Im historischen Zentrum: Theaterplatz

Spaziergänge im Welterbe (9)

Johann-Denkmal

Steht man in der Mitte des Zwingers, kann man die ganze Pracht der Anlage noch einmal genießen. Wir verlassen den Zwinger nun aber – und plötzlich steht sie vor dir: Die Sächsische Staatsoper Dresden, kurz „Semperoper“. Am Theaterplatz mit dem Reiterdenkmal von König Johann (der unter seinem Pseudonym Philaletes Dantes „Göttliche Komödie“ nach Meinung von Fachleuten hervorragend übersetzt hat) kumuliert das alte Dresden: Die Semperoper (seine zweite am Platz, Nummer eins brannte 1869 ab) wurde wie fast alles im Februar 1945 ein Opfer der Bomben. Wiedereröffnet exakt 40 Jahre nach der Katastrophe am 13. Februar 1985, ist sie jetzt nicht zuletzt durch den Bierwerbespot ein Muss für alle Touristen – wobei denen, die zu Hause nie in die Oper gehen, die musikfreien Führungen tagsüber empfohlen seien, weil die sehenswerte Architektur die gleiche ist wie während der Aufführung…

Italienisches DörfchenRichtung Elbe liegt das „Italienische Dörfchen“, eine Gaststätte. Zu ihrem Namen kam sie, weil in der augusteischen Zeit dort Baubuden standen, in denen die der Steinmetze aus Italien wohnten, die die Hofkirche bauten. Architekt Gaëtano Chiaveri und seine Bauleiter kamen ebenfalls aus Italien: Des starken August Sohn – Friedrich August II. – hatte sie gerufen, um Sachsens größte Kirche (und Dresdens letzten Barockbau) zu errichten. Die Dresdner, so scheint‘s, hatten mit den Zugereisten allerdings offensichtlich Probleme: Nach zehn Jahren Bautätigkeit reiste Chiaveri mit dem Gefühl ungenügender Unterstützung ab.

Seine jetzige Form erhielt das Italienische Dörfchen übrigens erst Anfang des 20. Jahrhunderts – ebenfalls von einem Nicht-Dresdner, nämlich vom Bamberger Hans Erlwein, der auch an anderen Stellen der Stadt beachtliche Spuren hinterlassen hat. Wo früher die Steinmetze wohnten, gibt‘s heute Gastronomie für alle – auch italienisch geprägte: eine späte Verneigung vor den Namensgebern des Ensembles?

Nett wär‘s ja und eine richtige Geste allemal. Zumal es gerade ein Wesenszug von in Dresden Geborenen zu sein scheint, dass eben nur gebürtige Dresdner das richtige Gefühl für die Stadt entwickeln können – was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie viele Zugereiste das Stadtbild wesentlich geprägt haben und einen klanghaften Namen hinterließen: Der Zwinger von Pöppelmann (aus Westfalen!) und Permoser (ein Oberbayer, der zuvor in Italien gearbeitet hatte), die Oper von Semper (ein Hamburger), die Kirche von Chiaveri. Am Schloss haben naturgemäß über die Jahre so viele rumgemährt, dass es sich verbietet, nur einen Namen zu nennen. Das Taschenbergpalais, das unser nächstes Ziel ist, ist das Werk der Westfalen Karcher und Pöppelmann, und das neue Haus am Zwinger dahinter vom Wiener Architekten Heinz Tesar.

TaschenbergpalaisDie Geschichte des Taschenbergpalais erzählt sich immer besonders gut, und weil sie etwas länger währt, könnte man die Chance nutzen und hineingehen: Das Palais ist nämlich mittlerweile ein Hotel mit Cafés und Gaststätten. Vom schnellen Espresso in der Kaffeebar über den vornehmen Kaffee oder Fünf-Uhr-Tee im Vestibül des Hotels mit Blick auf das Pöppelmannsche Treppenwunder (eine doppelläufige Anlage, die den Bombenangriff im Februar 1945 halbwegs überstand und beim 250 Millionen Mark teuren Wiederaufbau zum Hotel originalgetreu einbezogen wurde), vom urig-deftigen Essen nach bayerischer Art im Paulaner‘s oder im Sophienkeller (mit echten alten Stadtmauern und Gewölben aus dem 13. Jahrhundert sowie nachgebautem „Zeithainer Lager“ aus augusteischen Zeiten) bis zum hoteleigenen Restaurant Intermezzo ist für nahezu jeden Geschmacksnerv (und unterschiedlich voluminöse Geldbeutel) etwas dabei.

Wir sitzen also nun in dem Palais, das August der Starke seiner Gräfin Cosel erbauen ließ. Die Cosel war nicht die Frau des Kurfürsten, sondern – so etwas war seinerzeit nicht unüblich – seine Mätresse. Anders als heutzutage die heimlichen Geliebten waren das durchaus akzeptierte Nebenfrauen. Die Cosel, die August einem seiner Minister ausgespannt hatte, ertrotzte sich sogar einen richtigen Ehevertrag. Der half ihr allerdings, als die Liebe des potenten Potentaten vorbei und die Interessenslage des Königs von Polen sich verändert hatte, auch nicht mehr – und so landete die Gräfin Cosel auf Burg Stolpen, knapp 30 Kilometer Richtung Elbsandsteingebirge von der Residenz entfernt, im Gefängnis. Das war, auch wenn es sich heute wunderbar restauriert und publikumsnah gestaltet präsentiert, kein Zuckerschlecken!

Die besten Tage ihres Lebens aber verbrachte Gräfin Cosel im Taschenbergpalais – dem Palais, das August ihr zu Ehren hat bauen lassen. Die Verbindung, die es heute zwischen Schloss und Palais gibt, wurde übrigens wie der gesamte Ostflügel erst später errichtet, so dass die nette Geschichte vieler Stadtführer, dass August nächtens über diesen Gang zu seiner Geliebten schlich, leider nur als gut erfunden eingestuft werden muss.

Wirklich lustig allerdings ist, dass der Frauenheld den Bau doppelt bezahlt hat: Einmal beim eigentlichen Bauen, dann später nochmal, als er die Cosel rausgeworfen hatte und das Palais für sich wieder haben wollte (soviel gab der Vertrag dann doch her): Rückkaufen hat also auch Tradition hierzulande.

Auch nach dem unfreiwilligen Auszug der Cosel erlebte das Taschenbergpalais gute Zeiten, mit An- und Umbauten. So entstand in Dresdens erstem barocken Palais einige Jahre später eine Hauskapelle, die als Höhepunkt des Rokoko in Dresden gefeiert wird. Beim Wiederaufbau des Palais (1992–1994) hat man die Kapelle in den Ausmaßen erhalten, aber nicht dem Überschwang des Rokoko nachempfunden: Schlicht gestaltet steht sie als Teil des Hotels für Tagungen zur Verfügung.

SchinkelwacheAuf dem Weg vom Taschenbergpalais Richtung Elbe lassen wir das Schloss erst einmal rechts liegen. Linker Hand die Schinkelwache ist eine passable Adresse, um mit Blick auf die Oper auszuruhen und einen Kaffee oder ein Glas Wein zu trinken. Außerdem gibt es hier Karten für die Oper – wenn es noch welche gibt. Die Schinkelwache wurde 1830-1832 von Joseph Thürmer nach Entwürfen des Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel erbaut – als Altstädter Wache. Es ist das einzige klassizistische Gebäude mitten im barocken Dresden.

Semperoper und Italienisches Dörfchen links liegen lassend, gehen wir die Stufen zum Flussufer hinab zu Marion. Marion ist ein Boot – mit einem feinen kleinen Theater und dem Restaurant Kahnaletto, in dem man nett italienisch essen kann (mittags übrigens erstaunlich günstig).

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