Eine gehörige Prise Nachdenklichkeit mit einem ordentlichen Schuss Humor

Premiere der Serkowitzer Volksoper: Diener dreier Herren. In der Sommerwirtschaft Saloppe.

Szenenbilder „Diener Dreier Herren“ (Alle Fotos ©Robert Jentzsch)

Wenn schlaue Leute über das Raum-Zeit-Kontinuum reden, dann kann man schnell die Übersicht verlieren. Wenn aber die Serkowitzer Volksoper drei Diener mit ihren drei Herren aus drei Jahrhunderten gemeinsam auf die Bühne bringt, dann ist das – ob trotz oder wegen des Gesangs, wird sich zeigen – eine köstliche Melange aus Nachhilfe dreier Stücke, die man immer schon mal gesehen haben sollte, mit einer gehörigen Prise Nachdenklichkeit und einem ordentlichen Schuss Humor. Das Problem der Raumzeit stellt sich allenfalls am Ende, wenn man überrascht feststellt: huch, da sind ja nun (mit Pause) drei Stunden vergangen – und es mir nur wie ein kurzer Clip auf YouTube vorgekommen.

Die Diener Sancho Pansa, Leporello und Matti sind selbstredend die Angenehmeren in diesem Stück aus dem Leben. Nicht nur, aber sicher auch, weil mit Paula Götz, Julia Böhme und Dorothea Wagner drei starke Frauen dahinter stecken. Ihre Herren sind entweder realitätsfern-verträumt-trottelig (Don Quijote – Wolf-Dieter Gööck), selbstverliebt-selbstbewusst-berufsverführerisch (Don Giovanni – Cornelius Uhle) oder perma-betrunken-nett/nüchtern-kapitalistisch (Puntila – Claudius Ehrler). Und das trifft’s ja alles auch nur höchstens zur Hälfte, denn die Kunst der Serkowitzer Volksoper ist es ja, alles mit Allem zu verquicken und vermischen. Und da passieren auch schon mal time warps, wenn aus dem Ritter von der traurigen Gestalt des frühen 17. der tattrige Opi des 21. Jahrhunderts wird, der als Robin Hood oder Zorro via YouTube einfach mal mit der Zeit gehen will.

Heilloses Durcheinander? Schon auch. Aber da ist ja die Musik, die uns hilft. Denn die ist, selbst wenn man sich da nicht so dolle auskennt, eindeutig zuzuordnen. Das spanische Duo Sancho Pansa-Don Quijote kriegt seine Renaissanceklänge, Leporello und Don Giovanni haben es mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart besonders schön und Paul Dessau, der den Puntila vertont hat, könnte einen Teil der nicht erprobten Zwölftontechnikohren verunsichern. Ist aber alles halb so schlimm, sagt jemand, der dezidiert lieber zwischen Mozart und Renaissance pendelt, so rein musiktechnisch. Das Minimalorchester Musi nad Labem der Serkowitzer Volksoper unter der Leitung von Milko Kersten schafft es jedenfalls, alles fein ineinander übergehen zu lassen – und kennt die Wohlfühlräume seines Publikums offenbar ganz gut.

Wobei wir nun bei der eingangs schon gestreiften kühnen These angelangt wären, dass einem etwas trotz oder wegen des Gesangs gefällt. Es ist nämlich so, dass Oper in all ihren Ausprägungen nicht immer allen gefällt. Vor allem diejenigen, die einen gewissen sozialen Stellenwert errungen (zu glauben) haben, gehen ja auch gerne mal in die Oper, weil man das so macht, wenn man dazu gehören will – und sie ahnen ja nicht einmal, dass „d-Moll durchaus traditionell für den Affekt der Rache und Vergeltung“ steht (entnehme ich staunend der Wikipedia), selbst wenn man ihnen verrät, dass die Ouvertüre des Don Giovanni so beginnt.

All diesen heimlichen Oper? Or nö!-Menschen muss aber gesagt werden, dass man selbst und gerade als Mitglied dieses Volksanteils bei der Serkowitzer Volksoper sein klammheimliches Vergnügen haben kann. Denn die heißen ja nicht nur Oper, sondern auch Volk, und dem schauen sie schon aufs Ohr. Und in der Bezeichnung Serkowitz steckt ja auch schon der Witz drin, der das Ensemble ausmacht (obschon das schlimmste Laienetymologie ist, denn eigentlich ist da nix Witziges im Ortsnamen). Der Spagat zwischen Respekt und Respektlosigkeit gegenüber dem musikalischen Erbe, den die Musikerinnen und Musiker wagen, führt aber zu großer Freude. Und die haben sie hör- und sichtbar alle im Team. Und weil sie alle bestens ausgebildet sind, können sie sich die Freiheit nehmen, mit all den möglichen Opern-Vorurteilen im Publikum zu spielen. Können? Nein: sie nehmen sich diese Freiheit einfach!

Bei der Premiere gab’s dafür gaaaanz viel Applaus.

Oh. One more thing.

Das ist ja noch dieses Virus. Also gab’s einen Prolog, den Clemens Kersten geschrieben hatte und auch vortrug. Ich erlaube mir nicht komplett, aber doch etwas länger zu zitieren: „DAS Gebot in diesen Zeiten: / Coronavirus nicht verbreiten./Säßen Sie im Flieger drin,/wär das alles halb so schlimm./Doch wehe sie woll’n Opern lauschen,/mit Hochkultur sich gar berauschen, wie hier./Bei Mozart, Dessau oder Brecht/egal was spielt, Sie ham das Recht/ gesund zu bleiben und noch lang zu leben,/drum muss es ein paar Regeln geben.“ Die dann aber gar nicht schlimm waren!

Die Serkowitzer Volksoper spielt (man ist geneigt zu schreiben: natürlich) nicht in Serkowitz, obwohl es da auch sehr hübsch ist. Die „unkorrekte Schaubudenoper“ hat ihren Theaterwagen, wie immer, in der Sommerwirtschaft Saloppe aufgestellt. Und obwohl das Vergnügen vom Gefühl her eher open air stattfindet, sitzt man im Falle eines Sommerregens trocken, weil es ein festes Dach gibt.

Aufführungen finden an diesen Tagen statt (jeweils 19.30 Uhr, Einlass ab 18.30 Uhr):

  • Mittwoch, 19. August 2020
  • Sonntag, 23. August 2020 (zusätzlich auch 15.00 Uhr, Einlass ab 14.00 Uhr)
  • Montag, 24. August 2020
  • Mittwoch, 26. August 2020
  • Mittwoch, 02. September 2020
  • Sonntag, 06. September 2020
  • Montag, 07. September 2020
  • Mittwoch, 09. September 2020

Preise im empfohlenen Vorverkauf 25 €/ermäßigt 18 € zzgl. VVK-Gebühren
Restkarten an der Abendkasse 28 €/20 €.

www.serkowitzer-volksoper.de

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