In dieser Stadt, die Dresden heißt, streitet man sich gerne. Man ist dafür oder dagegen. Ganz oder gar nicht – das ist allen, die das Geschehen über die Jahre beobachten, nichts Neues. Ich sage nur Waldschlösschenbrücke. Und der Streit darum war ja nun ein Zuckerschlecken im Vergleich zu dem, was sich seit über einem Jahr meistens an Montagabenden abspielt, aber auch den Rest der Woche die Köpfe beschäftigt.
Vielen (wenn auch nicht allen, muss man ja mal sagen) Gastgebern geht das ganz gehörig auf den Keks, wenn etwa 1,5 Prozent der Dresdner Bevölkerung sich allwöchentlich anmaßen, für alle sprechen zu wollen, und wenn diese Wenigen im Mäntelchen des besorgten Bürgers lautstark Fremdenhass predigen. Wer einmal das Missvergnügen hatte, unwillentlich und ungeplant Zeuge der montäglichen unbunten Aufläufe zu werden, spürt dumpfen Muff – um es sehr zurückhaltend auszudrücken.
Aber wo bleiben die anderen 98,5 Prozent der Dresdner? Sind sie zu satt zum Widerstand – oder haben sie vielleicht einfach keine Lust, sich von anderen die Montagabendgestaltung oktroyieren zu lassen? Auch das ist eine der Fragen, die Dresdner beschäftigen. OK: Einige sind von Anfang an auf der Straße, die andere Seite zu zeigen. Vielleicht nicht untypisch für Dresden: nicht von der Politik kamen die ersten Zeichen, sondern, anfangs überraschend, von Künstlern der eher alternativen Szene. Die Hochkultur setzt obendrein plakativ Zeichen (und muss sich, im Falle der Semperoper, jetzt wegen der Video-Installation mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen den Denkmalschutz auseinandersetzen). Seit etwa sechs Wochen meldet sich, dies allerdings betont unpolitisch, auch das Dresdner Citymanagement: „Das Citymanagement Dresden hat sich gemeinsam mit Händlern, Museen, Bühnen und Gastronomen etwas ausgedacht: Der Montagabend ist künftig für besondere Veranstaltungen und Aktionen reserviert. Spezielle Angebote und einmalige Kulturerlebnisse – immer montags in der Zeit zwischen 17 und 20 Uhr.“ Klingt brav, ist es auch irgendwie. Aber die Insider wissen ja, wie’s gemeint ist…
Diesen Montag gab es eine bemerkenswerte Aktion: das erste Dresdner Winterpicknick in den Räumen des Restaurants „Alte Meister“ am Theaterplatz und im Französischen Pavillon des Zwingers. Mit dabei waren alle Sterneköche der Stadt, also die drei Aktiven: Stephan Mießner vom „Elements“ (der selbst nicht kam, aber seine Frau Martina war vor Ort), Stefan Hermann von „Bean & Beluga“ und Benjamin Biedlingmaier vom Restaurant „Caroussel“ im Hotel Bülow Palais sowie Dresdens erster Sternekoch Mario Pattis, derzeit ohne festes Restaurant und demzufolge nach den Michelin-Regeln auch ohne Stern – aber so wie er kocht, ganz sicher in diese Klasse gehörend. Dazu kamen (sorry, falls wir jemand vergessen haben) Silvio Nitzsche (WeinKulturBar), Roswitha Nitzsche (WeinSchauPlätze), Olaf Kranz (Schmidt`s Restaurant und Gourmetcatering), Stefan Meyer-Götz (Dresdner Kaffee und Kakao Rösterei), Susanne Meyer-Götz (Curry & Co.), Uwe und Bernd Haufe (Villandry), Georg Bauch (freiberuflich, Gourmetcatering) sowie Kai Marten Graul vom Gastgeberrestaurant Alte Meister.
Alle hatten was vorbereitet, die Gäste konnten sich (nachdem sie einmalig pauschal 27 Euro gezahlt hatten) bedienen. Picknick im Freien wäre möglich gewesen, aber Petrus oder wer auch immer für sowas verantwortlich ist, ließ es regnen – da blieb man doch lieber drinnen oder ließ sich nur für ein Foto überreden, die Schönheit des Ortes anzudeuten. Drinnen waren dann alle, die was auf sich und/oder die Köche hielten. „Der wird aber neidisch sein, wenn wir ihm morgen erzählen, wen wir heute alles gesehen haben!“ sprach eine Pelzbemantelte im Anmarsch auf den Zwinger zur Freundin. Merke: Schicki, Micki und ich kamen keineswegs, um gegen Spaziergänger zu demonstrieren, sondern einzig, um sich von den Meistern der Kochkunst kulinarisch verwöhnen zu lassen.
Der Begriff Pegida fällt demonstrativ nicht, und einer der Köche postete – viel geliked und unwidersprochen – nach der Veranstaltung bei facebook: „Wir freuen uns, ganz neutral weiterhin Dresden in einem positiven Licht dar zu stellen, denn wir machen es zusammen. Wir machen es gut, denn wir sind Köche und uns ist egal, wen wir bekochen.“ Das ist – vielleicht – das Problem, das Dresden hat: Es gibt die Rechten, die sich mit dumpfen Gesängen auch in den Regen stellen, und es gibt das Bürgertum, das dem im gemütlich-historischen Zwinger statt eines klaren Nein ein neutrales egal entgegenstellt.
Stiller Protest kam nur vom Klavier mit dem Schild drauf: Spiel mich. Ich bin ein verwunschener Frosch. Es war einen Ton zu tief gestimmt, was den auftretenden Künstlerinnen die Teilnahme der an Missklang nicht gewöhnten Klarinette erschwerte bzw. unmöglich machte.
Gute Stimmung, hat geschmeckt.
Und keiner hat irgendwie angeeckt.
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