An Bord der Krippen geht es irgendwie gemütlich zu. 110 Leute passen passen auf Vorder- und Achterdeck, das ist ja noch recht übersichtlich. Die Krippen ist dampfgetrieben, aber – wie bei allen Schiffen der weltweit größten Schaufelraddampferflotte bis auf die Diesbar – die Maschine wird nicht mehr mit Kohle geheizt. Wer auf der Diesbar mal gesehen hat, was für eine Knochenarbeit das ist, gönnt es den Männern – obwohl man als Fotograf natürlich auf der Diesbar noch mehr Motive findet!
Wenn der Dampfer ablegt, sieht man gleich einige Highlights – die man sonst sonicht mitbekommt. Die Kuppel der Frauenkirche schwebt über den Dächern der Kunstakademie – und im richtigen Augenblick tanzen die Putten am Dachrand der Akademie quasi bodenlos frei um die Laterne der Frauenkiche. Dann geht’s vorbei an der Hochschule für Bildende Künste. Constantin Lipsius erbaute 1887 bis 1894 das Gebäude mit der markanten Glaskuppel: Die ist auch als Zitronenpressebekannt und war nach dem Weltkrieg mit der Zerstörung Dresdens die einzige Kuppel in der Stadtsilhouette – jetzt steht sie wieder im Dialog mit dem Sandstein der Kirche. Für Sekunden der Vorüberfahrt rücken die beiden eng zusammen und unterhalten sich sozusagen auf Augenhöhe.
>Das Schiff unterquert die erste Brücke – die Carolabrücke. Im Innenstadtbereich stehen drei Brücken nah beieinander: Von der Marienbrücke (über die die Eisenbahnen fahren, wenn man bis oder vom Hauptbahnhof fährt) bis zur Augustusbrücke (die von der Hofkirche abgeht) sind es etwa 793 Meter, von dort entlang der Brühlschen Terrasse bis zur Carolabrücke etwa 487 Meter, wir bewegen uns gerade zur dritten, der Albertbrücke: 569 Meter. Danach kommt erst mal viereinhalb Kilometer keine Brücke bis zum Blauen Wunder.Die Stadtplaner wollen, dass sich das ändert: In Höhe des Waldschlösschens (einer Brauerei, wo man nett drinnen oder draußen sitzen und den Haustrunk genießen kann) soll eine neue Brücke entstehen, die Waldschlösschenbrücke. Um die gibt es seit Jahren elendig viel Streit – so viel, dass sogar die Wikipedia zwei Beiträge über den Dresdner Brückenstreit und die Waldschlößchenbrücke braucht…
Der Streit ist kaum sauber nachzuerzählen, er teilt die Dresdner Bevölkerung in Befürworter und Gegner – aber von was? Es gab mal einen Bürgerentscheid, in dem sich eine Mehrheit der Wahlgänger für eine Brücke dort aussprach. Und es gibt den Titel „Welterbe“ für das Elbtal bei Dresden, das mit seinen Auen im Innenstadtbereich und den Weinhängen schon eine sehr einmalige Angelegenheit bildet. Dass im Zentrum neben der Natur-Kultur auch noch menschgemachte Kultur hinzukommt und die beiden sich aufs Feinste ergänzen, ist sicher auch ein Teil des Charmes, den diese Stadt hat und der zur Verleihung des Welterbe-Titels führte.
Nun sagt aber die UNESCO: Die Brücke, die ihr da plant, zerstört die Landschaft, und wir erkennen euch den Titel ab, wenn ihr nicht die begonnenen Baumaßnahmen einstellt und den alten Zustand wieder herstellt. Und da haben wir also: Volksentscheid gegen UNESCO-Votum. Und als Würze Naturschützer, die die Kleine Hufeisennase in dem Gebiet ausgemacht haben und ihren Schutz fordern.
Argumente werden hin- und hergebrüllt (leise Argumente gibt es kaum in diesem Streit, hat es den Anschein) – und eine Lösung ist angesichts der Gemengelage demokratischer Prozesse, richterlicher Sprüche und gesunden Menschenverstandes auch nicht wirklich einfach. Zu leicht machen es sich allerdings all diejenigen, die sagen: Wir lassen uns von der UNESCO nicht erpressen, dann sollen sie uns doch den Titel nehmen! Denn wer beim Spiel „Welterbe“ mitspielt, macht das aus eigenem Antrieb (die Stadt Dresden hatte sich beworben) und erkennt damit die Spielregeln an – und zu denen gehört, dass der Verleiher des Titels aufpasst, dass auch alles so bleibt, wie es gelobt wurde.Das alles (und noch viel mehr) geht mir durch den Kopf, als wir am Waldschlösschen vorbei dampfen. Die Baustelle ist deutlich zu erkennen – und es ist schon traurig anzusehen, wie hier die Landschaft kaputt gemacht wird. (Ich war übrigens beim Volksentscheid für die Brücke, weil ich glaube, dass eine Stadt mit einem Fluss in ihrer Mitte Brücken braucht. Aber erstens wusste ich nicht, wie mächtig und wenig elegant die Brücke sein soll – und zweitens hatte uns Wählern keiner gesagt, dass wir mit der Brücke letztlich gegen das Welterbe stimmen. Wer sich also heute auf das Ergebnis von damals beruft, kann auch daneben liegen – Meinungen können sich ändern angesichts höherer Ziele!)
Damit diese Folge nicht so nachdenklich-ernst endet, schippern wir noch ein wenig stromauf, vorbei an Badenden (ja, das geht wieder in der Elbe, auch wenn es mir keinen Spaß machen würde bei der geringen Tiefe und den Kieseln). Wer jetzt an den Bug des Schiffes geht, sieht linker Hand mit der nächsten Elbbiegung die drei Elbschlösser vor sich – und die Saloppe.
Die Saloppe ist ein schöner Industriebau: 1875 ging hier das erste Dresdner Wasserwerk in Betrieb. Damals gab es Trinkwasser – heute kommt aus dem Uferfiltrat nur noch Betriebswasser für Infineon im Norden der Stadt. Die eigentliche Bedeutung der Saloppe für die Stadt liegt für viele aber auf ganz anderem Flüssigkeitsgebiet: Die Saloppe ist eine wunderbare Sommerwirtschaft. Kann es sein, dass hier die ersten Afterwork-Parties der Nachwendezeit in Dresden gefeiert wurden? Ich glaub schon. Auf jeden Fall passt das: Die Saloppe war nämlich früher weit mehr als ein Wasserwerk. Ein großer Bau, nicht ganz zu Unrecht als „viertes Ebschloss“ tituliert, gilt als die älteste Schankwirtschaft Dresdens…
(wird fortgesetzt)
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