Kinder, bitte mal weglesen, zumindest für die nächsten paar Zeilen – die könnten anstößig sein für Euer zartes Gemüt. Es geht nämlich um Prozessionsraupen. Die hängen auf Mallorca zu Hunderten in den Pinien rum und lassen sich fallen, um dann gemeinsam auf Nahrungssuche zu gehen. Dabei führt eine Raupe (ich habe irgendwo gelesen: ein Weibchen) den Trek an, und danach docken sich jede Menge andere an – jeweils mit dem Kopf dicht am Hintern. In meiner (leider nicht wieder auffindbaren) Quelle stand, dass es alles Männchen seien, was ja bei der Nummer eins noch halbwegs sexuell stimulierend sein könnte, was weiß ich wie Raupen so sind. Aber für die anderen ist es dann ja schon eine Zumutung: Einem Weib zu folgen und dafür – pardon – Arschkriecher bei einem Mann zu sein. Aber egal, vielleicht ist das ja auch ein gemischtgeschlechtlicher Tross, der sich aus reinem Zweckoptimismus zusammentut: So hintereinander, denken sich die Raupen bei ihrer Prozession, sehen wir gar nicht aus wie nur fünf Zentimeter lange Spinner, sondern – eine Prozession von 14 solcher possierlicher Tierchen angenommen – wie ein 70 Zentimeter langes Ungetüm. Und da denken sich die Prozessionsraupen: Vögel könnten sich ja beeindrucken lassen und dann ablassen von uns, ja bitte?
So ganz scheinen sie das aber selbst nicht zu glauben, denn erstens schleichen sie quasi im Schneckentempo durch die Landschaft, was für jede Schlange eine Beleidigung ist. Und zweitens haben sich die Prozessionsraupen noch etwas ausgedacht: Sie sind extrem giftig. Die so kuschelig-wuschelig aussehenden Haare enthalten das Eiweißgift Thaumetopoein, das äußerst unangenehme Hautausschläge, Juckreiz und derlei Unannehmlichkeiten mehr verursachen kann – bei einem Opernsängern, wie ich las, auch Asthma neben dem juckenden Hautauschlag, der wiederum gerne auch Hunde trifft. Letztere seien, weil sie so gerne alles anschnüffeln, sogar besonders gefährdet.
Ich singe nicht, ich schnüffel nicht, aber auch Fotografen mit einer gewissen hemmungslosen Distanzlosigkeit sind gefährdet: Die Raupen schleudern ihre Haarpfeile auch einfach so aktiv aus, wenn sie sich angegriffen fühlen. Also huste ich seit der Begegnung mit der langsamen Prozession, asthmatisch angereizt, gar nicht munter vor mich hin und lese bei den Recherchen (alles natürlich im Nachhinein!) hocherfreut, dass der Stern die Tierchen einmal „atemberaubende Raupen“ genannt hat.
Ach ja: Wir trafen die Prozessionsraupen, wie passend, auf der Wanderung zum Kloster Nostra Senyora de Cura, kurz vor dem Santuari de Nostra Senyora de Gràcia.
Sie haben anscheinend von der Gefährlichkeit dieser Tierchen KEINE Ahnung.