Sardische Handwerker

Zu Gast in der Bäckerei Ferreli, dem Pastamacher Vito Arro (beide Lanusei) und der Käserei Silvio Boi (Cardedu)

Handwerker in der Ogliastra

Als wir beim Besuch der Ogliastra den Bürgermeister von Lanusei trafen, sprach Davide Ferreli auch über den Export typisch sardischer Produkte. Neben Wein, der es als Exportartikel nicht allzu schwer hat, gibt es aber noch eine Menge anderer handwerklicher Produkte. Wir besuchten die Bäckerei Ferreli, die Pastamanufaktur I Sapori di Arra Vito in Lanusei und die Käserei Boi in Cardedu.

Der Bäcker

Panificio Artigianale FerreliDie Panetteria Ferreli gibt es seit 1954. Mittlerweile haben die Brüder Davide und Simone die Bäckerei vom Vater übernommen. Neben ganz normalen Backwaren haben sie sich auf zwei sardische Traditionsbrote spezialisiert: pane Carasau und pane Pistoccu. Beides sind ungesäuerte Brote. Das pane Carasau sei „ein altes Brot für die Neuzeit“, sagt Simone Ferreli. Ursprünglich haben es die Schäfer geschätzt, denn das zweifach gebackene Brot aus Hartweizengrieß, Wasser und Hefe hält sich lange. Obendrein ist es leicht – und knusprig. So ist es ideal für die Schäfer, die mit ihren Schafen durch die Berge ziehen. Das Pistoccu ist im Prinzip gleich gemacht – nur dicker. „Und manchmal“, verriet Ferreli, „ist statt Hartweizengriße auch Vollkornmehl drin, selten auch Kartoffelmehl.“

Carasau – das klingt ja so knackig wie das Brot ist. Beim Besuch der Bäckerei fanden wir auf einer Verpackung auch den deutschen Begriff: Schmackhafte Langkonservierungsbrotblätter. Da sollten die Macher noch mal dran arbeiten – der Begriff ist ja länger als die Haltbarkeit des nahezu endlos haltbaren Brotes!

Der Teig für das Brot geht eine Stunde („den ersten Schlaf“ nannte es der Bäcker), dann wird er ausgerollt und schläft mit hoher Luftfeuchte (rund 80%) eine zweite Runde – etwa 50 Minuten. Der dann folgende erste Backvorgang im Ofen hat was Zauberhaftes: aus einem Teigstück werden zwei Brote! Wie das? Was immer da genau passiert, aussehen tut es so, dass der Rundling reinkommt und beim Backen gehörig aufgeht, so dass man ihn auseinandernehmen kann. Aus eins mach zwei – gutes Geschäftsmodell, oder? Aber so einfach lässt es sich nicht nachmachen, denn im Ofen ist es mit 500 Grad schon richtig heiß.

Die Haltbarkeit entsteht dann mit dem zweiten Backvorgang – im Prinzip kennen wir das ja vom Zwieback. Das auseinander genommene schon einmal gebackene Brot kommt für eineinhalb bis zwei Minuten in den 400 Grad heißen Ofen – am Ende kommt das krosse Brot raus, das dann für die handelsübliche Verpackung zerschnitten wird. Das halbkreisförmige pane Carasau gibt es in Sardinien in allen einschlägigen Läden zu kaufen – und im Restaurant wird es in der Regel vor dem und zum Essen gereicht.

Die Bäckerei mit fantastischem Ausblick auf Lanusei verarbeitet 700 Kilo Hartweizengrieß am Tag. Das geht nicht mehr in reiner Handarbeit – Maschinen helfen. Handwerk sei es trotzdem, meint Ferreli: „Du musst genau wissen, wie es geht – und die Maschinen kontrollieren und regulieren!“

Panificio Artigianale Ferreli
119, V. Marconi
08045 Lanusei
www.ferreli.it

Der Nudelmacher

I Sapori d'Ogliastra die Arra VitoDie Manufaktur I Sapori di Arra Vito gibt es seit 2002 – zuerst war sie in Cardedu beheimatet, jetzt in einem schmucklosen Industriebau am Rande von Lanusei. Hinter der Null-Acht-Fuffzehn-Fassade tut sich aber eine moderne Manufaktur auf. Da hier frische Lebensmittel gefertigt werden, sind Haarnetz, Kittel, Schuhüberzieher und das Sterilisieren der Hände vor dem Betreten normal. Im Produktionsbereich stehen moderne Maschinen, die die langweilige Arbeit verrichten: Den Teig wälzen und platt machen zum Beispiel. Oder runde Plättchen ausstechen. Und die Füllung anliefern, die in den Teig kommt. Der Mensch kommt später ran!

Hier entstehen nämlich culurgiònes. Außen Teig, innen Füllung – klingt wie Ravioli – und die sind es auch, quasi. Die Füllung aber ist speziell und macht die culurgiònes zu einer Spezialität der Ogliastra: Kartoffeln, frischer Peccorino und Minze geben ihr einen ganz eigenen Geschmack. Diese Pasta frisch und authentisch herzustellen, hat sich Vito Arra vorgenommen – und deswegen spielen Menschen neben hervorragenden Grundprodukten dann doch noch eine große Rolle. „Zwischen sechs und 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen am Ende des Fließbands Hand an!“ sagt Vito Arra.

Es sind hauptsächlich Mädels, die hier arbeiten – und sie stehen sich jeweils zu zweit gegenüber, schwatzen, scherzen, lachen. Ihre Hände arbeiten derweil flink und unermüdlich: sie zaubern aus dem ausgestochenen Teig eine Form, die wie eine Ähre verziert aussieht. Das fertige Produkt, berichtet uns Vito Arra, verkauft er nicht nur auf ganz Sardinien, sondern auch in Norditalien und in Brüssel.

Brüssel? Das ist wahrscheinlich kein Zufall, denn Arro hat sich sehr stark dafür gemacht, dass die culurgiònes europaweit als Produkt mit geschützter Bezeichnung für die Ogliastra anerkannt werden. Seit 2015 sind sie nun ein IGP, eine Indicazione geografica protetta und damit als Produkt der Ogliastra anerkannt.

Anmerkung am Rande: Am Ende des Besuchs durften Cinzia und Sylke dann auch mal Hand anlegen. Gar nicht so einfach, stellten sie fest – und brauchten für eine nicht ganz so wohl geformte Ähre deutlich länger als die Mädels am Band. Aber Spaß hatten sie mindestens genau so viel!

I Sapori d’Ogliastra die Arra Vito
Via Circonvallazione Est
08045 Lanusei (OG)

Tel. 0782 482699, 0782 40301

Der Käsemacher

Caseificio Silvio BoiDie Molkerei von Silvio Boi liegt in Cardedu an der Strada Statale 125 – und man würde glatt dran vorbei fahren, wenn da nicht immer Autos vor parken würden. Hier kommen die Leute aus der Gegend, um Käse zu kaufen. Milch von Ziegen und Schafen wird hier verarbeitet – zu Käse, der es sogar zu einem europaweit anerkannten Prädikat gebracht hat: Boi ist Gründungsmitglied des „Consortium für den Schutz der Pecorino Sardo DOP“ und setzt sich damit für die Tradition der Käseherstellung ebenso ein wie für die Qualität der Produkte.

Die Milch für die Käse kommt nur aus Sardinien und insbesondere aus der Provinz Ogliastra, die Schafe und Ziegen werden ausschließlich auf Weiden in der freien Wildbahn gehalten. Auch in der Molkerei von Silvio Boi treffen Tradition und Moderne zusammen: Die Molkerei ist ein moderner Industriebetrieb, aber die Produkte haben letztendlich handwerklichen Charakter; manuelle Bearbeitung des Rohmaterials sorgt für authentischen und vor allem schmackhaften Käse.

Im Verkaufsladen probierten wir die Käse – Ziege und Schaf, jeweils jung, mittelalt und gereift. Die Reifezeit beträgt 60 Tage, zwei Monate oder zwei Jahre – je älter der Käse, desto kräftiger ist er. Man schmeckt den Geschmack der Kräuter, den die Tiere in den Weiten der Ogliastra schnurpseln konnten! Zwei Millionen Liter Milch von Schafen und Ziegen verarbeitet die Molkerei jährlich. Aber die Käse, die die Molkerei von Silvio Boi verlassen, sind alle handgemacht. Zweifach gesalzen sind sie, für zehn Tage liegen sie im Salzbecken. Wenn sie im Regal liegen, entwickelt sich eine Edelpilzschicht – die gehöre beim Reifeprozess dazu, erfahren wir.

Ohne Hygiene geht eh nichts bei Lebensmitteln – dafür sorgen schon EU-Vorschriften und örtliche Behörden. Aber traditionelle Herstellung und moderne Anforderungen lassen sich auf das Vorzüglichste miteinander verbinden – und was letztendlich zählt, ist der Geschmack. Und der stimmt!

Caseificio Silvio Boi
Via Nazionale, 8
08040 Cardedu (OG) Italia

Tel.: 0039.0782.75802
www.caseificiosilvioboi.it

Karte mit den Produktionsstätten

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