Ein sternewürdiges Menü

Unterwegs im Ampelmännchen-Land Carla Zwylle berichtet von ihren Erlebnissen beim Champagnermenü

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Unsere Sommerreise in die drei Kempinski Hotels (Stammleser/innen konnten im vergangenen Heft einen Beitrag dazu lesen) hat Lust auf mehr gemacht. Das alte zwyllesche Familienmotto: „Man gönnt sich ja sonst auch was!“ im Hinterkopf, diskutierte ich mit dem besten Ehemann von allen das Angebot des Taschenbergpalais, für einen Abend nach Dresden zu reisen. Nicht nur so, sondern um ein Menü zu genießen, das Küchenchef Alexander Tschebull rund um Champagner komponiert hat. Erstaunlich schnell waren wir uns einig – und sollten es nicht bereuen!

Der Abend begann im einmaligen Ambiente des Treppenhauses, das Barockbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann dem Taschenbergpalais geschenkt hat: Als er sich vor knapp 300 Jahren im Auftrag von August dem Starken die doppelläufige vierflügelige Treppe ausdachte, war das ein Meisterstück – zu schade, um nur herauf- oder herabzugehen! Also ist diese Treppe jetzt ein trefflicher Ort, um einen genußversprechenden Abend stilvoll einzuleiten.

Der Champagnerempfang mit verteufelt leckeren Häppchen hätte endlos weitergehen können: Irgendwann werden sie im Taschenbergpalais bestimmt auf den Treppenabsätzen das Dinner servieren – Platz wäre ja, aber die Leute vom Service würden sicher nicht so beglückt sein! So also gingen wir, nach den ersten Gläsern Moët Chandon Brut Imperial aus der Magnum-Flasche, ins Restaurant Intermezzo. Mein wertkonservativer Ehemann, bekanntlich sonst der beste von allen, konnte sich mit der geschmackvollen Dekoration, den eingedeckten Tischen und dem Restaurant-Ambiente mehr anfreunden als mit meinen Phantasien übers Essen im barocken Treppenhaus. Da ein solcher Abend aber nicht dem Streit dienen solle, einigten wir uns auf den Grundsatz: „Entscheidend ist, was oben drauf kommt!“

Und das war eingangs eine Pyramide von der Wachtel und Kalbsbries an gebeizten Rehnüßchen mit eingeweckten Steinpilzen. Dazu gab es einen 88er Moët Chandon Brut Imperial, wieder aus der Magnumflasche. Georges Blanck, Chefoenologe aus dem Hause Moët-Chandon, dessen Champagner uns diesen Abend begleiten sollten, machte uns nebenbei vor jedem Gang etwas schlauer. So erfuhren wir, warum der Champagner so heißt wie er heißt, und was es mit Napoleons Hut auf sich hat, der in einer Vitrine des roten Salons ausgestellt und zudem noch wirklich echt war.

Spätestens beim zweiten Gang lernten wir, die Verhältnisse umzuformulieren – was, wie sich später beim Gespräch mit Küchenchef Alexander Tschebull herausstellte, aber durchaus Sinn des Abends war: Es gab einen 78er (!) Moët Chandon Brut Imperial, und dazu wurde ein feines Flußkrebsragoût mit weißem Trüffel, Rosenkohlblättern und Erbsenblinis gereicht.

Zum 90er Dom Perignon aßen wir gebratene Tranche vom Steinbutt, mit Koriander parfümiert – und wunderten uns, wie harmonisch das zusammenging. Bevor der beste Ehemann von allen noch seine Frage zu Ende formulieren konnte, ob sich das noch steigern ließe, servierte das immer freundlich lächelnde und wieselflinke Personal vom Service unter der fachkundigen Leitung von Yvonne Tschebull den Hauptgang: 1985er Dom Perignon. Und natürlich auch was Festes: Fasanenbrust in der Apfel-Selleriekruste auf Cassis-Feigen mit Kartoffelbuchteln. Schlichtweg grandios, stellten wir fest.

Und was waren wir erst einmal überrascht, als wir später erfuhren, daß der Chef bei der Komposition des kompletten Menüs die Champagner nur vom Lesen kannte, sie also gar nicht getrunken und geschmeckt hatte! Bis er uns das erzählen (und dabei auch endlich selber einmal ein Glas genießen) konnte, mußte er aber noch das Menü zum runden Schluß bringen. Zum 86er Dom Perignon rosé hatte Tschebull sich – wieder in vollkommener Harmonie zum Geschmack des Champagners – ein Topfensoufflé mit karamelisierten Feigen einfallen lassen.

Nach dem vielstündigen Genuß hatte sich das Team aus Küche und Service den Beifall redlich verdient, den die gut zwei Dutzend Mitesser aufrichtig spendeten, als Moët-Chandon Verkaufsrepräsentant Dieter Mittelsdorf den Abend noch einmal Revue passieren ließ. Großes Lob auch vom Chefoenologen Blanck, der Tschebull am liebsten vom Fleck weg engagiert hätte, seine Gäste im heimischen Épernay zu bekochen…

Carla Zwylle

Veröffentlicht in: trialog 1/1999
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