Das Tal des Großen Königs ist nicht ohne Grund das beliebteste Ziel von Gomerabesuchern. In seiner Lieblichkeit ist es irgendwie unübertrefflich, die Zahl möglicher Wanderungen scheint unermesslich, die Ausblicke sind grandios und immer wieder neu. Angesichts solcher Superlative ist und bleibt es mir immer ein Rätsel, wie einige, an dieser Stelle muss ich sie mal so nennen: Wanderfreunde im D-Zug-Tempo die Landschaft durchpflügen. Sie hirschen starren Blicks an uns vorbei und genießen es sicherlich, als letzte losgegangen und als erste am Ziel zu sein. Das wird mir nie passieren, schon weil das nötige Quantum an Sportivem fehlt. Obendrein bleibe ich immer wieder mal stehen, um mich umzusehen – meist lohnt es sich der Blick zurück ohne Zorn, weil eben mit jedem erklommenen Höhenmeter sich das Tal neu präsentiert.
Es gibt viele Wege von den Orten an der Küste des Valle Gran Rey bis hoch auf die Berge (und mindestens ebenso viele wieder herunter). Wir wählten die Kombination eines zwei-Schluchten-Aufstiegs mit krönendem Abschluss bei Doña Efigenia und Rückfahrt als Tramp bei netten Mitnehmern.
Ein guter Ausgangspunkt der Wanderung ist die Kirche „Ermita de los Reyes“ bei El Guro – der Weg bis dahin ist nämlich eher langweilig und führt durch vermülltes Gebiet. Der Wanderweg GR 132 verlässt zwar das Valle und schlägt sich quasi rechts in die Berge hinein – aber es gestattet herrliche Blicke in das Tal. Es geht immer hübsch bergan, von etwa 145 Metern Höhe bei El Guro bis zur Degollada del Cerrillal, die 658 Meter hoch ist. Die Kammhöhe ist ein idealer Rastplatz, meist ist man hier auch nicht allein: An der Weggabelung biegen etliche Mitwanderer rechts ab, um die Hochfläche von Las Pilas zu besuchen und von dort auf Vueltas und die Schweinebucht herunter zu gucken.
Wir aber wollten ja nicht zurück, sondern hoch: Links ab also, nun bereits im Barranco de Argaga, ist es grün und gemütlich. Warum wir nun erst mal wieder bergab wandern, um dann – nach der Überquerung eines Baches – wieder hoch zu tapern, bleibt unbeantwortet oder kriegt die lapidare Antwort: Das ist nun mal so. Nach dem Ab und Auf beginnt ein lustig-luftiger Abschnitt: Der Weg verläuft größtenteils in einem Wasserkanal, der für den Wassertransport zu verfallen ist, uns aber geduldig ertragen muss. Natürlich ist das nichts für meine schwachen nichtschwindelfreien Nerven. Aber bevor ich wieder loskrabbele, erfindet Sylke die seit Kindergartenzeiten beliebte Methode „Händchen halten“. Und siehe da: Sobald ich was zu fassen habe, fühle ich mich sicher(er) und zottele brav hinter Oberschwester Sylke hinterher. „Ist doch gar nicht schlümm!“ sagt sie und hat sogar Recht.
So geht es also mäßig leicht weiter hoch bis zur Alm La Matanza, die für Postkartenbilder idyllisch liegt und sich heute auch noch mit einem latenten (weil nicht sehr ausgeprägten) Regenbogen schmückt. Beim Wort Regenbogen bzw. ursprünglich natürlich beim Erblicken eines solchen muss ich immer denken, dass das zwar schön aussieht, aber eben auch auf die Anwesenheit von Regen schließen lässt. Dieses Mal verzog der sich aber rechtzeitig, so dass wir trockenen Fußes die letzten Höhenmeter erklommen und im 1030 Meter hoch gelegenen El Cercado das verdiente Wanderbier einnehmen konnten. Der richtige Platz dafür ist die Bar Victoria direkt an der Straße im Dorfinnern. Es gibt colarote Plastikstühle und naturbelassene Baumstammhocker, die wir bevorzugten. Der junge Wirt ist ein Netter und betrachtete voller Respekt unsere mitgeschleppte Kameraausrüstung. Gerne wären wir geblieben und hätten das Kaninchen probiert, das auf der Karte steht – aber wir wollten ja weiter zu Doña Efigenia.
Der Weg dahin führt uns, so ist das auf Gomera, erst mal rund hundert Meter hinab und dann fast genau so viele Meter wieder hoch (Las Hayas, wo sich das Restaurant La Montaña befindet, liegt 1000 Meter über dem Meeresspiegel). Aber der Weg ist absolut lohnend, weil man immer wieder ins Valle sieht, das in der spätnachmittäglichen Sonne bereits im Schatten der Berge liegt und daher sehr grafisch abstrakt wirkt. Das Meer ganz weit unten hingegen glitzert und bereitet sich auf den Sonnenuntergang vor. Und während das Meer vor sich hinglitzert, bereiten wir uns auf den Besuch bei Doña Efigenia vor…
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