwort wäre ja auch eher ein „nein!“, denn was wir haben, ist eine erste urkundliche Erwähnung: auf einer Rechnung vom 13. März 1435 lesen wir, dass Klaus Kleinfisch, ein Verwalter von Johann IV. von Katzenelnbogen, für einen gräflichen Weinberg in Rüsselsheim für 22 Schilling Setzreben einer neuen weißen Rebsorte kaufte: diese seczreben rüßlingen markieren also die offizielle Geburtsstunde, aber wir ahnen schon: die kommen ja nicht von ungefähr, sondern es gab diesen Rüssling schon. Nur eben unerwähnt. Die Grabplatte des Grafen von Katzenelnbogen befindet sich übrigens im Kloster Eberbach, wo auch der Begrüßungssekt herkam. Selbst versektet auf dem Kloster – mit Trauben aus dem Rauenthaler Baiken. Ein appetitmachender Aperitif.
Riesling steht weltweit ja für deutschen Wein. „Wir müssen da gar nicht mit unseren tollen Burgundern kommen“, verriet mir mal eine Winzerin über ihre Exporterfahrungen. Kein Wunder: Deutschland gilt nicht nur als Heimat des Rieslings, hier stehen auch mit 24.410 Hektar (alle Zahlen sind von 2022) ca. 40% aller Rieslinge der Welt. Im Rheingau (wo der Kloster-Eberbach-Sekt herkam) nimmt der Riesling mit rund 2.460 ha fast 78% der dort verfügbaren Rebfläche in Anspruch. Das größte deutsche Riesling-Anbaugebiet ist die Pfalz (ca. 5971 ha), gefolgt von der Mosel (ca. 5.354 ha) und Rheinhessen (ca. 5.304 ha). Größere Riesling-Anbauflächen findet man zudem in Württemberg (ca. 2.134 ha), an der Nahe (ca. 1.236 ha) sowie in Baden (ca. 911 ha). In Sachsen ist Riesling zwar die am meisten angebaute Rebsorte überhaupt, sie steht aber nur auf etwas über 70 ha (von insgesamt 527 ha bestockter Rebfläche in Sachsen insgesamt).
Auf eine lange Weinbautradition blickt das Kloster Eberbach zurück, aber auch an der Mosel können sie alt und jung zugleich sein: im Weingut Geierslay sind in 19. Generation Max Kilburg und seine Schwester Sabine seit 2016 verantwortlich. Da könnte der 2015 Riesling Grauschiefer ihr erster Jahrgang im Keller gewesen sein! Wie auch immer: wunderbar gereift, immer noch Druck am Gaumen.
Auf der weiteren Weinreise konnte man schmecken, weswegen der Riesling bei so vielen Weinenthusiasten so begehrt ist: einerseits schmeckt Riesling immer sehr nach Riesling (klingt komisch, ist aber so…), andererseits spiegelt der Riesling aber wie kaum eine andere Rebsorte die Unterschiede der Böden und der jeweiligen klimatischen Bedingungen wider. Wir düsten also von der Mosel zurück in den Rheingau wo die Lagen im Johannisberg nicht nur vom bekannten Schloss Johannisberg, sondern auch von Familie Trenz bewirtschaftet werden: Mosel war Schiefer, jetzt ist es Quarzit: schmeckt man! Dann runter nach Rheinhessen zum VDP-Weingut Gutzler, um einen Gutswein aus Rheinhessen zu probieren und festzustellen: auch die breite Basis der Pyramide kann in Ehren altern. Und dann: Schloss Wackerbarth, also fast ein Nachbar in Radebeul. Ein Staatsweingut – aber warum nicht? Vor allem ist es ein ansehenswertes, wo man immer mal wieder etwas entdecken kann. Zum Beispiel einen Riesling Kabinett, natürlich an diesem Abend Jahrgang 2015, aus dem Radebeuler Steinrücken, und zwar das Stück an der Friedensburg. Unter wenig Erde kommt viel Granit. Da müssen sich die Reben durchbeißen. 4 g Restsüße hat dieser Kabinett, was zusammen mit Rammenauer Bratwurst und einem Handkäs mit Musik (die waren doch gar nicht angekündigt? Ach so, der Wein ja auch nicht…) in der Spezial-Version mit Knoblauch, Weißwein, Kräutern ein Knaller war.
Zurück nach Rheinhessen, zuerst Bischel und dann Knewitz. Beide sind mittlerweile auch im VDP – damals noch nicht, und beide kommen aus (bzw. haben ihre Betriebe in) Appenheim. Es ist übrigens keine Voraussetzung für die Aufnahme in den VDP, dass der Radebeuler Weinfachhändler die Flaschen im Sortiment hat. Es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass hier der wesentlich unbekanntere Verband Hiesiger Prädikatsweintrinker (VHP) eine Dependance hat.
Weingut Winter, wieder VDP, wieder Rheinhessen. Wieder gut. Und fast das Ende des Abends, wäre da nicht der zweite Bonuswein: Gut Hermannsberg an der Nahe, ein feinherber Riesling mit Karsten Peter als Mastermind dahinter. Nicht erst da bekam die ganze Idee des Abends Kontur: eigentlich müsste man nach dem Kauf solcher Weine immer mindestens fünf Jahre warten! Oder auch acht… Oder hoffen,dass der Weinhändler des Vertrauens das macht.
Die Rieslinge
- 2015 Riesling Brut Crescentia, Rauenthaler Baiken, Kloster Eberbach, Rheingau
- 2015 Riesling Grauschiefer, Weingut Geierslay, Mosel
- 2015 Riesling Signature trocken, Weingut Trenz, Rheingau
- 2015 Riesling „Mineral“, Weingut Gutzler, Rheinhessen – VDP Gutswein
- 2015 Radebeuler Steinrücken, Riesling Kabinett, Schloss Wackerbarth, Sachsen
- 2015 Riesling „Mineral“, Weingut Bischel, Rheinhessen
- 2015 Riesling vom Kalkfels, Knewitz, Rheinhessen
- 2015 Riesling Steinwein, Weingut Winter, Rheinhessen – VDP Gutswein
- 2015 Riesling feinherb, Gut Hermannsberg, Nahe
Gräfe‘s Wein & fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul
Tel. +49 351 / 8365540
graefes-weinundfein.de
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