Märzenbecher sind was Seltenes, und wer sie in seiner Gegend hat, wähnt sich offensichtlich gleich als Sieger: „Eines der größten Vorkommen in Deutschland dieser streng geschützten Pflanze ist der Leipziger Auwald (Stadtwald)“, schreibt die Wikipedia und fährt fort: „Größere natürliche Vorkommen wildwachsender Märzenbecher innerhalb Deutschlands finden sich auch im Polenztal der Sächsischen Schweiz zwischen Polenz und Hohnstein, am Schweineberg im Stadtforst Hameln, bei Haina (Grabfeld) sowie am Nordabhang der Fränkischen Alb bei Ettenstatt in Bayern.“Das Schild am Eingang zur Märzenbechergegend im Oberen Polenztal ist älteren Datums, wie man an der überschriebenen Staatszugehörigkeit sieht (wo heute „in der BRD“ steht hieß es früher „in der DDR“). Auf dem Schild ist vom „größten Wildvorkommen“ Sachsens die Rede – und ich frage mich, ob die Märzenbecher im wunderbaren Leipziger Auenwald zahm sind…
Apropos Eingang zur Märzenbechergegend: Deren gibt es zwei, die jeweils auch Ausgänge sind – je nachdem wo man anfängt und aufhört. Wir kamen von der Russigmühle etwas stromab der Polenz. Dort galt es ein paar hübsche Fotos des bestens restaurierten Hauses (1848 gebaut, steht über dem Eingang) zu machen und einen Schatz zu heben. Ersteres wegen der gerade korrekt im richtigen Winkel stehenden Sonne am Anfang der Tour, letzteres am Ende: Geocacher haben’s nicht so mit vorbei laufenden Spaziergängern. Doch zu Muggeln und Schätzen später mehr.
An der Heeselichtmühle – laut Sandsteinrelief neueren Datums von 1561 – warnt ein Schild lieb vor dem Hund. Die alte Mühle ist in Privatbesitz, der Wanderweg führt quer übers Grundstück – da braucht man gute Nerven! Selbst der Hund scheint kapituliert zu haben vor den Menschenmengen – oder er ist heiser vom vielen Besucher melden: gesehen haben wir ihn nicht. Ansonsten ist das ein Haus, an dem immer gewerkelt wird – und sie vermieten Zimmer. Hübsche Lage, aber tagsüber lauter Menschen am Wochenende vor der Tür…Die Polenz kommt einem munter plätschernd entgegen – nahezu auf Augenhöhe. Märzenbecher sieht man hier kaum – die kommen später. Dann und wann tauchen sie allerdings auf, zum Beispiel in kleinen Brachen zwischen Ästen und Zweigen: das ist die richtige Umgebung für die Frühlings-Knotenblume (Leucojum vernum). Am Wegesrand gibt es aber nicht nur Blumen, sondern auch Rost: Mit Freuden entdeckte ich den Bus, der bereits vor zwei Jahren an der Scheibenmühle vor sich hin rostete. Wie schön, dass es Konstanten im Leben gibt! Die Scheibenmühle ist mittlerweile im eher rüden Stil bewirtschaftet, falls das jemanden interessiert – wir waren nicht drin.
Direkt hinter der Scheibenmühle gibt es dann die ersten größeren Märzenbecher-Teppiche. Um die Mittagszeit liegen sie im Schatten, wir sind auf dem Rückweg eigens nochmal hierhin, um sie im Sonnenlicht zu erwischen. Die naturgeschüzten Märzenbecher stehen nämlich am liebsten auf Wiesen, die man aus gutem Grund nicht betreten darf. Hier gab’s kein Schild, keine Absperrung und am Rand genug Platz, um sich heranzupirschen, ohne etwas zu zerlatschen. Sylke, die sich für Blumen schon mal flach auf den Boden legt, fand sogar dafür Platz – und wo es zu eng für den flachen Bauchklatscher war, gab Curly die hockende Grazie.Der Wanderweg verlässt die Flussebene und geht ein wenig in die Höhe, so dass man auf die sich durchs Tal schlängelnde Polenz sehen kann. Muntere Bächlein kommen vom Berg herab, was den Weg manchmal etwas pitschepatschig macht – die meisten Menschen hier wissen das und verzichten auf Stöckelschuhe – und für die ganz verrückten Touristen aus der großen Stadt ist es ja noch nicht die Jahreszeit.
Wenn die Polenz in Schleifen wie die große Schwester Elbe durch die Gegend plätschert, dann gibt es zwangsläufig immer mal wieder einen Richtungswechsel- Beim kalten Märzwetter sind das temporäre Temperaturwechselbäder: In der Sonne ist es schön warm (Jacke auf), im Schatten empfindlich kalt (Jacke zu). Das klingt gemein, aber eigentlich hat die Natur ja doch einen großen und guten Plan, denn während auf der (märzenbecherfreien) Wiese am Waldesrand die Menschen in der Sonne sitzen, lugen auf der (menschenfreien) Aue im Schatten des Waldes die Märzenbecher aus den letzten Schneeresten.
Kurz vor der Bockmühle kommt das das größte zusammenhängende Märzenbecherareal. Hier wurden wir vor zwei Jahren von einer pensionierten Oberlehrerin angerungst, wiel wir uns zu dritt mit unseren Kameras den zierlichen Naturgeschützten von der Seite her genähert hatten (vgl. Originalbeitrag). In diesem Jahr verwiesen die Eulen der Naturschutzbehör.de darauf, dass das Betreten der Wiese verboten sei – was wir natürlich respektierten. Offensichtlich sind hunderte behende über die Auen hupfende Fotografen im Ergebnis dann doch eher einer Trampeltierherde gleich zu setzen…
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